6613999-1955_19_08.jpg
Digital In Arbeit

Biographie einer Vielverkannten

19451960198020002020

Umjubelt, verkannt, verbannt. (Kaiserin und Königin Zita.) Von Emmy Gehrig. Verlagsbuchhandlung , Franz Reisinger, Wels. 367 Seiten.

19451960198020002020

Umjubelt, verkannt, verbannt. (Kaiserin und Königin Zita.) Von Emmy Gehrig. Verlagsbuchhandlung , Franz Reisinger, Wels. 367 Seiten.

Werbung
Werbung
Werbung

Das vorliegende Werk der bekannten Wiener Schriftstellerin ist eine überarbeitete Neuauflage des Buches aus dem Jahre 193 5. Von. einer französischen Publikation abgesehen, stellt es die erste in deutscher Sprache versuchte Biographie der früheren österreichischen Kaiserin dar, wobei zahlreiche Publikationen mit verarbeitet wurden. Die Verfasserin bekennt sich zum Wagnis dieses Werkes und will, wie schon Werkmann andeutete, Wegbereiterin der Wahrheit sein, die wohl in einer abgeschlossenen Biographie kaum erstellt werden kann, solange nicht die Historiker ein wirkliches auf den Quellen beruhendes Bild zu erstellen vermögen. Die Quellenbasis wird auf Grund der bisherigen Archivbestände immer noch sehr schmal bleiben müssen, um so mehr, da die Kaiserin-Königin unter den Lebenden weilt und auch im höchsten Grade eine aktuelle Figur der Zeitgeschichte geworden ist. Kaum eine der überlebenden Persönlichkeiten des ersten Weltkrieges wurde durch die vernebelnde Geschichtsschreibung nach 1918 so sehr durch Skribenten und Klatschmäuler — wie Erich Thanner in seinem Vorwort zum vorliegenden Werk bemerkt — auf ein Klischee festgelegt als die letzte österreichische Kaiserin. Dazu hat Zarnows Buch ebenso beigetragen wie manche andere publizistische Literatur, deren Thesen — aus dem sehr durchsichtigen Legendengewebe um den sogenannten Verrat Habs-burgs am deutschen Bundesgenossen gesponnen — in Millionenauflagen verbreitet wurden. Eindrucksvolle Arbeiten, wie etwa Hugo Hantschs heute fast vergessene Untersuchungen über die „Friedensbemühungen Oesterreich-Ungarns im ersten Weltkrieg“, oder die sehr bemerkenswerten Aeußerungen des deutschen Generalobersten Hans von Seeckt werden gerne übersehen, wenn es gilt, die Kaiserin als Intrigantin einer reaktionären politischen Richtung zu zeichnen. Die Verfasserin hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, abseits der noch ausstehenden Forschung, das gerechte Urteil der Geschichte auf die Frau und Mutter zu lenken und dabei besonders darauf hinzuweisen, daß nach Abstammung und Herkunft die frühere Kaiserin schon durch ihre Ahnenreihe dem österreichisch-historischen Raum mehr verbunden war als manche Fürstin, welche einstmals das Diadem der Herrscherwürde trug. Die menschlich ergreifendsten Partien sind wohl das Ausharren und das Leiden an der Seite ihres Gemahls in den schweren Monaten und Wochen vor dessen Tod und nicht zuletzt der Kampf um die Erziehung und Fortbildung der unmündigen Kinder. Somit ist das Werk, welches sehr weitgehende Einblicke in das Schicksal der einzelnen Familienmitglieder des früheren Kaiserhauses ermöglicht, ein erschütterndes Dokument der Zeitgeschichte, dessen Ergänzung einmal, wie bereits angeführt, die Oeffnung der Staatsakten bringen kann. Eine solche Erschließung der Quellen wird wahrscheinlich die von Emmy Gehrig aufgezeichneten, wertvollen Grundlinien kaum mehr korrigieren, eher ergänzen können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung