Die Grenzen im Kopf gibt es noch

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Die Bevölkerung der Nachbarstaaten Österreichs musste sich die Freiheit hart erkämpfen. 1989, im Jahr der Wende, war dieses Ziel erreicht. Dem bitteren Humor dieser Jahre und der Wendejahren ist eine Ausstellung gewidmet, die Prof. Dr. Johannes Hawlik (Gfk Austria) kuratierte.

In der langen Zeit der Nachkriegsgeschichte und des Kalten Krieges gab es manches Tauwetter. Ich denke an jenes wunderbare Jahr 1955, dem Österreich seinen Staatsvertrag und den Abzug der Roten Armee verdankt. Aber als 1956 das revolutionäre Ungarn eine ähnliche Neutralität wie Österreich anstrebte, wurde es brutal von sowjetischen Truppen niedergewalzt.

Im Radio hörten wir damals die Hilfeschreie an die freie Welt und die Appelle an alle, die immer vorgegeben haben, sich für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einzusetzen. Die Hilfeschreie verhallten und den Europäern wurde vor Augen geführt, was friedliche Koexistenzpolitik (nach der Friedensordnung von Jalta) bedeutete: Frankreich und England durften ihre Kolonialabenteuer am Suezkanal betreiben, während die Sowjetunion mitten in Europa den Freiheitswillen eines kleinen Volkes niederknüppeln durfte.

Eine Viertelmillion Ungarn flohen nach Österreich. Und die Hilfsbereitschaft damals war groß. Keine Animositäten gegenüber den Flüchtlingen. Keine Fremden-feindlichkeit. Im Gegenteil. Und noch ein zweites Mal spürte Österreich den Hauch des Kalten Krieges unmittelbar. Als sowjetische Truppen den "Prager Frühling" ähnlich niederwalzten, wie sie es zuvor schon 1953 in Ostberlin, 1956 in Ungarn und danach 1971 und 1981 in Polen gemacht hatten.

Bemerkenswerteste Entwicklung

Vierzig Jahre lang endete die freie Welt beim Eisernen Vorhang, der ein Symbol für die Teilung der Welt in zwei Blöcke war. Der Eiserne Vorhang stand für Kalten Krieg und das totalitäre System kommunistischer Staaten. Für Überwachung und Freiheitsentzug.

1989 ist der Eiserne Vorhang gefallen: im letzten Drittel des Jahres 1989 stürzten die kommunistischen Regime Polens, Ungarns, der DDR, der Tschechoslowakei, Bulgariens und Rumäniens. Ein knappes Jahr später war Deutschland wiedervereinigt. Die Ereignisse überschlugen sich in den Jahren 1989/90. Das Überraschendste daran: die revolutionären Veränderungen vollzogen sich friedlich (mit Ausnahme Rumäniens und Jugoslawiens). "Die friedliche Durchsetzung der deutschen Wiedervereinigung, die friedlichen Revolutionen in Ostmitteleuropa, die friedliche Auflösung der Sowjetunion, all dies gehört zu den bemerkenswertesten Entwicklungen der modernen Geschichte." (R.Hutchings: "Als der Kalte Krieg zu Ende war.") Die historische Wende war nicht geplant.

Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für Witze

Niemand sah die Wende voraus. Natürlich argumentieren heute politische Analytiker und Zeitgeisthistoriker, die kommunistischen Regime wären innerlich bereits so verfault gewesen, dass es so hatte kommen müssen. Vor allem sei es die "Brot- und Freiheit-Bewegung" gewesen - der Zorn der Bevölkerung über fehlenden Wohlstand - sowie die Bestrebungen nach Demokratisierung und Liberalisierung der kommunistischen Systeme, die die Massen auf die Straße trieben und den Umbruch bewirkten.

Für jene, die Nachkriegszeit und Kalten Krieg erlebt haben, mag 1989 ein besonders interessantes Jahr gewesen sein.

Es scheint wie ein Paradoxon, dass in Krisenzeiten, wie sie die Länder in Südost- und Mitteleuropa erlebt haben, noch Zeit für Witze oder Karikaturen blieb. Aber es gibt ein Sprichwort, das besagt: Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für politische Witze. Nun blühten tatsächlich im unfreien östlichen Europa vor 1989 (Flüster-)Witze und Karikaturen.

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs änderte sich natürlich die Produktionsgrundlage des Witzes. Karikaturisten konnten nicht mehr gegen den Kommunismus und die Planwirtschaft "anzeichnen", sondern nahmen die neuen Themen aufs Korn: Transformation, Marktwirtschaft und Wohlstand, Demokratie, Europa.

Humor in Krisenzeiten

Die Karikaturen und Witze - wie sie derzeit in der Karikaturenausstellung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Krems gezeigt werden - machen deutlich, dass der satirische Strich auch nach dem Wandel nötig war. In den mitteleuropäischen Nachbarländern ist nämlich manchmal die Begeisterung über die Veränderungen einer gewissen Ernüchterung gewichen.

Dennoch ist etwas von dem "erlösenden Lachen", wie Peter Berger es nennt, aus den Ländern Ungarn, Rumänien, Tschechien, Slowakei, Polen, der ehemaligen DDR, Bulgarien und Slowenien in dieser Ausstellung schlaglichtartig festgehalten.

Es sagt oft mehr über die Befindlichkeiten der Menschen aus als umfangreiche Statistiken und Bücher. Es verdeutlicht aber auch, dass trotz vieler Krisen der Humor nicht untergegangen ist. Das bestätigt Sigmund Freud, der meinte: "Angesichts einer bedrückenden oder übermächtigen Realität behauptet sich im Humor die Unverletzlichkeit des ICH."

Trotz des ungebrochenen Humors, der in den Reformländern herrscht, sei doch angemerkt, dass ihnen schlechtere Witze und dafür bessere Zeiten zu wünschen sind.

Witz und (R)Evolution - 1989 - Davor/Danach

Eine Karikaturensammlung

Kirchliche Pädagogische Hochschule Krems

www.kphvie.at

(im September im Collegium Hungaricum, Wien)

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