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Wasserstoff: umweltfreundlicher Energieträger mit Zukunft

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Fossilen Energieträger haben den Nachteil, im Zuge ihrer Verwertung Kohlendioxid zu erzeugen. Anders der Wasserstoff: Er „verbrennt“ umweltverträglich zu Wasser...

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Fossilen Energieträger haben den Nachteil, im Zuge ihrer Verwertung Kohlendioxid zu erzeugen. Anders der Wasserstoff: Er „verbrennt“ umweltverträglich zu Wasser...

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WWas würden Sie sagen, wenn Ihnen Ihr Autohändler einen Wagen anbietet, der neben seinem sportlichen und zeitgemäßen Aussehen Motorleistungen vorweist, welche herkömmliche Benzinmotoren bei weitem übertreffen?

Und was, wenn ein weiterer Vorteil dieses Wagens sein emissionsloser Fährbetrieb wäre, keine Abgase, keine smogbedingten Fahrverbote, kein schlechtes Gewissen gegenüber der lebenden Umwelt.

Wahrscheinlich würden viele potentielle Autökäufer begeistert „Ja“ zu einem derartigen Gefährt sagen.

„Ich glaube, daß Wasser eines Tages als Brennstoff verwendet werden wird, daß Wasserstoff und Sauer- j Stoff, aus welchen es besteht, entweder zusammen oder getrennt verwendet, eine unerschöpfliche Quelle für Wärme und Licht sein werden, und zwar von einer weit größeren Stärke, als Kohle es vermag. „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft.“ (Jules Verne, L’ ile mysterieuse - Die geheimnisvolle Insel)

Jules Verne und etliche andere Vordenker der modernen Wasserstofftechnik dachten noch nicht an die potentielle Zerstörungskraft unserer modernen Energiewirtschaft. Vielmehr wußte Verne genau, daß der fossile Brennstoff Kohle nur begrenzt vorrätig ist, und bei der Verbrennung eine Menge unangenehmen Rauch hinterläßt.

Auch die aus Erdöl gewonnenen Treib- und Heizstoffe können durch Wasserstoff ersetzt werden. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist ohnehin ein Gebot der Stunde.

Dies ist auch der Grund, warum sich Wissenschaftler immer wieder um die Nutzung erneuerbarer, kreislaufwirtschaftlich nutzbarer Energiequellen bemühen.

Das Konzept der solaren Wasserstoffenergiewirtschaft gründet auf der den meisten noch aus dem Chemieunterricht bekannten Knallgasreaktion, bei der Wasserstoff und Sauerstoff durch Entzündung zur Explosion gebracht werden, und dem relativ einfachen Herstellungsverfahren von Wasserstoff. Durch Elektrolyse wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der dafür benötigte Strom kann direkt aus Solarkraftwerken bezogen werden. Riesige PhotovoltaikfläcEen in Zonen mit sehr starker Sonneneinstrahlung - vor allem in den Wüstengebieten Nordamerikas, Afrikas und Arabiens - können die Energie zur Wasserstoffherstellung liefern. Zahlreiche Forschungsprojekte haben bewiesen, daß die praktische Umsetzung dieses Systems sehr gut durchzuführen ist. (So lange wir genügend Wüstengebiete haben, ist es auch nicht nötig, in der Erdumlaufbahn oder am Mond Photovoltaik- flächen in der Größe mehrerer Quadratkilometer zu installieren, wie es zahlreiche Weltraumforscher an- streben.)

Wasserstoff kann nach der Elektrolyse gespeichert und an die Ve- brauchszentren - zum Beispiel in Europa - geliefert werden. Ähnliches geschieht zur Zeit mit Erdöl, das ja auch mit Tankschiffen oder in Pipelines zu den Verbrauchern transportiert werden muß.

In Brennstoffzellen

oder Verbrennungsmotoren ver: brannt, dient Wasserstoff den Verbrauchern als Energielieferant zur Stromerzeugung oder als Treibstoff in Kraftfahrzeugen.

Da der Energieträger Wasserstoff ohne das Kohlenstoffatom auskommt, entfallen die unerwünschten Emissionen.

In der Raumfahrt wird Wasserstoff bereits verwendet und erweist sich als unentbehrlich. Ein Kilogramm H enthält etwa dreimal so viel Energie wie ein Kilogramm Benzin, wodurch er ein hervorragender Energieträger für alle Transportaufgaben ist.

Zur Verwendung in Fahrzeugen eignet sich der Wankelmotor besonders gut.

Bei ihm entfällt das Risiko von Fehlzündungen und dem Rückschlägen des hochexplosiven Wasserstoffs in den Ansaugkanal, wie es bei Hubkolbenmotoren gelegentlich vorkommt. Im Wankelmotor sind Ansaugtrakt und Verbrennungsraum in jeder Arbeitsphase vollkommen getrennt. Auch herkömmliche Verbrennungsmotoren können ohne weiteres mit Wasserstoff betrieben werden. Das Problem der sicheren Aufbewahrung wurde bereits zufriedenstellend gelöst. Der Treibstoff wird chemisch gebunden in . Metallhydridtanks eingelagert. H wird an der Tankstelle in die porösen Metallhydride eingespritzt, im Fährbetrieb sicher aus diesen entnommen. Selbst eine offene Flamme oder enormer Druck, etwa bei einem Unfall, können keine Entzündung auslösen.

Durch Modultechnik - das Tankvolumen ist in mehrere Zellen aufgeteilt —, kann das Fassungsvermögen variiert werden. Eine stabartige Modultankzelle wiegt etwa 15 Kilogramm und faßt zwei Kubikmeter Wasserstoff. Der Zwei-Scheiben- Wankelmotor des japanischen Herstellers Mazda in der MX-5 Karosserie erzielt eine Reichweite von 400 Kilometer. Als Partner für seine Wasserstoffprojekte suchte sich Mazda die Nippon Steel Corp. In der Stahlindustrie fällt Wasserstoff in großen Mengen als „Industrieab- fall“ an. Die Stahlindustrie übernimmt die Rolle des Rohstofflieferanten. Beide Wirtschaftszweige haben also großes Interesse am Vorantreiben der Wasserstofftechnologie.

Der größte Nachteil dieser sehr attraktiven Antriebstechnik dürfte wohl das relativ hohe Tankgewicht sein. Ein Tank für 200 Kilometer Reichweite des 130 PS-Wagens HRX-II wiegt etwa 300 Kilogramm. Dieser Nachteil wird durch den größten Vorteil der Wasserstofftechnik wettgemacht: Wasserstoff ist ökologisch absolut unbedenklich und kann in einer einfachen Kreislaufwirtschaft aus dem Wasserkreislauf entnommen und wieder zurückgegeben werden. Wasserstoffautos emittieren als einziges Abgas reinen Wasserdampf.

Fahrergebnisse eines breitangelegten Praxistests mit verbessertem Ansaugsystem werden für März 1995 erwartet.

Die größte Schwierigkeit bei einer schnellen Markteinführung von Wasserstoffautos dürfte im bisher fehlenden Tankstellennetz liegen. Ansonsten steht einem weiteren Schritt ins Solarzeitalter nichts mehr entgegen.

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