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Katholische Wirkformen

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In der nächsten Woche versammeln sich die Katholiken Deutschlands zu Hannover, inmitten einer mehrheitlich evangelischen Umwelt, zu ihrem großen, unter das Zeichen des brüderlichen Dienstes und nicht der herrscherlichen Repräsentation gestellten Katholikentag. Die Strukturen und Wirkformen des katholischen Lebens sind in Deutschland seit 1945 wesentlich andere als bei uns in Österreich. Die folgende grundsätzliche Darstellung soll mit ihrer Eigenart vertraut machen.

Das katholische Organisationswesen ist stolze Leistung, nicht selten umneidete Kraft ständig neu sich stellende Aufgabe, gelegentlich Not, in der Gegenwart aber unter allen Umständen unverzichtbare Lebens- und Wirkungsform der Kirche in der Welt. Aufbauend auf dem Personsrecht der Koalitionsfreiheit, das in dem wesentlich übernatürlichen Sozialgebilde der Kirche nicht aufgehoben erscheint, ist es die Auswirkung echter Geistes-antriebe.^mfjLejjen. d^Kirshem.hieria, dem , Qrdenswescn verwandt ,-.und ergänzt genossenschaftlich die von Christus Seiner Kirche eingestiftete hierarchische Struktur im Aufbau ihres gesamten Lebens und Wirkens in der Welt. Es schafft ihrer Verkündigung und ihrem christlichen Zeugnis den räum- und zeitgerechten Rahmen und differenziert in einer der Vielfalt des menschlichen Wesens angemessenen Form ihren Kult und ihre Aktion. Es leistet ein entscheidendes Stück kirchlicher Bildungsarbeit, vor allem im Rahmen des Weltauftrages der Kirche, und paßt das Wirken der Kirche organisatorisch jenen Formen an, die der sozialen Gestalt menschlicher Kulturtätigkeit — vor allem in einer differenzierten Kultur — gemäß sind. In diesen Formen menschlicher Kulturtätigkeit vollzieht sich auch die verwandte Arbeit nichtkatholischer Gemeinschaften (zum Beispiel die anderer Bekenntnisgruppen oder die der humanitär oder interkonfessionell begründeten Gemeinschaften).

Das katholische Organisationswesen hat — auch in Deutschland — eine reiche Geschichte. Bis ins Mittelalter hinein reichen die noch in der Gegenwart wirksamen Formen der „Dritten Orden“ oder der „Bruderschaften“. Der Wende zur Neuzeit verdankt die Kirche die Organisationsform der „Marianischen Kongregation“, die in der Gegenwart nicht nur lebendig ist, sondern neue Ausdrucksformen findet. Das goldene Zeitalter der Begründung des katholischen Vereinigungswesens in Deutschland aber, ist unzweifelhaft das 19. Jahrhundert. In Auswertung der nun verfassungsrechtlich gesicherten Koalitionsfreiheit schaffen sich die deutschen Katholiken in ihrem differenzierten Organisationswesen wirksame Organe der Bewältigung der Seelsorge- und Aktionsprobleme des industriellen Zeitalters, der Wiedergewinnung einiger durch die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer und der Kirchengüter verlorengegangener Einflußformen und damit Voraussetzungen für ein neues Verhältnis zur Kultur der Zeit. Wenn auch in der Gegenwart der allgemeine gesellschaftliche Entwicklungsgang sowie innerkirchliche Entwicklungen übernationaler Art einen Bedeutungswandel der Arbeit der Organisationen und einen Wandel ihrer Strukturen selbst mit sich zu bringen scheinen, so bleiben doch entsprechende Funktionen dieses katholischen Organisationswesens notwendig bestehen, welche ständig neue Formen und Aufgaben erzeugen, neue Fragen aufwerfen und oft zu neuen Erfolgen führen.

Wegen seines unmittelbaren Bezugs auf örtliche und zeitliche Voraussetzungen verzichtet das allgemeine kirchliche Recht für die Ordnung des Organisationswesens auf eine umfassende Normierung. So läßt sich die Rechtsgestalt der einzelnen katholischen Organisationen in Deutschland durch die einschlägigen Bestimmungen des gesamtkirchlichen Personenrechts, vor allem des Laienrechts, nur höchst unvollkommen einfangen. Nur eine Minderheit dieser Organisationen sind „kirchliche Vereinigungen“ im strengen Sinn, mit qualifizierter Einflußnahme der kirchlichen Hierarchie auf Statuten, Ämterbesetzung und Vermögensverwaltung (so etwa die Driften Orden, die Marianischen Kongregationen und die eigentlichen Organisationen der „Katholischen Aktion“ in den Bistümern). Die Mehrzahl sind „freie katholische Vereinigungen“, die in Zusammenarbeit mit der kirchlichen Hierarchie, in Unterordnung unter ihre allgemeine Aufsicht in Fragen des Glaubens und der Kirchenzucht in eigener Verantwortung ihr Leben gestalten. Umfassender als das allgemeine kirchliche Recht ordnet das Sonderrecht der deutschen Bistümer dieses Vereinigungswesen; diese Ordnung bildet einen beachtlichen Teil des Inhalts der Bestimmungen der Nachkriegssynoden in Deutschland. In ihr vollzieht sich ein kirchengeschichtlich bedeutsamer Vorgang: die zunehmende Gestaltung des katholischen Laienrechtes.

Die zentrale Zusammenfassung, zugleich koordinierend, inspirierend und repräsentierend, schuf sich der deutsche Katholizismus im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, in dem die Arbeit in den Bistümern und Verbänden sowie das Wirken einzelner Persönlichkeiten zusammenfließt, das mit dem Episkopat in enge Zusammenarbeit tritt und zugleich Fühlung mit der außerkatholischen sowie außerdeutschen Arbeit hält. Hier ist auch der Ort der gemeinsamen Aussprache über die Gegenwartsfragen des katholischen Verbandwesens: sein Verhältnis zu den nicht in Verbänden organisierten freieren Formen der Bildungsarbeit und Aktion; zu dem Wirken der Seelsorgeämter in den Bistümern: das Ineinandergreifen von Jugend- und Erwachsenenarbeit, von Seelsorge und Aktion, die ständige Fühlungnahme mit dem Geschehen in den mitteldeutschen Bistümern und mit der internationalen katholischen Arbeit. In den alle zwei Jahre stattfindenden Vertretertagungen hat sich das Zentralkomitee ein ständig fruchtbar arbeitendes Instrument gemeinsamer Arbeitsintegration geschaffen. In dem von ihm getragenen Deutschen Katholikentag, der über Deutschland hinausstrahlenden umfassenden Selbstdarstellung der Kirche in Deutschland wird immer sichtbar, was Kirche und Volk in der deutschen Gegenwart den katholischen Organisationen verdanken.

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