Die Seele im Geschenk

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„ Die FURCHE-Redaktion gibt einen Einblick in ihre Welt der Geschenke, die sich aus Ideen, Erlebnissen und Erfahrungen zusammensetzt. “

Geschenke sind in Wirklichkeit irgendwelche Dinge. In Wahrheit sind sie natürlich viel mehr. Und darum verbinden sich mit ihnen Hoffnungen und Erwartungen, doch lösen sie gelegentlich Ernüchterung, ja Enttäuschung aus. Wir meinen damit nicht die kleinen, milden Gaben. Die haben ihr Recht, ihren Platz. Wir sprechen vielmehr von diesen großen Geschenken, also den Geschenken zu einem hohen Anlass im Leben einer Person. Und dann gibt es diese Geschenke genau dazwischen, in der Mitte, wenn Schenken einfach dazugehört, man also vermeint, schenken zu müssen. Dazu gehören die Weihnachtsgeschenke. Treffliche Geschenke haben ja den Vorzug, beidseitig zu wirken: Es hebt das Herz des Schenkenden, den Beschenkten darob erfreut zu sehen. Jene Menschen, die zu einer wohl erwogenen Lebensführung neigen, machen aus der kleinen Gelegenheit, zu Weihnachten etwas zu schenken, eine große Sache der Suche. Redakteurinnen und Redakteure der FURCHE präsentieren auf dieser Seite, was ihnen auf der Suche nach einem passenden Geschenk aufgefallen ist. Einer Suche, die versucht, mit einer Idee die Seele in einem Geschenk auszudrücken.

Für etwas Jüngere Kinder

Bewegendes mal Drei

Wer hat im hektischen Alltag zwischen Beruf und Familie nichts übrig für den goldenen Tipp: Schenken Sie Ihrem Kind doch Zeit! Doch erprobte Eltern kennen es: Konsumgeschulte Kids wissen das zwar zu schätzen, dennoch kommt irgendwann die Frage: Du, Mama (Papa), und wann kommt das Geschenk? Die Lösung: Ein Kombi-Geschenk – Zeit, Ausflug und was Handfestes. Haben Sie ein bahnbegeistertes Kind zuhause, das schon zahlreiche Raffinessen des Eisenbahnmodellbaus im Kinderzimmer stehen hat, und wollen Sie ihm oder ihr zudem die Werte von Ökologie näherbringen, dann sei Ihnen eine Bahnfahrt auf den Semmering nahegelegt. Schon auf der Hinfahrt (von Wien aus) kann man kurz vor der Haltestelle den Höhepunkt des Geschenkes erblicken: einen Spielplatz mit Holzzügen. Und angekündigt wird das ganze Event zusammen mit einem weiteren Teil der Holzeisenbahn-Anlage. (Regine Bogensberger)

Bahnfahrt auf den Semmering

Ab der Haltestelle führt ein Spazierweg zum Spielplatz mit Holzzügen. Bitte beachten: Die Südstrecke ist anfällig für Verspätungen. Grund: der neue Hbf Wien.

Nachbarschaft wird virtuell lebendig

Wiens verlorenes Judentum

Am Vormittag, nachdem mein bald fünfjähriger Sohn und ich zum Kindergarten geradelt sind, fahre ich weiter durch den 15. Bezirk gen FURCHE-Redaktion. Erst vor Kurzem wurde mir bewusst, dass ich bei der Turnergasse eine ehemalige Synagoge passiere. 1871 ist der Neorenaissancebau errichtet worden, 830 Juden haben darin Platz gefunden. Am 10. November 1938 wurde die Synagoge Turnergasse zerstört. 1973 erwarb die Stadt Wien den Grund und errichtete einen Gemeindebau. Mein Wissen über diese Synagoge entstammt dem Führer „Die zerstörten Synagogen Wiens“, in dem Informationen und alte Abbildungen zu 21 über Wien verstreuten Synagogen zusammengetragen wurden. Den besonderen Reiz des Büchleins machen Computerrekonstruktionen aus, die Synagogen in Bilder der heutigen Bausituation projizieren. So ist „nachzulesen“, wie markant jüdisches Leben sich in seinen Wiener Bauwerken dargestellt hat. Weit mehr als eine Erinnerung. (Otto Friedrich)

Die zerstörten Synagogen Wiens

Virtuelle Stadtspaziergänge von Bob Martens, Herbert

Peter. Mandelbaum Verl. 2009, 256 S., geb., € 19,90

Tourenski statt Liftkarte

Entschleunigung auf Skiern

Ernest Hemingway hat es gemacht, weil er knapp bei Kassa war. Anstatt in den mondänen Schweizer Skiorten abzusteigen, ist er zum Skifahren ins damals touristisch kaum erschlossene Montafon gereist. In den 1920er-Jahren hieß Skifahren zuerst Skigehen. Doch warum nicht das, was vor Jahrzehnten Pflicht war, heute zur Kür machen? Deswegen schenke ich zu Weihnachten Tourenski mit passender Bindung und den obligaten Fellen. Der Hemingway’sche Spargedanke steht dabei nicht so sehr im Vordergrund. Denn was man sich mittelfristig an Geld für Liftkarten spart, muss zum Start jeder Tourengeher-Karriere für die spezielle Austüstung investiert werden. Letztlich wird das Tourengehen also nicht viel billiger kommen. Aber der Genuss ist größer, oder wie hat es Hemingway formuliert: „Die Knöchel aneinandergedrückt, liefen wir ganz tiefgeduckt, überließen uns der Geschwindigkeit und glitten endlos, im stillen Zischen des körnigen Pulverschnees. Es war schöner als jedes Fliegen …“ (Wolfgang Machreich)

