Jenseits von Brus, Muehl, Nitsch & Co.

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Das MUSA zeigt eine Auswahl an 120 Skulpturen, Malereien und Grafiken aus den Jahren 1960 bis 1969. Die Schau präsentiert bemerkenswerte Werke von Künstlern, die heute in der österreichischen Kunstgeschichtsschreibung keine Erwähnung finden.

"Wir waren damals wirklich hinter den Bergen und wussten zu wenig von den Bewegungen in der Welt hinter dem Arlberg“, meint der ehemalige Aktionist und heutige Bild-Dichter Günter Brus. Das ehemalige Enfant terrible gilt mittlerweile als einer der bedeutendsten österreichischen Avantgardekünstler, genauso wie seine Kollegen Hermann Nitsch, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler. Gerade die von den Künstlern als so beengend empfundene Situation in Österreich dürfte zu den unvergleichbar extremen Äußerungen geführt haben, wie sich die gefragte Medienkünstlerin VALIE EXPORT erinnert: "Es war eine echte Aufbruchstimmung, alles war so mit Lust verbunden, mit der Lust an der Provokation, mit der Lust am künstlerischen Material, mit der Lust am radikalen Ausdruck.“

Protest mit künstlerischen Mitteln

Heute werden die Künstler und Literaten, allen voran die Körperkünstler, als die eigentlichen Akteure des weltweiten Protestjahres 1968 bezeichnet, das in Österreich nicht mit politischen, sondern mit künstlerischen Mitteln ausgetragen wurde. 1968 ist jedoch nur als Höhepunkt einer Tendenz zu sehen, die sich bereits Jahre zuvor angebahnt hatte. Denn während man sich gerade an die Malereirichtung des Phantastischen Realismus gewöhnte, schlug die Avantgarde längst andere Wege ein. Auf kompromisslose Weise wirft sie den traditionellen Kunst- und Literaturbegriff über Bord und schockiert zunächst die interne Kunstgemeinde, später die Öffentlichkeit.

Dass die Kunstszene in Österreich vielgestaltiger und insgesamt weniger radikal war, als die Performances der heute international gefeierten Bewegungen Wiener Aktionismus und Wiener Gruppe glauben lassen, macht jetzt eine Ausstellung im MUSA (Museum auf Abruf) sichtbar. Denn die Präsentation zeigt eine Auswahl an 120 Skulpturen, Malereien und Grafiken, die von der Kulturabteilung der Stadt Wien in den Jahren 1960 bis 1969 erworben wurde. Etwa 3800 Werke von 700 Künstlern und Künstlerinnen kamen so zusammen. Später erweiterte sich die Sechziger-Jahre-Kollektion durch Schenkungen, sodass sie mittlerweile 4300 Arbeiten umfasst.

Die von MUSA-Leiter Berthold Ecker und dem langjährigen Kulturreferenten der Stadt Wien Wolfgang Hilger kuratierte Schau ist spannend, weil sie im Unterschied zu anderen Sechziger-Jahre-Ausstellungen nicht nur die immer gleichen Avantgardestars zeigt. Von Brus gibt es wenige, später erworbene Werke, von Hermann Nitsch und den Wiener-Gruppe-Künstlern gar keine. Dies liegt an einem sich stets wiederholenden Phänomen der Kunstentwicklungen: Die besonders innovativen Tendenzen werden erst im Nachhinein erkannt, wie Ecker betont.

Qualität und Wertsteigerung von Kunst

Dafür entdeckt man beim Parcours eine Reihe von Künstlern und Künstlerinnen, die heute in der österreichischen Kunstgeschichtsschreibung keine Erwähnung finden und dennoch ausgesprochen bemerkenswerte Werke schufen, wie ein frühes popartiges Gemälde mit dem Titel "Querlenker“ (1969) der 1997 verstorbenen Künstlerin Irma Breitwieser verdeutlicht.

Die Ausstellung und insbesondere der über 500 Seiten starke Katalog vermitteln einen lebendigen Eindruck, wie viele unterschiedliche Kunsttendenzen - abstrakte, hyperrealistische, konstruktive, expressive - im Österreich der sechziger Jahre nebeneinander existierten. Dass manches Exponat dabei bloß dokumentarischen Wert besitzt, während ein anderes als ständig steigende Aktie gilt - wie Maria Lassnigs "Selbstporträt“ (1965) - ermöglicht den Besuchern und Besucherinnen interessante Überlegungen rund um die Qualität und Wertsteigerung von Kunst.

Die 60er Jahre: Eine phantastische Moderne

MUSA, 1010 Wien, Felderstraße 6-8

bis 15. Okt., Di-Fr 11-18, Do bis 20, Sa bis 16 Uhr

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