Die Furche-Herausgeber
Wieder einmal hat mich der Ablauf einer Woche vor schwer erklärbare Zusammenhänge gestellt:
# Da war die Wiener Wahl. Stolz hatte HC Strache zuvor mit 24 Prozent gerechnet # ich habe es für Angeberei gehalten. Fast 26 Prozent sind es geworden.
# Was dann folgte, war zunächst die bange Frage heimischer Muslime, was sie denn falsch gemacht hätten # außer einfach da zu sein. Hätte mehr Widerspruch gegen manche Wahlparole geholfen # oder noch mehr geschadet? Klar war nur: Mehr Wissen voneinander ist dringend notwendig. Und prompt machte eine Ausstellung über den Propheten Mohammed zehn Tage lang in Wien Station # jedermann waren geladen. Nur: Die Nicht-Muslime haben sich nicht blicken lassen.
Metropole der Fremdenangst
# Dann kamen die Wahlanalysen der Auslandspresse. Tenor: Wien, die Metropole der Fremdenangst und der kleinbürgerlichen Entsolidarisierung. Eine Stadt, die zu reich geworden ist, um Randgruppen zu respektieren, ja zu ertragen.
# Genau zeitgleich haben wir im SOS-Kinderdorf Hinterbrühl einen Spatenstich gefeiert: Mitarbeiter einer Versicherung haben in nur zwei Monaten # auch durch Verzicht auf Urlaubstage(!) # das Geld für ein ganzes Kinderdorfhaus zusammengespart. Und: Eine Wienerin versprach, die (große) Erbschaft ihres Mannes für ein neues Kinderdorf in Peru einzusetzen. Zwei von so vielen Wundern heimischer Nächstenhilfe. Wie beides zusammengeht: Österreich, so ausgrenzend # und doch immer wieder Spendenweltmeister?
# Dann war die Jury-Sitzung für den Leopold-Ungar-Medienpreis 2010. Als Juror hatte ich mich durch all die Einreichungen hindurch gearbeitet # und gestaunt: Wie viel Anständiges ist von Journalisten-Kollegen zuletzt zu Asyl und Migration geschrieben worden! Und wie wenig hat es bewirkt! Ich frage mich: Was macht es für uns Medienleute so schwer, zu den Sehnsüchten und Ängsten der Leser vorzustoßen? Und wo läge jetzt unser Beitrag zum inneren Frieden # wissend, dass Worte töten können, aber auch heilen?
Rotweißrote Humanität
# Mitten in solches Grübeln platzte am Samstag der Leitartikel jener Tageszeitung #mit dem großen Horizont#. Traditionell ein Leuchtturm medialer Anständigkeit. Jetzt aber traute ich meinen Augen kaum: Da wurden Franz Küberl und Michael Landau (Caritas), Michael Chalupka (Diakonie) und Heinz Patzelt (Amnesty), allesamt Symbolfiguren rotweißroter Humanität, plötzlich als #Hassprediger im Namen der Menschenliebe# niedergemacht. Warum bloß? Nur einer flotten Formulierung zuliebe?
# Dieselbe Zeitung wird übrigens nächste Woche # zum Nationalfeiertag # die #Österreicher des Jahres# küren # auch in der Kategorie #Humanitäres Engagement# #
Wie so viel Widerspruch zusammenpasst? Schwierig. Erwin Ringel, der unvergessliche Seelendoktor der Nation, hat es einmal auf den Punkt gebracht: #Der Österreicher lebt ständig in einer Zweizimmerwohnung. Das eine Zimmer ist hell und freundlich, die #gute Stube#. Das andere abgedunkelt, verriegelt und finster.#
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!