Toureninformationen und Lawinenwarndienst:

www.bergsteigen.at und www.lawine.at

Zweierlei Festliches

Bock und Beckmesser

Man soll das Thema Schenken auch nicht zu sehr überfrachten mit Sinn, Werten und dergleichen höheren Prinzipien. Ein Schuss Pragmatismus kann nicht schaden. Und wenn man etwas schenkt, das einem selbst entspricht, dann schenkt man ja letztlich etwas von sich. Nicht das Schlechteste …

In diesem Sinne also zwei ganz unterschiedliche Tipps: Da ist zum einen vor Kurzem die DVD mit Wagners „Meistersingern“ aus der Wiener Staatsoper vom Jänner 2008 herausgekommen. Nicht alles war famos, vieles solide bis sehr gut – exzeptionell indes das Dirigat Christian Thielemanns sowie der Beckmesser des Adrian Eröd.

Von der Festwiese zum Festbier: Es gilt die von vielfältiger Nivellierung bedrohte Tradition des Bockbieres hochzuhalten. Wer sich hier vertiefen – und etwa den wunderbaren Weihnachtsbock des Müllner Augustiner Bräu einlagern – möchte, sei auf die Bierothek in Brunn/Gebirge ( www.bierothek.at) verwiesen. (Rudolf Mitlöhner)

Die Meistersinger von Nürnberg

Chr. Thielemann; F. Struckmann, R. Merbeth, J. Botha, A. Eröd, u. a., Medici Arts, Gramola, € 39,90

Möglichkeiten

Landkarte des Inneren

Möglichkeiten zu erhalten, das gehört zu den Gnaden des Lebens. Die Möglichkeit zu sehen, zu erleben, zu lernen, sich zu versuchen, sich zu erfahren. Möglichkeiten sind das, was ich suche, sind das, was ich gerne schenke. Insbesondere Kindern (das ist eine andere Geschichte) und Freunden. Eine neue Möglichkeit einer existenzialistischen aber nicht fatalistischen Betrachtungsweise bieten die Gedichte des Wiener Arztes Heinrich Thaler. Man hat uns, als wir Kinder waren / mit der falschen Landkarte / auf die Reise des Lebens geschickt. Und weiter: Wir haben dies schon lange erkannt / Es aber nicht wahrhaben wollen / Und immer versucht, die Landschaft um uns / An die Landkarte anzupassen. Der Facharzt für Innere Medizin, Psychosomatik und Geriatrie erweist sich als ein leidenschaftlicher, distanzierter Beobachter, dann als ein Realist, der Möglichkeiten aber auch Aussichtslosigkeit wesentlich klarer sieht als die meisten – und dann eben doch nicht zynisch wird. (Claus Reitan)

Vergessene Landkarten

Gedichte und Stimmungsbilder von Heinrich Thaler, artesLiteratur, Ed. Roesner, 142 S., brosch., e 19,80

Anders sehen

Für offene Augen

Ich kann gar nicht anders: Ich verschenke immer Bücher. Obwohl es mir schwerfällt, auf Fragen wie „Was soll ich lesen?“ oder „Was soll ich schenken?“ zu antworten. Kunstinteressierten kann man vielleicht mit „Das Rätsel des Lichts“ (Schirmer/Mosel) eine Freude machen. Cees Nooteboom reist nicht nur durch die Welt, sondern auch durch Bilder, sie sind ihm eine „Spur, / gemalt auf meine innere Haut“. Seine Essays zu (im Band abgebildeten) Kunstwerken laden ein zu sehen. Eine solche Einladung ist mir aber auch immer noch und immer wieder der erste moderne Roman, „Don Quijote“, der im Vorjahr in einer großartigen Neuübersetzung von Susanne Lange bei Hanser erschienen ist, in zwei schön gestalteten Bänden. Schön ist auch die Geschenkausgabe von Grimmelshausens „Simplicissimus“. Vielleicht erinnert dieses Buch unangenehm an Schule, doch die Neuübersetzung von Reinhard Kaiser (Eichborn) erleichtert das Verständnis und öffnet die Augen: für die Sprache und den bleibenden Wahnsinn des Krieges. (Brigitte Schwens-Harrant)

Das Rätsel des Lichts. Kunststücke

Von Cees Nooteboom. Verlag Schirmer/Mosel, 2009 187 Seiten, geb., e 51,20

Wertschätzung

Die Kula-Art zu schenken

Kula nennen die Bewohner der Trobriand-Inseln nördlich von Papua-Neuguinea ihre Art des Tauschens und Schenkens. Dabei werden Halsketten (Soulava) und Armreifen (Mwali) an eine andere Person weitergegeben. Die beschenkte Person erwidert die Gabe gleichfalls mit einem Mwali oder Soulava oder einem anderen Gegenstand gleichen Werts. Sinn der Gaben ist es nicht, aus dem Geschenk Kapital zu schlagen, sondern mit eigenem Geben Ehre zu erweisen. Die Trobriand-Ureinwohner sicherten so den Frieden zwischen den Stämmen auf den 14 Inselgruppen ab. Kula zeigt nicht nur, dass eine andere Form des Wirtschaftens möglich und erfolgreich ist, sondern auch die Urform des Geschenks – die Wertschätzung. Kula muss nicht mit Soulava oder Mwali praktiziert werden. Man kann dafür einen Gegenstand verwenden, mit dem der Geber eine für ihn wichtige Geschichte verbindet. Nähere Informationen über Kula sind in einem Buch des Ethnologen Marcel Mauss zu finden. (Oliver Tanzer)

Die Gabe

Von Marcel Mauss. Suhrkamp Verlag 2009, 201 Seiten, kart., e 10,–

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