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Nicht unsere Heilsordnung

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Immer näher scheint der Tag zu rücken, an dem der erste Mensch auf einem fernen Planeten landet, und schon kann man die Frage hören, was die Bewohner von Mars oder Venus zu diesem Ereignis wohl sagen werden. Zwar ist das wohl eine Scherzfrage, weil kaum jemand an die Existenz von Marsbewohnern glaubt, aber ob nicht auf anderen Sternen, vielleicht außerhalb unseres Planetensystems, doch mit Vernunft begabte Wesen leben, wer weiß? Die Frage beschäftigt die Astronomen schon lange — und nicht nur sie. Auch die Theologen schlagen sich mit dem Problem herum, was es für die Heilsgeschichte bedeutete, wenn plötzlich auf anderen Sternen Wesen entdeckt würden, die unter den Engeln, aber über den Menschen oder auf gleicher Stufe mit ihnen stehen.

Die Fragestellung taucht schon zur Zeit des Galilei und des Kooernikus auf. Während für den heiligen Thomas die Erde noch das selbstverständliche Zentrum der Schöpfung ist, meint schon der Kardinal Nikolaus Cusanus (1401 bis 1464) in seiner „Docta ignorantia", es sei nicht auszuschließen, daß auch auf anderen Sternen Menschen oder menschenähnliche Wesen wohnen. Und der deutsche Theologieprofessor Josef Pohle will in einem 1884 in Köln erschienenen Werk sogar den Nachweis führen, daß die Prinzipien der Philosophie und der Theologie die Existenz vernunftbegabter Wesen auf anderen Himmelskörpern zwingend verlangen. Sechs Jahre später wirft der Dominikaner Jakob Monsabrė die Frage auf, ob nicht Gott das Erlösungswerk nur deshalb ausgerechnet auf der Erde vollbracht habe, weil die Bewohner der Erde für ihn verlorene Schafe darstellten, die es zu retten galt, während die Bewohner anderer Räume ohnedies auf den rechten Pfaden wandelten. Ungefähr um die glei;hp Zeit vert 'it t auch der Italiener Secchi d;e Auffassung, es sei durchaus denkbar, daß auch- auf anderen Sternen Wesen wohnen, die Gott loben und preisen; und vielleicht seien diese Wesen sogar besser und weiser als die Erdbewohner, weil sie möglicherweise nicht von Adam abstammen und somit vom Makel der Erbsünde verschont geblieben sein könnten.

Was wäre, wenn …

Auf die Frage, ob außerirdische, mit Vernunft begabte Geschöpfe vom Stamme Adams wären oder nicht, hat sich die Diskussion auch in der zeitgenössischen theologischen Diskussion zugespitzt. Um es vorwegzunehmen: Die Theologen sind sich darüber noch keineswegs einig. Der Jesuit D. Grasso etwa veröffentlichte im Jahre 1952 in der führenden römischen Jesuitenzeit schrift „La Civiltä Cattolica“ einen ausführlichen Artikel, in dem er die Abstammung außerirdischer Vernunftwesen von Adam und Eva ausschloß,

weil eine solche Abstammung die Auswanderung irdischer Menschen aul andere Planeten zur Voraussetzung habe. Außerirdische Vernunftwesen wären somit auch nicht der Erbsünde unterworfen, zumindest nicht jener, die unsere Vorfahren begangen haben, und könnten deshalb auch nicht vom neuen Adam, nämlich von Jesus Christus, erlöst worden sein. Konsequent schließt P. Grasso aus diesen Prämissen: „Wenn Bewohner außerirdischer Welten existieren, so stehen sie außerhalb jener Vorsehensordnung, die sich in Erbsünde und Erlösung konzentriert. Für sie hat Gott einen Plan entworfen und ausgeführt, der nach Ziel und Mittel von dem für uns bestimmten verschieden ist — einen von den zahllosen Plänen, die im Hinblick auf Vernunftwesen möglich sind. Welcher Plan dies sein könnte, wissen wir nicht. Nur eine göttliche Offenbarung könnte uns darüber informieren.“

Im Gegensatz zu P. Grasso hält der Dominikaner Raimondo Spiazzi die Abstammung außerirdischer Vernunftwesen von Adam und Eva durchaus für möglich. Angeregt durch die Landung des „Lunik II" auf dem Mond, veröffentlichte er im Jahre 1959 in der im Vatikan erscheinenden Wochenschrift „Osservatore della Domenica“ einen Artikel, in dem er von der Hypothese ausgeht, daß etwaige Mond- oder Planetenbewohner von Adam und Eva abstammen könnten. Dementsprechend schreibt er ihnen, selbstverständlich immer in hypothetischer Form, auch die Erbsünde zu und muß daher zu anderen Ergebnissen gelangen als P. Grasso. „Da Jesus Christus für alle Menschen gestorben ist", heißt es bei P. Spiazzi, „sollte man annehmen, daß auch jenen Bewohnern von Mond und Umgebung die Früchte der Erlösung zugewendet werden, allerdings über Wege, die wir nicht kennen, da wir nur wissen, was Jesus in der Heilanordnung für diese Welt festgelegt hat. auf die er vor zweitausend Jahren herabgestiegen ist.“ Und weiter schreibt P. Spiazzi: „Wenn der Status außerirdischer Wesen der erlösten Natur ist, so kann die Erlösung an und für sich auch durch die Fleischwerdung des Erlösers stattgefunden haben wie auf der Erde; an und für sich kann das Wort auch in anderen Welten Fleisch geworden sein, wo es auch eine andere Gestalt und einen anderen Namen als den Christi angenommen haben kann. Allerdings führen die Erklärungen des heiligen

Paulus über den universalen Primat Christi zu der Annahme, daß auch in jeder anderen Welt, wenn eine Erlösung notwendig ist, diese durch einen Christus vollbracht worden ist. Auf welche Weise? Man soll nicht zuviel forschen, wenn man nicht irren will."

Der Astronom ist skeptisch

Wie man sieht, eröffnen sich auch der Theologie bei dem Gedanken an die Existenz vernunftbegabter Wesen auf anderen Sternen ganz neue Perspektiven. Das kirchliche Lehramt hat sich dazu bisher noch nicht geäußert — und so bleibt das Gebiet vorderhand den Spekulationen der Theologen überlassen, die sich nur in einem einzigen Punkt einig sind: Daß die Existenz vernunftbegabter Wesen auf anderen Sternen vom Dogma weder behauptet noch ausgeschlossen wird, so daß jeder Katholik darüber seine eigene Meinung haben kann. Im übrigen ist die Frage ja doch sehr hypothetischer Natur.

In der gleichen Nummer des ..Osservatore della Domenica“, in der sich P. Spiazzi von der Theologie her mit der Existenz außerirdischer Vernunftwesen beschäftigte, erörtert übrigens der Direktor der Vatikanischen Sternwarte, P. O’Connell SJ„ die Frage unter dem naturwissenschaftlichen Blickwinkel und kam dabei zu dem gleichen Ergebnis wie fast alle Vertreter der Astronomie. Während er die Existenz von Leben auf den Planeten des Sonnensystems so gut wie ausschloß, mußte er seinen Lesern die Antwort auf die Frage nach der Bewohnbarkeit von Planeten anderer Sterne schuldig bleiben. Denn vorläufig hat die Wissenschaft noch nicht einmal den Beweis dafür geliefert, daß auch andere Sterne, ebenso wie die Sonne, von Planeten umgeben sind.

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