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Digital In Arbeit

Intelligenz - Prestige?

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Die „berufliche Mobilität“, von der im modernen Arbeitsleben so viel die Rede ist, und auf die sich alle Industrieländer werden umstellen müssen, scheint den Deutschen besondere Schwierigkeiten zu machen. Die zuverlässige Arbeit, die dem Stempel „Made in Germany“ zu seinem internationalen Ansehen verholten hat, beruht auf gründlicher Ausbildung. In allen handwerklichen und kaufmännischen Berufen wird eine dreijährige Lehrzeit verlangt; auch da, wo die Notwendigkeit nicht unbedingt einzusehen ist, wie etwa bei Verkäuferinnen, bei höher qualifizierten Berufen muß ein entsprechendes Fach- oder Hochschulstudium absolviert werden. Ein Berufswechsel wäre unter solchen Umständen mit einer neuen, langfristigen Ausbildung verbunden und ist daher kaum möglich, wird auch kaum in Erwägung gezogen. Nimmt man hinzu, daß den Deutschen ihr Haus oder ihre Wohnung sehr wichtig ist — sie stecken viel Geld und Arbeit hinein —, so ergibt sich ein Hang zur Seßhaftigkeit, der die Bewegungsfreiheit nochmals eiinengt. Nach dem letzten Krieg ist es wegen der großen Wohnungsnot mehr als früher üblich gewesen, daß der Arbeitgeber auch für eine Wohnung sorgt; wieder ein Moment, das den Entschluß zu einem Wechsel erschwert.

Das Bundesarbeitsministerium hat ein Sozialforschungsinstitut beauftragt, zu untersuchen, wie es um die Voraussetzungen für die wünschenswerte berufliche Mobilität bestellt ist. Das Ergebnis bringt wichtige Aufschlüsse: Im Durchschnitt haben 45 Prozent aller männlichen Erwerbstätigen schon einmal den Beruf gewechselt, meist in jüngeren Jahren (bis zu 35), und in der Mehrzahl handelte es sich dabei um un- oder angelernte Arbeiter. Schon bei den Facharbeitern ist der Prozentsatz geringer, am niedrigsten bei den qualifizierten Berufen, und hier ist der Berufswechsel in den meisten Fällen mit sozialem Aufstieg verbunden. Es geschah also gezielt, während die Masse der unteren Schicht jede Arbeit annimmt, die sie findet.

Mit zunehmendem Alter nehmen Einkommenssteigerung und erhöhte Aufstiegschancen als Anlässe für einen Berufswechsel ab. Man wechselt ihn fast nur noch dann, wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt dazu zwingt. In der Gruppe der un- und angelernten Arbeiter sind Motive und Anlässe für einen Berufswechsel breit gestreut; bei den hochqualifizierten Berufen konzen-trieren sie sich auf einige wenige Gründe. Die Bereitschaft, im Zusammenhang mit einem Berufswechsel auch den Ort zu wechseln, nimmt mit steigender Qualifikation der Berufe zu und mit steigendem Alter ab. Insgesamt würden nur 18 Prozent der männlichen Erwerbstätigen im Zusammenhang mit einem Berufs- oder Arbeitsplatzwechsel einen anderen Wohnort dem derzeitigen vorziehen.

Wer in einem Betrieb tätig ist, der eine eigene Altersversorgung aufgebaut hat, ist verständlicherweiise um so weniger zu einem Wechsel bereit, je älter er ist. Immerhin haben sich von den 1800 Befragten (darunter 200 zur Zeit Arbeitslose) 44 Prozent bereit erklärt, einen Verlust auf betriebliche Altersversorgung in Kauf zu nehmen, wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt das erfordert, unter diesen 44 Prozent dominieren die Tüchtigen und die Jüngeren. Ihren Arbeitsplatz durch fortschreitende Automation bedroht sehen vor allem un- und angelernte Arbeiter, aber auch Facharbeiter, und zwar jeweils 13 Prozent.

80 Prozent der männlichen Erwerbstätigen fühlen sich auf Grund ihrer Schul- und Berufsausbildung genügend für ihr Berufsleben gewappnet, auch für die Zukunft. Nur 15 Prozent gaben an, daß sie sich nicht gewappnet fühlen. Dieser Prozentsatz stimmt ziemlich genau mit dem Anteil der Erwerbstätigen überein, die sich bereits nebenberuflich in irgendeiner Weise auf veränderte oder gestiegene berufliche Anforderungen vorbereiten: Es sind 14 Prozent. Doch leider ist nur die Zahl fast dieselbe — der Personenkreis ist es durchaus nicht. Bedroht sehen sich vor allem Arbeiter der unteren Schichte, die sich zugleich unsicher fühlen und von ähren eigenen beruflichen Fähigkeiten nur unklare Vor stellungen haben; weder wissen sie so recht, was sie können, noch was sie wollen. Auf dem Weg zur Weiterbildung oder Umschulung befinden sich dagegen diejenigen, die genau wissen, was sie wollen und sich zumiuten können, jedoch nicht so überzeugt davon sind, schon genug „fürs Leben“ gelernt zu haben.

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