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Nomen est Omen

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Zum Geburtstag des tausendjährigen Österreich hat sich der Kulturausschuß Wiens neue Namensgebungen für Straßen und Plätze einfallen lassen. So soll unter anderem die Anlage vor dem Museumsquartier künftig „Museumsplatz” heißen, die vor der Nationalbank „Ostarrichipark” und der Park in der Hainburgerstraße „Bochuspark” getauft werden.

Wäre dieser große Festtag nicht auch eine einmalige Gelegenheit, Straßennamen, die an die finstere Zeit unserer Geschichte erinnern, umzubenennen? Noch immer steht selbst der gelernte Wiener fassungslos vor der „Ostmarkgasse” im 21. Bezirk. Zugegeben, sie erhielt ihren Namen auf Beschluß des Wiener Gemeinderates schon im Mai 1900, also 38 Jahre vor der Degradierung Österreichs zur Ostmark. Doch war der schon 1900 wachsende Einfluß der Deutschnationalen Grund für diesen Bückgriff? Wir entnehmen nämlich der im Bedenkjahr 1988 unter dem Straßenschild angebrachten Erklärung - vermutlich kamen der Gemeinde doch Bedenken wegen geweckter Assoziationen - folgendes: „Ostmarkgasse, benannt im Jahre 1900 nach der mittelalterlichen Grenzmark, der Keimzelle Österreichs”. Ob das mit der Keimzelle tatsächlich stimmt, ist Sache der Auslegung oder ein schönes Beispiel einer „Nicht-Lüge”: Ein kleiner Exkurs in die Geschichte sagt uns, daß die Baiern 795 gegen die Awaren zogen und deren Hauptlager zwischen Donau und Theiß eroberten. Die „bairische Ostmark” war errichtet. 907 ging sie verloren und wurde 955 durch Otto I. den Großen wieder hergestellt. 996 finden wir Ostarrichi, Österreich, in einer Schenkungsurkunde erstmals erwähnt. Was zum Anlaß für die 1000-Jahr-Feiern genommen wurde.

Soweit die Geschichte, stark verkürzt. Doch es geht hier nicht um die Geschichte des Mittelalters. In unserem Bewußtsein ist der Begriff „Ostmark” verbunden mit der Auslöschung Österreichs durch das Hitlerregime. Der Historiker und General Glaise-Horstenau schrieb 1945 aus seiner Gefängniszelle: Schon wenige Tage nach der Landnahme ordnete Hitler an, daß statt des Namens Österreich die verschwommene und unhistorische Bezeichnung ,Ostmark' anzuwenden sei... Er beeilte sich, dessen Spuren auch verwaltungsmäßig zu tilgen... Am zerrissenen Leibe des unglücklichen Österreich sollte zum ersten Mal ein Stück der geheimnisvollen Reichsreform exerziert werden...”

Für uns währte dieses „tausendjährige Reich” gottlob nur sieben Jahre. In dieser Zeit legte es ganz Europa in Schutt und Äsche, kostete Millionen Menschen das Leben. Was also bewegt unsere Stadtväter, auf diesem Namen zu beharren?

Die „Brücke der Boten Armee” wurde so schnell es ging wieder in Beichsbrücke umgetauft, weshalb nicht die Ostmarkgasse? Auch die „Anschlußgasse” im 14. Bezirk würde sich über einen neuen Namen freuen. Und wir uns auch.

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