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Schlampig zitierte Halbwahrheiten

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Kirche in der Kirche? Diese Formulierung bildet als Behauptung - und nicht als Frage -den Titel des fünften Kapitels in Gordon Urquharts Buch „Im Namen des Papstes". Um es gleich vorwegzunehmen: Es handelt sich hier um ein Buch eines englischen Autors, der sich mit drei umstrittenen Bewegungen in der katholischen Kirche auseinandersetzt.

Wenn man die gesamte Arbeitsweise des ehemaligen Focolare-Mit-glieds Urquhart unter die Lupe nimmt, springt zunächst einmal sein gestörtes Verhältnis zu einer durchgehenden Zitation ins Auge des Lesers. Von den zahllosen Zitaten werden nach Belieben manche in einer anderen Schriftart, die meisten jedoch ohne jegliche Angabe der Fundstellen gebracht: Die Belegstellen schwanken zwischen null im Kapitel 13 und 16 im Kapitel 9. Neben ungezählten Behauptungen in indirekter Rede gibt es beispielsweise im Abschnitt „Reichtum und Macht" 31 Zitate, von denen ganze drei (!) belegt sind. Über die Qualität des vorliegenden „Sachbuchs" ist damit eigentlich alles ausgesagt.

Von Regründungen hält der Verfasser offensichtlich auch nicht viel, obwohl er sie vehement von den „Bewegungen" einfordert. So erwähnt Urquhart eine „Neokatechumenat-eigene" Presse, ohne sie zu benennen (Seite 119) oder stellt die Behauptung auf, es sei dem Neokatechumenat gelungen, „sich auf höchster Ebene eine Katechese absegnen zu lassen, die von vielen Fachleuten als ketzerisch, weil unvereinbar mit grundlegenden katholischen Dogmen, verurteilt worden ist" (Seite 165), ohne anzugeben, wer diese „höchste Ebene" darstellt und welche Fachleute eine Verurteilung ausgesprochen haben. Genannt werden an anderer Stelle bloß die Bücher von P. Enrico Zoffoli „Die Ketzerei der Neokatechumenaten-Bewegung" und „Die Herrschaft des Papstes und Kikos Katechese", deren Vertrieb angeblich durch eine Aktennotiz hintertrieben wird, die alle Filialen der San-Paolo-Buchhandlung, der größten Buchhandelskette in Italien, erhalten haben sollen (Seite 118).

Ich kann mich kaum des Eindrucks erwehren, daß es sich bei diesem Werk um eine Materialsammlung für irgendwelche Zwecke handelt, die nun in salopper und bisweilen auch primitiver Art und Weise dem Leser präsentiert wird. So hält Urquhart beispielsweise in einer Passage über die Gründer der drei Bewegungen folgendes fest (Seite 35/36, ungekürzt):

„Chiara Lubich (Anm. d. Red.: Gründerin der Focolare-Rewegung) ist, wie ihre beiden Gründerkollegen auch, von kleinem Wuchs. Sie war einmal Volksschullehrerin, und noch heute bietet sie mit ihrem bläulichgetönten Haar, ihren hellen Anzügen und ihrem schnellen Bergwanderertrab das Bild einer freundlichen, aber strengen Oberlehrerin. Dies erklärt, weshalb innerhalb der Bewegung infantiles Verhalten gefördert wird; die Mitglieder werden angehalten, sich an der ,Signorina' zu orientieren.

Der unscheinbare Don Giussani (Anm.d.Red.: Gründer von „Co-munione e Liberazione") entspricht mit seinen Warzen im Gesicht und seiner Reibeisenstimme auch nicht gerade dem Idealbild eines attraktiven charismatischen Führers. Und doch hat er mit seiner spitzfindigen Philosophie zwei Generationen italienischer Jugendlicher inspiriert. Anleihen aus seiner Ideologie und seiner Sprache finden sich in allem, was die Rewegung von sich gibt; auch außerhalb der Bewegung hat er viele beeinflußt", darunter führende Kirchen-männer wie Kardinal Batzinger und Kardinal Diffi (der in Wirklichkeit Biffi heißt, Anm. d. Red.) von Bologna. Die umstrittenen Positionen, die die Bewegung in kirchlichen und säkularen Fragen vertritt, sind ein Reflex der starren Weltsicht Don Gius-sanis.

Kiko Arguello hat liiit seinem Vollbart und seiner nüchtern-legeren Kleidung die modischen Maßstäbe für die Katechisten und Seminaristen der Neokatechumenaten-Bewegung gesetzt. Bedenklicher ist freilich, daß auch sein rüder Vortragsstil und sein autoritäres, aggressives Gebaren prägend auf viele Katechisten in aller Welt gewirkt haben."

Der Übersetzer des „Sachbuchs" entspricht völlig seiner Vorlage. Eine Kostprobe: „Um diese Zeit guckte sich Andreotti ihn als Statthalter in Rom aus." (Seite 308)

Unwillkürlich fragt man sich nach dieser Lektüre, was den bekannten Verlag Droemer Knaur bewogen hat, ein so unfertiges, schlampig recherchiertes Werk auf den Markt zu bringen. Er dürfte hier einfach mit den zahlreichen Kirchenkritikern spekuliert haben, die heute keinerlei Wert auf Sachlichkeit und Redlichkeit legen. Doch für diejenigen, die mit berechtigter Sorge den geheimnisumwitterten Einfluß bestimmter Organisationen auf die kirchliche Hierarchie verfolgen, ist dieses Buch völlig

IM NAMEN DBS PAPSTES

Die verschwiegenen Truppen des Vatikans. Von Gordon Urquhart. Aus dem Englischen von Karl Heinz Siber. Verlag Droemer-Knaur, München 1995, 584 Seiten, geb., öS 328,-

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