7116690-1996_18_06.jpg
Digital In Arbeit

Vorstoß zum Kern des Christentums

Werbung
Werbung
Werbung

Die Theologie befindet sich derzeit nicht in einer Hochphase, sondern eher in einer Phase der Erschöpfung", stellte Wiens Erzbi-schof, Christoph Schönborn, bei der Präsentation einer neuen, großen Lehrbuchreihe zur katholischen Theologie nüchtern fest. Um diesem Trend entgegenzusteuern, arbeitet er seit Jahren mit einer Gruppe von europäischen Theologen an der Herausgabe eines umfassenden theologischen Kompendiums. Einer der Hauptinitiatoren des Projekts war der inzwischen verstorbene Bischof von Lugano, Eugenio Corecco. Unter dem Titel „Amateca" sollen bis zur Jahrtausendwende insgesamt 22, in acht Sprachen übersetzte Standardwerke über alle theologischen Disziplinen erscheinen. Die Veröffentlichung geschieht in unregelmäßiger Folge. Auf deutsch sind bislang erst vier Bücher im Bonifatius-Verlag in Paderborn erhältlich.

Der internationale Unterfangen ist vom hohen Anspruch geleitet, eine einheitliche Orientierungshilfe „für

das Theologiestudium an den theologischen Fakultäten, Seminaren und kirchlichen Hochschulen" zu bieten, die auch „theologischen Lehrgängen von Laien" zugrundegelegt werden können. Unter der Leitidee „Glaube nicht ohne Verstand, Verstand nicht ohne Glaube" versuchen die Autoren in der Nachfolge der großen Gottesgelehrten Hans Urs von Balthasar und Henri de Lubac die Grundlagen des Glaubens, auf dem das katholische Kirchengebäude steht, einsehbar zu machen. Ihr Anliegen ist es, die konziliare Theologie abseits aller Polarisierungen umfassend darzulegen. Dabei halten sie sich nicht bei den derzeit in der Öffentlichkeit heiß diskutierten Themen auf, sondern sie wollen zum Wesen, zum Kern der christlichen Botschaft vordringen.

„Um auf die Fragen des Kirchen-volks-Begehrens einzugehen, bedarf es zunächst der Klärung der Grundbegriffe des Glaubens", umreißt Schönborn die Position der Lehrbuchreihe. Die Kirche sei nicht eine Summe von Individuen, sondern habe eine Grundgemeinsamkeit im Glauben. Diesen gelte es zunächst in seiner Tiefe und Vielfalt zu entdecken.

Beim Studium der vier in deutsch erschienenen Bände fällt auf, daß bei umstrittenen theologischen Themen stets der Standpunkt des römischen

Lehramtes wiedergegeben wird. Der Wiener Erzbischof sagte, die Buchreihe wolle der Theologie helfen, eine gemeinsame Sprache, Grammatik und Syntax wiederzufinden. Durch den derzeitigen „sehr großen Pluralismus" sei eine gemeinsame Schultheologie abhanden gekommen. So gebe es viele Ansätze, aber zu wenige Bezugskoordinaten. In der Theologie komme die Systematik zu kurz, und die Fülle unterschiedlicher Publikationen habe zu Unübersichtlichkeit geführt. Vor allem die großen Klassiker der früheren Zeiten und der Gegenwart sollten stärker Berücksichtigung finden. Auch Heilige seien mit-einzubeziehen.

Eine hohe theologische Kultur ortet Schönborn „bis in die siebziger Jahre" und wertet die Zeit des Bingens rund um das Zweite Vatikanische Konzil ohne Einschränkung als Hochphase. Jetzt sei die Situation nicht gerade brillant. Für ihn gebe es angesichts der neuen Buchreihe eine berechtigte Hoffnung auf einen neuen Aufbruch zu einer kreativen Phase der Theologie.

Ob diese Einschätzung von allen Theologen geteilt wird, sei dahingestellt. Bemerkenswert ist, daß sechs von den 35 J'heologen, die sich als Autoren zur Verfügung gestellt haben, inzwischen zu Bischöfen ernannt worden sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung