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Sparen - ein Menschheitstraum

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Vielleicht mag manchem’der Titel dieses Artikels angesichts zweier Ereignisse auf dem Sparkassensektor, die knapp bevorstehen (nämlich des 150. Gründungstages der Ersten österreichischen Spar-Casse am 4. Oktober und des Weltspartages am 31. Oktober) sowie der volkswirtschaftlichen Definition vom Sparen als Konsumverzicht allzu „zweckgebunden euphorisch“ Vorkommen. Eine allerdings nur oberflächliche historische Betrachtung soll jedoch die Berechtigung der „Euphorie“ beweisen.

Wenige Dinge prägen so sehr das menschliche Denken wie der Eigentumsbegriff, dem der Wunsch nach wirtschaftlicher, sozialer und auch politischer Sicherung zugrunde liegt. Das Sparen ist mit dem Menschen daher seit dessen Uranfängen auf das engste verbunden. Allerdings war es anfangs eher ein Sammeln von Dingen, die man zum Leben benötigte. Ziel dieses Sammelns war jedoch die Sorge um die Zukunft, die Sicherung und Vergrößerung des persönlichen Eigentums. Erst die Erfindung des Geldes, genauer gesagt: metallischer Eigentumssymbole, machte ein Sparen in unserem Sinne möglich.

Soziale Fürsorge

Entgegengesetzt einem echten Spargedanken in der Auffassung der modernen Zeit war jedoch zunächst die soziale Einstellung, die der Satz David Riccardos vom Arbeiter, der nie mehr verdient als zu seinem Lebensunterhalt unbedingt notwendig ist, trefflichst widerspiegelt. Im 17. Jahrhundert war erstmals im größeren Umfang eine Änderung der Einstellung sozialen Problemen gegenüber festzustellen. Der Franzose Delestre, regt die Errichtung von Sparkassen zur Anlage kleinerer Beträge an. Auch Daniel Defoe, der Verfasser des berühmten Romans „Robinson Crusoe“ verfaßte zu Ende des 17. Jahrhunderts eine Schrift über die Errichtung von Sparkassen, um die Armut zu beseitigen. Gleichzeitig weist Defoe auf die Möglichkeit der Selbsthilfe hin. Fast 100 Jahre später nahm Jeremy Bentham die Idee Defoes wieder auf. Bis die ersten Sparkassen geschaffen wurden, vergingen allerdings noch Jahrzehnte. Der Gedanke war jedoch nicht mehr aus der Welt zu schaffen und es kam zur Errichtung derartiger Institute in England, Schottland und Deutschland. Hier sei vor allem auf die berühmt gewordene Kinder- sparbank von Tottenham und auf die Pfarr- bank von Ruthwell oder die Waisenkassen der Patrimonialgerichte verwiesen. All diesen Gründungen lag der Gedanke der sozialen Fürsorge zugrunde. Atuch die Ereignisse der Französischen Revolution mögen dazu beigetragen haben, daß man allmählich die Armut nicht mehr als Individualschicksal sondern als Sozialproblem erkannte, dem man durch die Bildung von Eigentum in Arbeitnehmerhand begegnen wollte. Es spricht für sich, daß die Sparkassenidee nicht im damaligen Geldapparat geschaffen wurde, sondern von Philosophen, Schriftstellern, Menschenfreunden und Geistlichen.

Vor 150 Jahren

Im Jahre 1819 wurde die Erste österreichische Spar-Casse mit dem in der Satzung festgeleg- ten Zweck gegründet, „dem Fabrikarbeiter, dem Handwerker, dem Taglöhner, dem Dienstboten, dem Landmann oder sonst einer gewerbsfleißigen und sparsamen minderjährigen oder großjährigen Person die Mittel an die Hand zu geben, von ihrem mühsamen

Erwerbe von Zeit zu Zeit ein kleines Kapital zurückzulegen um solches in späteren Tagen zür Begründung einer besseren Versorgung, zur Aussteuer, zur Aushilfe in Krankheit, im Alter oder zur Erreichung irgendeines löblichen Zweckes zu verwenden“.

