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100 Jahre Oberster Gerichtshof

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Zu den Büchern: Die Judikate und Sprüche des Obersten Gerichtshofes seit seinem Bestände. Herausgegeben vom Redaktionsausschuß des Obersten Gerichtshofes. 906 Seiten. — Festschrift zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofes. 283 Seiten. — Beide: Verlag Manz, Wien.

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Zu den Büchern: Die Judikate und Sprüche des Obersten Gerichtshofes seit seinem Bestände. Herausgegeben vom Redaktionsausschuß des Obersten Gerichtshofes. 906 Seiten. — Festschrift zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten Gerichtshofes. 283 Seiten. — Beide: Verlag Manz, Wien.

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Die Behördenreform Maria Theresias brachte den österreichischen Erbländern in der Zentralinstanz den Ubergang vom Territorial-zum Realprinzip, das heißt, die Zuständigkeit der obersten Behörden wurde sachlich, aber nicht räumlich abgegrenzt. Dadurch entstand zum erstenmal ein gemeinsames Gericht für die deutsch-böhmischen Länder, nämlich die .Oberste Justizhof stelle“, seit 14. Juli 1749 „Oberste Justizstelle“ genannt. Diese Behörde war allerdings nicht nur die höchste Rechtsprechungsinstanz, sondern hatte auch die Funktionen eines Justizministeriums Aus dieser Obersten Justizstelle“ entstand infolge der politischen Entwicklung nach der Märzrevolution 1848 (Forderung nach verantwortlichen Ministern!) formlos durch Abspaltung der Aufgaben der Justizverwaltung einschließlich der Vorbereitung der Justizgesetzgebung der Oberste Gerichtshof. In der kaiserlichen Entschließung vom 14. Juni 1849, RGBl. 278, wurde die neue Gerichtsverfassung festgelegt und 1 zählt unter den in Osterreich bestehenden Gerichten den „Obersten Gerichts- und Kassationshof“ auf, dessen Organisation durch ein besonderes Gesetz geregelt werden sollte. Es wurde am 7. August 1850, RGBl. 325, erlassen, am 10. August 1850 publiziert und ist in einzelnen grundlegenden Bestimmungen noch heute geltendes Recht. Damit hatte der Oberste Gerichtshof (OGH.) im wesentlichen seine heutige Gestalt erhalten, und wir können deshalb den August 1850 als seinen Geburtsmonat ansehen.

Zum hundertjährigen Jubiläum unseres Obersten Gerichtshofes gab der Verlag Manz der österreichischen Juristenwelt eine Festschrift mit elf Beiträgen namhafter Juristen. Dem Anlaß am nächsten steht der Aufsatz von Leonhard „Aus der Geschichte des österreichischen Obersten Gerichtshofes“. Die zehn übrigen Artikel behandeln die Funktion des Obersten Gerichtshofes bei der Fortbildung einzelner Rechtsinstitute und andere Probleme, die mit seiner Tätigkeit und Stellung zusammenhängen. Die verschiedenen Beiträge im einzelnen eingehend zu würdigen, muß den juristischen Fachzeitschriften überlassen bleiben. Schade ist nur, daß dem Praktiker der reiche Inhalt dieser Festschrifl nicht durch einen Index aufgeschlossen wurde und daß sich der Verlag nicht entschlossen hat, dieses hervorragende Werk auch gebunden erscheinen zu lassen. Der Wert des Buches wird durch vereinzelte Druckfehler — zum Beispiel muß es auf S. 55, 2. Absatz, Zeile 4, richtig „voraus z u setzen“ heißen —, die sich trotz sorgfältigen Druckes eingeschlichen haben, in keiner Weise herabgesetzt.

