Leben, das vom Geist Gottes in Jesus Christus bestimmt ist

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Der Altmeister der Spirituellen Theologie legt mit "Gottes Geist ist konkret" die Summe seines Lebenswerkes vor.

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Der Altmeister der Spirituellen Theologie legt mit "Gottes Geist ist konkret" die Summe seines Lebenswerkes vor.

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Ist es schon Spiritualität, wenn man "positiv denkt", den "richtigen Zeitpunkt" nicht verpaßt? Ist es Religion, die dem Menschen guttut, wenn Channeling gelingt und der Sternenglaube die Zukunft deutet? Oder verhindert Gottesglaube, insbesondere im Rahmen der altgewordenen Kirchen, zeitgemäßes politisches und gesellschaftliches Engagement? Steht Gottesverehrung der menschlichen Selbstverwirklichung im Weg?

Josef Sudbrack SJ, 74jähriger Altmeister der katholischen Spirituellen Theologie, legt so etwas wie die Summe seines Lebenswerkes vor. Sehr persönlich beginnt er mit der Erzählung seines (theologischen) Lebenslaufes - von der behüteten, frommen, aber nicht bigotten Kindheit im Rheinland über seine schwere Kriegsverletzung und das Theologiestudium als Jesuit, das II. Vatikanum und die 68er-Bewegung, die Theologie nach Auschwitz bis zur neuen Religiosität. Er analysiert den Begriff Spiritualität, der in den letzten Jahren einen ungeheuren Boom erlebt, in seinem urgemeinten Sinn - keine Begriffsdefinition (wie sie auch bei anderen Urworten wie Herz oder Liebe unmöglich ist), sondern die Grundausrichung: christliche Spiritualität meint ein Leben, das vom Geist Gottes in Jesus Christus bestimmt ist. Leben aus diesem Geist bedeutet daher nicht Weltflucht sondern schöpferische Mitgestaltung, umgekehrt wird noch so engagiertes Handeln erst möglich durch das - von Jesus vorgelebte - unbedingte Gottvertrauen.

In weiterführenden Kapiteln setzt sich Sudbrack mit Brennpunkten dieser Spiritualität auseinander. Meditation nicht nur als "Weg nach innen" sondern als brennpunktartige Sammlung von Erfahrung, nicht (nur) Eutonie (richtige Entspannung) sondern Eurhythmie (richtige Balance von Bewegung und Ruhe), Identität als Erfüllung der Sehnsucht nach Ganzwerden und Selbstsein, das nicht mit Egoismus verwechselt werden darf, Kirche Dialoggemeinschaft der Menschen mit Gott und untereinander, das Gebet als Stehen vor Gott und als Bereitschaftsbekundung, Verantwortung zu übernehmen. Im Grunde läßt sich alles auf eine einfache Formel zurückführen: Im Handeln kontemplativ sein.

Daß Sudbrack jesuitische Tradition fortführt, ist nicht zu übersehen. Neben Meister Eckhart, dem mittelalterlichen Mystiker, dienen unter anderem Ignatius von Loyola, Karl Rahner und Teilhard de Chardin als Gewährsleute. "Gott in allen Dingen finden" kann als Prinzip dieser "Theologie der Welt" formuliert werden. Aber er schöpft nicht nur aus diesen Quellen. Auch die großen Denker der Frankfurter Schule haben einen großen Stellenwert in seinem Ansatz. Nicht zufällig ist der Titel des Buches ein abgewandeltes Wort von Bert Brecht ("Die Wahrheit ist konkret"). Daher wundert es auch nicht, daß der Verfasser ein ungestörtes Verhältnis zu den Humanwissenschaften (Psychologie, Soziologie, Pädagogik) hat.

Wer öffentlich oder privat von seiner theologischen Vernunft Gebrauch machen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei, auch wenn es für den theologischen Laien ein wenig unübersichtlich wirkt. Die "Kraft des Wortes" läßt sich eben nicht so leicht in Schlagzeilen oder auf Homepages einfangen.

GOTTES GEIST IST KONKRET.Spiritualität im christlichen Kontext.

Von Josef Sudbrack. Echter-Verlag, Würzburg 1999, gebunden, 472 Seiten, öS 496,-/e 36,05

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