Grenzenloses Elend breitester Bevölkerungsschichten stand Pate bei der Gründung der Ersten österreichischen Spar-Casse. Die napoleonischen Kriege, Teuerungswellen, Inflationen, ein Staatsbankrott und Mißernten hatten tiefe Spuren im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Monarchie hinterlassen. Kaiser Franz I. war es selbst, der schon 1817 eine Kabinettsorder erließ, in der er die Schaffung einer „Voranstart für künftige Fehljahre“ forderte. Der Kanzler des Kaisers, Graf Saurau, versuchte, die wohlhabenden Bürger dafür zu gewinnen. Im Pfarrer von St. Leopold, Johann Baptist Weher, fand er den richtigen Helfer. Ihm gelang es, innerhalb kürzester Zeit durch eine Subskription 9159 Gulden aufzubringen. Am 4. Oktober 1819 öffnete das Institut seine Pforten. Seither ist die Erste österreichische Spar- Casse Wegbegleiterin der österreichischen Geschichte, die unser Land durch tiefe Täler der Katastrophen und des Elends zur Höhe des heutigen Wohlstandes geführt hat. Der Gründung der Ersten österreichischen Spar- Casse folgte die Errichtung zahlreicher ähnlicher Institute in allen Ländern der; Monarchie. Ausnahmslos wurden die Statuten und die Geschäftsordnung der Ersten österreichischen Spar-Casse zur Grundlage der Geschäftstätigkeit genommen.

Die Sparkassen erhielten vom Gesetzgeber ferner ausdrücklich die Aufgabe, für die Verbreitung des Spargedankens — insbesondere bei der Jugend — zu wirken. Die umfangreiche Tätigkeit auf dem Gebiet der Sparerziehung, aber auch im sozialpolitischen und kulturellen Sektor geht auf diesen Auftrag zurück. Oberstes Gebot der Sparkassen, deren sich auch bald das Bürgertum bediente, wurde damals — bis auf den heutigen Tag verpflichtend — die Erhaltung des Vertrauens der Kunden. Nur so konnten die noch jungen Institute das Revolutionsjahr 1848 überleben und 1873, im Jahr des Börsenkrachs, in dem 527 Aktiengesellschaften und 117 der 141 österreichischen Banken liquidieren mußten, einen Einlagenzuwachs von 25 Prozent verzeichnen. Die Erste österreichische Spar-Casse überstand in ihrer 150jährigen Geschichte auch manch politischen Sturm. Sogar in der „ostmärkischen“ Zeit des 1000jährigen Reiches konnte sie weiter die Bezeichnung Erste österreichische Spar-Casse führen, und durch ihren Namen das Wiedererstehen Österreichs ankündigen.

Audi die furchtbare Nachkriegszeit konnte an der Überzeugung breitester Bevöikerungs- kreise, daß Sparen ursächlich mit wirtschaftlichem Aufstieg verbunden ist, nichts ändern. Main kann ruhig sagen, daß ‘die aus dieser Gesinnung resultierende Aufbauarbeit nach dem Kriege primär am Überleben Österreichs beteiligt war. Den Sparern gebührt in diesem Zusammenhang großer Dank.

Die Sicherung des sozialen Gefüges, die grundlegende Änderung der Anschauungen gesellschafts- und arbeitspolitischer Probleme, die wirtschaftliche Prosperität und nicht zuletzt die technische Entwicklung haben in unserer Zeit zahlreiche neue Arten von Spar- kassengeschät’ien gezeitigt. Auch die Ein- legermentalität hat sich geändert. Stand einstmals die Alters- und Notvorsorge bei den Einlegern im Vordergrund, so ist es nun der Wunsch nach Erreichung bestimmter Konsumziele oder nach Verbesserung der Einkom- menskondrtionen. Nicht mehr das Elend steht wie vor 150 Jahren vor unseren Sparkassenschaltern, sondern der wirtschaftlich Tüchtige, der das .Erreichte sichern will und durch sein Sparen weitere Leistungen der Gesamtwirtschaft ermöglicht.

Mit der 150jährigen Ersten österreichischen Spar-Casse feiert daher in diesen Tagen mit Recht der gesamte Sparkassensektor. Gelang es doch, den Spargedanken fest in der Bevölkerung zu verankern und damit beizutragen, den uralten Menschheitstraum von der gesicherten Eigentumsbildung als Frucht der harten Arbeit zu verwirklichen.

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