Die Reformation Benedikts XVI.

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Entweltlichung der Kirche? Benedikts XVI. letzte Rede in Deutschland birgt Zündstoff. Theologische Anmerkungen zur Freiburger Konzerthausrede.

S age keiner, der Deutschlandbesuch des Papstes habe nichts bewegt - zumal in Sachen Ökumene nicht. Steht Benedikt XVI. doch selbst als Reformator seiner Kirche da. Mit seiner Freiburger Rede hat er eine These in den Raum gestellt, die durchgreifende Umstellungen des kirchlichen Lebens vorsieht. Das markante Wort von der "Entweltlichung der Kirche“, geistlich gedacht, birgt politischen Sprengstoff - und theologischen dazu. Das war schon vor Ort zu spüren. Was im Freiburger Konzertsaal entschiedenen Beifall fand, führte im Foyer zu heftigen Diskussionen. In die Stimmen mischte sich vor allem eine Frage: Was genau bedeutet "Entweltlichung“?

Eine Leseanweisung kann man der politischen Presse entnehmen, die das umstrittene staatskirchenrechtliche Gefüge in den Blick nimmt. Wer eine gründliche Trennung von Staat und Kirche fordert, darf fortan den Papst zitieren. Einen anderen Lektüreschlüssel liefern die theologischen Arbeiten Joseph Ratzingers, der schon früh eine nachkonstantinische Zukunft der Kirche vorhersagte.

Mit seinem Pontifikat nimmt er sie in Angriff. Die ekklesiologischen Schriften Ratzingers vor sich, schaut man dem kommenden Reformator der Kirche über die Schulter. Dabei entdeckt man die Anschärfung einer entscheidenden Differenz: der zwischen sakralem und säkularem Raum, von geistlicher und politischer Sphäre.

Überbordende Weltlichkeit?

Auch für Ratzinger lebt Kirche in der Welt, aber ihr Zeugnis sieht er von einem Zuviel an Weltlichkeit bedroht. Das Wort des Papstes von den "Privilegien“ präzisiert dies. Es meint die materiellen Zuwendungen, von denen die Kirche immer wieder profitiert hat - bis heute. Es steht aber grundsätzlicher für jene säkulare Eigenlogik, die einem anderen als dem göttlichen Gesetz folgt. Die Autonomie weltlicher Ordnungen stellt der Papst nicht in Frage, wohl aber die Kolonialisierung kirchlicher Lebenswelten, um die Joseph Ratzinger als Kritiker der Moderne weiß. Wo Kirche "sich den Maßstäben der Welt angleicht“, so der Papst, droht sie aus den Augen zu verlieren, dass sie selbst die Welt umzugestalten hat. Um das Evangelium in der Welt zu verkünden, hat sich die Kirche "von der Weltlichkeit der Welt zu lösen.“

Die Welt sieht die Freiburger Rede in einem scharfen Gegenüber zur Kirche. Für den Papst ist die moderne Welt der Raum eines durchgreifenden Relativismus, nicht der Ort unausweichlicher Relativierungen, unter deren Problemdruck man das Evangelium zur Sprache bringen kann und muss. Das II. Vatikanum bildet diesen Zusammenhang anders ab. Die Pastoralkonstitution "Gaudium et spes“ sieht eine Wechselwirkung von Welt und Kirche vor, einen Prozess dialogischer Auseinandersetzung, in dem die Kirche die Welt nicht einfach belehrt, sondern das Evangelium in den Zeichen der Zeit auffasst und zur Geltung bringt.

Kein Wort zum Dialogprozess

Sorge um zu viel Weltfrömmigkeit trieb schon den Konzilsberater Joseph Ratzinger um. Als Papst gibt er nun die Richtung an, in der er das Konzil verstanden wissen will. Nicht nur in politischer Hinsicht, sondern auch mit dem Blick auf die Konzilsrezeption, schlägt die Freiburger Rede Schneisen.

Sie gewinnen an Bedeutung, wenn man diesen Deutschlandbesuch des Papstes als Vermächtnis liest. Für den Abschluss seiner Reise hat sich Benedikt XVI. eine Grundsatzrede vorbehalten. Eingeleitet hatte sie der gastgebende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, mit einem Hinweis auf den Mannheimer Dialogprozess zwischen Bischöfen und dem Zentralkomitee der Katholiken Deutschlands. Ein Wort der Anerkennung ließ die nachfolgende Rede des Papstes ebenso aus wie konkrete Reformsignale. Dem Papst ging es um mehr: eine echte Reformation. Das Problem der Kirchenkrise, dem sich Mannheim stellt, griff er auf dieser Linie auf. Muss die Kirche "sich nicht in ihren Ämtern und Strukturen der Gegenwart anpassen, um die suchenden und zweifelnden Menschen von heute zu erreichen?“ Die Antwort des Papstes findet sich in seiner Reformforderung nach einer Entweltlichung der Kirche. "Anpassung“ ist demgegenüber der Weg einer Kirche, die der Logik der Welt statt der des Evangeliums folgt.

Das Skandalon des Glaubens, seine Unverrechenbarkeit in der Welt, erlaubt den Widerspruch gegen ihre Abläufe. Die sozialpolitische, die ökonomische Kritik, die sich hier anschließen könnte und die man auch von Benedikt kennt, sucht man in dieser eigentümlich weltlosen Rede jedoch vergebens. Weltlos bleibt so das Sprechen von einer "angemessenen“ Entweltlichung. Der Verzicht, den Term Welt präzise zu bestimmen, belastet den Gedankengang entscheidend.

Das wirkt sich an einer prekären Stelle der Rede aus. Ohne ihn beim Namen zu nennen, spielt der Papst auf den Missbrauchskandal an.

Missbrauch wegen zuviel "Welt“?

Dabei setzt er einen Schnitt in seiner argumentativen Regie. Als er vom Fehlverhalten der "Boten“ spricht, folgert Benedikt, dass es "umso mehr“ gefordert sei, "die Weltlichkeit der Kirche beherzt abzulegen.“ Soll es am Ende die Welt sein, die falsche Weltzugewandtheit, die zum Missbrauch verführt? Die dualistische Rhetorik, der sich die Rede bedient, trägt auch zur Klärung dieses Problems nicht bei.

Das betrifft ebenso ihre kirchenpolitischen Folgen. Die These von der notwendigen Entweltlichung der Kirche lässt keinen Begriff von Politik erkennen. Dabei sprach der Papst im Bundestag auch als Staatsoberhaupt. Ein Papst, der sein Amt unpolitisch versteht, wirkt umso politischer, auch wenn seine Botschaft nach innen adressiert ist. Die Freiburger Rede zeigt dies. Entweltlichung der Kirche als Ortsbestimmung im 21. Jahrhundert? Das wäre eine Reformation, die es wahrlich in sich hätte - mit kaum absehbaren Folgen für das Zeugnis der Kirche in der Welt von heute.

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