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Zur geistigen Sitüation der Gegenwart

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Notwendig wird eine Tagung von Pädagogen mit vom Praktischen, Technischen her bestimmt sein, da es sich ja hier vor allem um eine Vermittlung handelt: des Geistigen in die Sphäre der jeweiligen Fassungskraft. Es wird aber darüber hinaus bei einer Konzentration bedeutender katholischer Vertreter des In- und Auslandes auch ein Funke zünden — und er kann zum lodernden Feuer werden —, der die geistige Situation der Gegenwart beleuchtet und Ausblick in die fernere Zukunft zu gewähren vermag.

Die zeitliche Situation wird jeweils von der Kraft bestimmt, mit der die Kirche in die Welt vorstößt. Gewiß sind die kleinen mühsamen Wege notwendig und oftmals heldenhaft. Die Sehnsucht der Menschen heute aber geht nach größeren Dingen, und die Masse scheint bereit, auf den zu hören, der mit Bestimmtheit das Wort Gottes zu verkünden weiß. In allen Referaten der verschiedenen europäischen wie auch der überseeischen Vertreter auf der „Religionspädagogischen Tagung“ in Salzburg war deutlich eine Unruhe spürbar, die Gewißheit, daß etwas anders werden muß. Dieses war vielleicht am deutlichsten in dem ersten Referat des Dekans der theologischen Fakultät Tübingen, Prof. Dr. A r- n o 1 d, während das Neue in seiner wirkenden Gestalt aus dem letzten Vortrag des bekannten Jesuitenpaters Lombardi über seine phänomenalen Erfolge bei den Massen sichtbar wurde. Zwischen diesen beiden Eckpfeilern baute sich in klarer Gliederung der Kongreß auf.

Die Tagung wurde angeregt und durchgeführt von dem Salzbürger Institut für vergleichende Erziehungswissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Universitätswerk und hatte das Ziel, neue Wege zu finden, um die Jugend und die Massen für Christus zu gewinnen und, die bisherige österreichische Isolierung durchbrechend, die Verbindung mit den diesbezüglichen Erfahrungen des Auslandes herzustellen.

Gegenüber dem heutigen Nihilismus, der ungeheuren seelischen Belastung unserer Generation, dem mangelnden Mut, einen Standpunkt gegenüber den Tagesereignissen zu gewinnen, wird, wie Prof. Arnold, Tübingen, ausführte, Glaube und Hoffnung vor allem dadurch erschwert, daß immer wieder versucht wurde, christlichen Geist und Zeitgeist in Einklang zu bringen. Unter Einfluß der Aufklärung wurde das Religiöse ins Moralische, Apologetische, Bürgerliche verlagert und erscheint dadurch mehr als Summe von guten Lehren denn als Frohbotschaft. Dadurch wurde aber der Glaube selbst vielen Christen etwas Fragwürdiges, da die innere Stoßkraft verlorenging. Dies ist um so gefährlicher, als es heute keine Front des Verstandes mehr, sondern nur die der Herzen gibt, eine Affektfront, in der man wenig Verständnis mehr aufbringt für theologische Selbstsicherheit. Die verlogene Welt eines allzu leichten Friedens zwischen Reich Gottes und Welt mußte zugrunde gehen. In Wahr heit kann es zwischen diesen beiden Welten kein Kompromiß geben, sondern nur eine Entscheidung dafür und dagegen. Nur an dem wiedergewonnenen Glauben an den biblischen, den geschichtswirkenden Gott kann sich jener Lebensmut entzünden, der ein niedergeschlagenes Geschlecht zu einem neuen Morgen der Kinder Gottes befähigen wird. In Nachwirkung von Gegenreformation und Aufklärung konzentrierte sich die katholische Katechese auf das intellektuelle Moment des Glaubensbegriffs statt auf das affektive Moment im Glauben, die eigentliche bergeversetzende Glaubensmacht. Mehr und mehr sank Religion zum bloßen Schulfach herab. Verloren ging über der bloß materialen Wissensvermittlung der Gedanke des Pneumas, des Mysteriums, den erst die liturgische Bewegung wieder zum Leben erweckte. Es bedarf heute wieder der charismatischen Vertiefung, der Entmenschlichung der Verkündigung, die eine Angelegenheit der Menschen unter sich geworden ist. Nicht um Wissen darf es gehen, nicht um den griechischen Logosbegriff, sondern um da9 Wort der Bibel, das dynamisch, in sich wirksam, kraftgeladen, nicht nur von Heil und Gnade berichtend, sondern Heil und Gnade spendend ist. In der Stunde des Endes menschlicher Weisheit und eines neuen Anfangs gilt es rein und geöffnet und bereit zu sein, uns zu entscheiden und andere in die Entscheidung zu rufen, in dem Bewußtsein, daß die Wahrheit uns frei rnadien wird.

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