"Selbstverpflichtungen" der europäischen Kirchen

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Die von den europäischen Kirchen unterzeichnete Charta Oecumenica benennt in zwölf Kapiteln grundlegende ökumenische Aufgaben - der Kirchen untereinander und miteinander in der Gesellschaft - und leitet daraus "Selbstverpflichtungen" ab, die für die europäischen Kirchen aber keinen lehramtlichen oder kirchengesetzlichen Charakter haben. Die furche dokumentiert diese Selbstverpflichtungen im Wortlaut:

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Die von den europäischen Kirchen unterzeichnete Charta Oecumenica benennt in zwölf Kapiteln grundlegende ökumenische Aufgaben - der Kirchen untereinander und miteinander in der Gesellschaft - und leitet daraus "Selbstverpflichtungen" ab, die für die europäischen Kirchen aber keinen lehramtlichen oder kirchengesetzlichen Charakter haben. Die furche dokumentiert diese Selbstverpflichtungen im Wortlaut:

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1. Gemeinsam zur Einheitim Glauben berufen Wir verpflichten uns, * der apostolischen Mahnung des Epheserbriefes zu folgen und uns beharrlich um ein gemeinsames Verständnis der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen; * in der Kraft des Heiligen Geistes auf die sichtbare Einheit der Kirche Jesu Christi in dem einen Glauben hinzuwirken, die ihren Ausdruck in der gegenseitig anerkannten Taufe und in der eucharistischen Gemeinschaft findet sowie im gemeinsamen Zeugnis und Dienst.

2. Gemeinsam das Evangeliumverkünden Wir verpflichten uns, * über unsere Initiativen zur Evangelisierung mit den anderen Kirchen zu sprechen, darüber Vereinbarungen zu treffen und so schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr neuer Spaltungen zu vermeiden; * anzuerkennen, dass jeder Mensch seine religiöse und kirchliche Bindung in freier Gewissensentscheidung wählen kann. Niemand darf durch moralischen Druck oder materielle Anreize zur Konversion bewegt werden; ebenso darf niemand an einer aus freien Stücken erfolgenden Konversion gehindert werden.

3. Aufeinander zugehen Wir verpflichten uns, * Selbstgenügsamkeit zu überwinden und Vorurteile zu beseitigen, die Begegnung miteinander zu suchen und füreinander da zu sein; * ökumenische Offenheit und Zusammenarbeit in der christlichen Erziehung, in der theologischen Aus- und Fortbildung sowie auch in der Forschung zu fördern.

4. Gemeinsam handeln Wir verpflichten uns, * auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind und nicht Gründe des Glaubens oder größere Zweckmäßigkeit dem entgegenstehen; * die Rechte von Minderheiten zu verteidigen und zu helfen, Missverständnisse und Vorurteile zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen in unseren Ländern abzubauen.

5. Miteinander beten Wir verpflichten uns, * füreinander und für die christliche Einheit zu beten; * die Gottesdienste und die weiteren Formen des geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen zu lernen; * dem Ziel der eucharistischen Gemeinschaft entgegenzugehen.

6. Dialoge fortsetzen Wir verpflichten uns, * den Dialog zwischen unseren Kirchen auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen gewissenhaft und intensiv fortzusetzen sowie zu prüfen, was zu den Dialogergebnissen kirchenamtlich verbindlich erklärt werden kann und soll; * bei Kontroversen, besonders wenn bei Fragen des Glaubens und der Ethik eine Spaltung droht, das Gespräch zu suchen und diese Fragen gemeinsam im Licht des Evangeliums zu erörtern.

7. Europa mitgestalten Wir verpflichten uns, * uns über Inhalte und Ziele unserer sozialen Verantwortung miteinander zu verständigen und die Anliegen und Visionen der Kirchen gegenüber den säkularen europäischen Institutionen möglichst gemeinsam zu vertreten; * die Grundwerte gegenüber allen Eingriffen zu verteidigen; * jedem Versuch zu widerstehen, Religion und Kirche für ethnische oder nationalistische Zwecke zu missbrauchen.

8. Völker und Kulturenversöhnen Wir verpflichten uns, * jeder Form von Nationalismus entgegenzutreten, die zur Unterdrückung anderer Völker und nationaler Minderheiten führt und uns für gewaltfreie Lösungen einzusetzen; * die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft zu fördern.

9. Die Schöpfung bewahren Wir verpflichten uns, * einen Lebensstil weiterzuentwickeln, bei dem wir gegen die Herrschaft von ökonomischen Zwängen und Konsumzwängen auf verantwortbare und nachhaltige Lebensqualität Wert legen; * die kirchlichen Umweltorganisationen und ökumenischen Netzwerke bei ihrer Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung zu unterstützen.

10. Gemeinschaft mit dem Judentum vertiefen Wir verpflichten uns, * allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten; * auf allen Ebenen den Dialog mit unseren jüdischen Geschwistern zu suchen und zu intensivieren.

11. Beziehungen zum Islam pflegen Wir verpflichten uns, * den Muslimen mit Wertschätzung zu begegnen; * bei gemeinsamen Anliegen mit Muslimen zusammenzuarbeiten.

12. Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen Wir verpflichten uns, * die Religions- und Gewissensfreiheit von Menschen und Gemeinschaften anzuerkennen und dafür einzutreten, dass sie individuell und gemeinschaftlich, privat und öffentlich ihre Religion oder Weltanschauung im Rahmen des geltenden Rechtes praktizieren dürfen; * für das Gespräch mit allen Menschen guten Willens offen zu sein, gemeinsame Anliegen mit ihnen zu verfolgen und ihnen den christlichen Glauben zu bezeugen.

Der vollständige Text der Charta Oecumenica kann unter www.kirchen.at im Internet abgerufen oder über die Kathpress, 1011 Wien, Postfach 1477, Tel. 01/5125283, Fax. 01/5121886 bezogen werden.

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