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Poppäas Krönung in Florenz

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Noch war das Grauen der mit den Wasserfluten über die Kunststadt Florenz hereingebrochenen Katastrophe lebendig, und kaum verklungen waren die Hiobsbotschaften über die Zerstörungen in den Theatern der Stadt. Während die Bürgerschaft noch damit beschäftigt war, die Schlammassen aus Straßen und Häusern wegzuschaffen, die Kirchen, Paläste und Geschäftsläden wieder instand zu setzen und die Gefahr von erneuten Überschwemmungen zu bannen, gab allen voran das Teatro Comunale ein bewundernswertes Beispiel. Nach dem verheerenden Unglück wurde die Spielzeit unerwartet, wenn auch etwas improvisiert, mit Monteverdis „Krönung der Poppda“ eröffnet. Dem Aufruf des Intendanten Remigio Pavone folgend, hatten sich alle Mitarbeiter des Hauses mit größtem Eifer an die Arbeit gemacht. Nachdem es gelungen war, für das Parkett notdürftig Sitzplätze herbeizuschaffen und für die Musiker neue Instrumente zu besorgen, gelang es in intensivster Probenarbeit, eine Aufführung von höchstem künstlerischen Rang zustande zu bringen. Die Leistung ist um so höher zu schätzen, als das letzte Bühnenwerk Monteverdis seit den Mai-Festspielen von 1937 nicht mehr gegeben worden war.

Zunächst war nur daran gedacht worden, die Oper in Anbetracht der besonderen Verhältnisse nur als konzertante Aufführung zu bringen. Um so größer war die Überraschung, als sich der Vorhang am ersten Abend der neuen Winterspielzeit hob. Egi-sto Bettini hatte, den Umständen entsprechend, zwar einfache, aber recht eindrucksvolle Bühnenbilder geschaffen, die Mailänder Scala hatte die Kostüme geliehen, und obwohl in den Kellerräumen noch das Wasser stand, waren die technischen Einrichtungen mit größtem Geschick zu klaglosem Funktionieren gebracht worden. Allein das Orchester hatte durch den Verlust der Instrumente und des Notenarchivs einen Schaden von über 600 Millionen Lire erlitten. Wer aber die Musiker unter der Leitung von Carlo Franci an diesem Abend spielen hörte, war überzeugt, daß es der Kunst gelungen war, über den schweren Schicksalsschlag zu triumphieren. Mit den Musikern wetteiferten die Darsteller auf der Bühne an Schwung und Hingabe für das Werk, das trotz seiner 320 Jahre lebensfrisch und spannend wie je geblieben ist. In der Titelrolle fesselte Claudia Parada durch eine eindrucksvolle Darstellung. Als Nero war Mirto Picchi stimmlich und schauspielerisch gut am Platze. Hervorzuheben ist auch die gepflegte Leitung von Boris Christoff und Renata Vngaro. Wenn die Regie unter diesen ganz ungewohnten Verhältnissen so gut klappte, war dies vor allem dem verdienten Sandro Sequi zu danken. Sicher wird sich kaum jemals eine Opernaufführung wie diese „Krönung der Poppäa“ unter ähnlichen dramatischen Bedingungen wiederholen. Wie ein Mahnmal der überlebten Katastrophe waren im Foyer die zu kläglichem Gerumpel verstümmelten Musikinstrumente des Orchesters aufgehäuft worden, ein Bild trauriger Vergänglichkeit, während im Inneren des Theaters wieder neues Leben eingekehrt ist.

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