Eine politische Weihnachtsbotschaft die furche 19. 12. 1986
Die Politik kann ... Voraussetzungen bieten, daß drei Begriffe, die für das Verhältnis der Menschen zueinander von entscheidender Bedeutung sind, wieder in ihr Recht als politische Kategorie kommen, nämlich Sprache, Zeit und Raum.
Die Sprache ist heute nicht mehr zur Mitteilung bestimmt, sie wird besetzt. Es gibt den Sprachenkampf und die Kampfsprache. Die öffentliche Sprache ist unverständlich geworden, lügenhaft, nebensächlich, überquellend, sinnlos.
Die Sprache soll wieder der Vermittlung dienen, nämlich der Mitteilung von Mensch zu Mensch. Sie soll sich wieder der starken und einfachen Worte bedienen und nicht jener Konstrukte, von denen die Medien täglich voll sind. [...]
Schulden müssen bezahlt werden, auch wenn sie Milliardenhöhe haben, Menschen freisetzen bedeutet, arbeitslos sein, Steuerhinterziehung bedeutet Diebstahl, sich's richten bedeutet Betrug. Privilegien sind Ungerechtigkeit und das Verschweigen von Problemen bedeutet, eine ganze Generation um ihre Zukunft zu betrügen.
Zeit müssen wir wieder für uns selber finden, denn die Freizeit ist heute keine Freiheit mehr, sondern Zwang, in dieser Zeit anderen zu imponieren, Zeit zu vernichten, Geld zu verbrauchen, Beziehungen zu töten.
Zeit müssen wir dem Nächsten hingeben, der Gemeinschaft. Es besteht eine innere Verpflichtung, neben den Steuern der Gemeinschaft auch Zeit zur Verfügung zu stellen, sonst wird ein Staat, eine Demokratie, eine Gemeinde, ein Verein, eine Kirche, eine Jugendorganisation oder die Nachbarschaftshilfe nie funktionieren.
Zeit müssen wir gewinnen, um überhaupt zu wissen, vor welchen Problemen wir stehen und wer wir selber sind. Dazu braucht es aber Raum, nicht nur Bauten der Gemeinschaft, das Pfarrzentrum und die Kulturstätte, sondern Raum in uns, Platz, den wir uns nehmen, um den Nächsten und die Gemeinschaft überhaupt zu erleben, zu fühlen, zu spüren.
Wenn wir die Sprache nicht haben, noch Zeit und schon gar nicht den inneren Raum, den Nächsten zu begreifen, in uns aufzunehmen, umso weniger können wir Ihn und sein Reich erfassen.
Wollen wir uns vorbereiten, dann müssen wir uns die Frage stellen, was in Gottes Kosmos wirklich wichtig ist, wieviel Erde der Mensch zum Leben braucht, was unser Reich ist und auf was hinauf sein Reich von Ihm geschaffe wurde.
Wird da nicht vieles, was uns wichtig vorkommt, unbedeutend? Wird nicht dadurch unser Leben um vieles einfacher? Sind nicht diese "Werte" für jeden verständlich?
Wenn eine Wende notwendig ist, dann wahrscheinlich die unserer eigenen Einstellung - zum eigenen Leben und zur Existenz unserer Welt.
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