Das zweite Jubiläumswerk ist etwas vollkommen Neues: eine Sammlung aller Judikate und Sprüche, die seit dem Bestände des OGH beschlossen wurden. Anders als im anglo-amerikanischen Rechtskreis binden nach österreichischem Recht Entscheidungen höherer Instanzen die Untergerichte nur im Einzelfall. Trotzdem soll aber ein Schwanken der Rechtsprechung verhindert und die Einheitlichkeit der Judikatur bewahrt werden. Diesen Widerspruch in der Verwertung der Vorentscheidungen erstmals in einer Monographie behandelt zu haben, ist das Verdienst W a h-1 e s, der seine tiefschürfende Arbeit allzu bescheiden „Vorwort“ nennt und damit das Werk einleitet. Am Schluß dieser Monographie sind die rechtlichen Grundlagen des Judikatenbuches und des Spruchrepertoriums wiedergegeben. Diese sind damit zum erstenmal im Wortlaut zusammengestellt. Die bisher erschienenen Ausgaben des ABGB (auch die nach dem Judikatenbuch erschienene 24. Auflage des Verlages Manz!) enthalten bei 12 lediglich den wesentlichen Inhalt dieser Vorschriften abgedruckt. — Seit dem Jahre 1872 — in diesem Jahr erhielten Judikatenbuch und Spruchrepertorium ihre heutige Gestalt, während das „alte Judikatenbuch“ auf das Jahr 1853 zurückgeht — werden Entscheidungen des OGH von grundsätzlicher Bedeutung auf Grund eines besonderen Beschlusses in das Spruchrepertorium eingetragen („Spruch“). Soll nun eine von dieser Rechtsansicht abweichende Entscheidung beschlossen werden, kann dies nur durch einen verstärkten Senat geschehen, der aus 15 Mitgliedern besteht Der Beschluß dieses verstärkten Senats (.Judikat“) über die zweifelhafte Rechtsfrage wird dann In das Judikatenbuch eingetragen, und von der im Judikat vertretenen Rechtsansicht darf nur mehr durch Beschluß eines verstärkten, aus 21 Mitgliedern zusammengesetzten Senats abgegangen werden. Die Bindung des OGH (nicht auch der übrigen Gerichte!) an seine Vorentscheidungen ist allerdings nur eine interne, daher sind auch unter Verletzung obiger Vorschriften gefällte Entscheidungen wirksam.

Diese besonders qualifizierten Entscheidungen des OGH enthält das Werk in vier Gruppen: Judikate und Sprüche, jeweils aus der Zeit der Monarchie und aus der Zeit der Republik. Judikate oder Sprüche, die nach der heutigen Rechtslage noch von Bedeutung sind, wurden mit ihrer Begründung wiedergegeben, während die durch die Rechtsentwicklung gegenstandslos gewordenen Ent nur mit ihrem Rechtssatz und der Fundstelle aufgenommen wurden. In einer schlichten Fußnote ist bei letzteren jeweils angegeben, durch .welche gesetzliche Bestimmung die Entscheidung überholt ist. Nur wer selbst im Entscheidungsteil einer Gesetzesausgabe mitgearbeitet hat, kann die Unsumme von Arbeit voll abschätzen, die in diesen bescheidenen Bemerkungen steckt. Außerdem haben sich die Bearbeiter, noch der Mühe unterzogen, alle in den abgedruckten Begründungen zitierten Gesetzesstellen, Judikatur- und Literaturhinweise auf eventuelle Fehler zu überprüfen und diese zu berichtigen. Der Praktiker ist also an Hand der beiden Indizes (Schlagwort- und Gesetzesstellenverzeichnis) imstande, durch einen Blick festzustellen, ob zu einer bestimmten Rechtsfrage ein Judikat oder ein Spruch vorliegt, während er sich bisher die einzelnen Judikate und Sprüche mühsam aus den verschiedenen Entscheidungssammlungen zusammensuchen mußte. Daraus ergibt sich die große Bedeutung dieses Werkes für die Praxis. Aber auch der Theoretiker wird es als unentbehrlichen Behelf dankbar begrüßen. Nicht so auf der Hand liegt die rechtshistorische Bedeutung des Buches durch die Aufnahme jener Entscheidungen, die durch Änderungen der Rechtslage gegenstandslos geworden sind. In dieser Richtung darf ein Hinweis genügen: oft und oft wurden Sprüche und Judikate deshalb gegenstandslos, well der Gesetzgeber sich jene Gedanken zu eigen gemacht hat, die die Judikatur des OGH entwickelt hat. — Der Verlag hat dem hervorragenden Werk, dessen Bedeutung für alle Juristenberufe nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, die entsprechend würdige Ausstattung gegeben.

Frömmigkeit des SOnders. Von Eva F i rk e 1. Ein Wegweiser zur Seele des modernen Menschen. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 1951, 188 Seiten, kart. S 18.—.

Fast gleichzeitig mit ihrem Buch: .Briefe an Bedrängte“ erscheint das in seinem Titel paradox klingende Buch „Frömmigkeit des Sünders“. Es richtet sich auch an Bedrängte, Suchende und Versuchte, aber hier kann die Sprache nicht so persönlich und unmittelbar Antwort auf die Fragen eines Menschen in Lebens-, Liebes- und Glaubensnot sein wie beim echten Brief. — Es handelt sich hier um angewendete Frömmigkeit, „angewendet von dem Menschen in der Welt. Dieser Mensch ist wenig traditionsgebunden, aber gesättigt mit eigenem Erleben, argwöhnisch gegenüber feierlichen Versprechungen und dankbar für das redliche Wort aus der Lebensmitte“. Dieses Wort wird hier ungescheut gesprochen von einer Psychotherapeutin, die zugleich Seelsorgerin ist, ehrlich bemüht, den Menschen aus seinen Minderwertigkeitsgefühlen und Verkrampfungen herauszuführen, aber immer vom Letzten her.

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