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JOHN SELWYN BROOKE LLOYD / ENGLANDS „AS“
Man wird nickt Vorsitzender des Debattierklubs einer der großen englischen Universitäten, ohne die Gabe flüssiger und überzeugender Rede und nebstbei ein gutes Maß von Schlagfertigkeit und Humor zu besitzen. Das war auch beim jungen Selwyn Lloyd nicht anders, der nach Absolvierung von Fettes, der berühmten schottischen Public School, nach Cambridge gekommen war, um im Mag-dalene College alte Sprachen und Geschichte — das waren seine Hauptfächer — zu studieren; sonst wäre er 1927 gewiß nicht zum Präsidenten der Cambridge Union gewählt worden. Wenige Jahre später hatte er die schwierigen Hürden von Gray's Inn hinter sich gebracht und eine Anwaltspraxis eröffnet, die sich schnell entwickelte, ihm aber doch noch Zeit genug ließ, um sich auch als Kommunalpolitiker einen Namen zu machen.
Drei Monate vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges trat der damals B4jährige Rechtsanwalt als Leutnant in die Territorialarmee ein. Das war der Beginn einer selbst für britische Verhältnisse ungewöhnlich raschen und steilen militärischen Laufbahn. Nach ausgezeichneter Frontdienstleistung 1943 als Oberst dem Stab der 2. Armee zugeteilt, konnte Selwyn Lloyd die Invasionsschlachten 1944 bereits als Brigadier im Verband dieser Armee mitmachen. Der Erfolg blieb ihm auch nach dem Krieg treu, sowohl auf dem Gebiet der Politik — 1945 war er als Kandidat der Konservativen ins Unterhaus gewählt worden — wie bei seiner beruflichen Arbeit. Der
Sturz der Labour-Regierung 1951 und die Wiederkehr der Konservativen an die Macht eröffneten ihm die Chance, die er wahrzunehmen und seither mit bemerkenswerter Geschicklichkeit festzuhalten verstand.
Churchill berief ihn als Staatsminister ohne
Portefeuille ins Foreign Office, wo sich dem an weltpolitischen Problemen besonders Interessierten Gelegenheit bot, mit dem Apparat, den Grundsätzen und Methoden der britischen Diplomatie gründlich vertraut zu werden. Nach drei Jahren auf diesem Posten und wiederholten Auslandsmissionen, namentlich als Chefdelegierter zu den Vollversammlungen der UNO, folgten, noch unter Churchill, einige Monate an der Spitze des Ministeriums für staatliche Lieferungen, und dann, unter der Premierschaft Anthony Edens, die Betrauung mit dem Verteidigungsministerium, dessen Kompetenz gerade damals auf bestimmte Zweige der Industrie ausgedehnt wurde. Im Dezember 1955 übernahm Selwyn Lloyd das Foreign Office, und in diesem Amt ist er seither verblieben, ungeachtet der heftigen Angriffe, die besonders im Zusammenhang mit der Suez-Affäre und wieder anläßlich der vorjährigen Genfer Viermächtekonferenz auch in Kreisen seiner eigenen Partei gegen ihn gerichtet worden sind. Seine umfassende Sachkenntnis, seine reichliche Erfahrung in der modernen Konferenzdiplomatie, seine Zähigkeit im Verhandeln, seine unerschütterliche Ruhe sind eben Momente, die auch von seinen Gegnern als wertvoll anerkannt werden müssen; wobei der Umstand, daß er die Möglichkeit einer westöstlichen Entspannung immer ein wenig skeptischer beurteilt hat als sein Regierungschef, ihm nun wohl nur von den Wenigsten zum Vorwurf gemacht werden wird.
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