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Der steile Weg vor uns

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In Österreich hat man aus der jüngsten Vergangenheit mit ihren fünf Preis-und Lohnübereinkommen gelernt und sich jetzt ziemlich einheitlich zur Überzeugung durchgerungen, daß die Aufrechterhaltung des Lebensstandards und der Vollbeschäftigung nur durch eine Stabilisierung der Währung gesichert werden könne; Voraussetzung hiefür ist die Ausbilanzierung von Sozialprodukt und Sozialkonsum, die heute nur durch die Marshall - Plan - Hilfe erreicht werden kann. Bis zu ihrem Wegfall muß einerseits eine entsprechende Erhöhung des Sozialprodukts durch harte Anspannung der drei Produktionsfaktoren: Kapital, Grund und Boden, Arbeit — sowohl des Unternehmers wie des Arbeitnehmers — erreicht, andererseits zwischen den Erfordernissen der öffentlichen Hand, dem

Investitionsbedarf und dem privaten Konsum (einschließlich der Außenhandelsbewegung) das richtige Verhältnis hergestellt sein. Als dringendste Teilprobleme dieses Wirtschaftskonzeptes werden seitens des Wirtschaftsdirektoriums Maßnahmen auf dem Gebiete der Agrarpolitik, der Exportförderung, des Wettbewerbsrechtes, der Rohstofflenkung, der öffentlichen Investitionstätigkeit, der Verwaltungsreform und der Umwandlung von Bundesbetrieben in selbständige Wirtschaftskörper angesehen. Die Problematik der Industriepolitik ist in der Geschichte unseres Landes begründet. Die Jahre 1918, 1938 und 1945 revolutionierten 'Wesen und Zielsetzung unserer industriellen Ausrüstung. Bei uns war man sich vor sechs Jahren dessen durchaus bewußt, daß man nicht in den Fehler des Jahres 1918 verfallen und am Althergebrachten hängenbleiben dürfe, sondern umbauen müsse. Aber man war doch durch bestimmte, größtenteils kriegsbedingte Indus'trieerweiterun-gen des Dritten Reiches festgelegt, namentlich auf dem Gebiete der Roheisenerzeugung, was die Anpassung an die veränderte volks- und weltwirtschaftliche Situation wesentlich erschwerte. Hiezu hat bekanntlich das-frühere Planungsministerium entsprechende Kern- und Terminpläne ausgearbeitet, die zum größten Teil in das österreichische Investitionsprogramm 1950/52 übernommen wurden. Dieses sieht für die Jahre 1950 bis 1952 (auf Freisbasis II. Quartal 1950) ein Bruttoinvestitionsvolumen, bestritten aus privaten Mitteln, öffentlichen Mitteln und Counterpartfonds, von 28,7 Milliarden Schilling vor, was ungefähr 22 Prozent des Volkseinkommens entspricht (1937 betrug die Investitionsrate nur 8,8 Prozent). Diese Anstrengung gilt in erster Linie der Erhöhung der Produktivität und damit auch der Exportchancen und der Verringerung des Devisenmankos, wobei die Steigerung der Agrarproduktion, die Ausfuhrsteigerung von Gütern und Kraftstrom sowie die Erhöhung der Einnahmen aus dem Fremdenverkehr im Vordergrunde stehen. Eine weitere Erhöhung des Devisenaufkommens erhofft man sich ab Ende Februar 1952 von der Streichung der Belassungs quoten. Erschwert wird die Ausrichtung dieses stark außenhandelspolitisch bedingten Konzepts durch die weltpolitische Situation, durch die Verschleierung solider Exportverhältnisse infolge der Rüstungskonjunktur und durch die Sonderstellung der USIA-Betriebe. Zu erwarten ist, daß die fortschreitende gegenseitige Integration der verstaatlichten Industriebetriebe nicht zu Unstimmigkeiten mit der Privatindustrie führt. — August 1951 erreichte (1937 = 100) die industrielle Produktion im Durchschnitt 166 Prozent, die Investitionsgüterproduktion 215 Prozent, die Konsumgüterproduktion jedoch nur 123 Prozent, was allerdings auf den Lebensstandard etwas drückt.

Der für 1952 zu befürchtende Investitionsstopp kann durch das Rückfließen der Counterpartkredite und hoffentlich auch durch eine weitere USA-Hilfe gemildert werden. Viel wichtiger aber ist es, in Österreich selbst die Kapitalbildung wieder in Schwung zu bringen durch Abbau kapitalbildungsfeindlicher Maßnahmen, durch Erhöhung des Einlagenzinsfußes nach Erhöhung der Bankrate, durch Abbau des Subventionssystems, durch Stabilisierung der Währung. Im ablaufenden Jahr hat sich die Kaufkraft des Sparkapitals auch bei Zugrundelegung einer zweiprozentigen Verzinsung um nicht weniger als 28 Prozent vermindert.

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