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Aufgebrochener Safe
Die Vereinigten Staaten von Amerika erreichten, was nicht einmal das Dritte Reich zu erzwingen vermochte. Die Schweiz mußte in den harten Verhandlungen mit den USA klein beigeben und in die Aufhebung des Bankgeheimnisses unter bestimmten Voraussetzungen einwilligen. Vor einem Jahr ungefähr hatte die Administration Nixon die Initiative zu Gesprächen mit Bern ergriffen. Anlaß dazu gab die Frage des gegenseitigen Rechtsbeistandes, und wieder einmal zeigte sich, daß die Gegenseitigkeit zwischen David und Goliath doch eine recht fragwürdige ist.
Auf alle Fälle hat Washington schnell erkannt, wo die schwache Stelle lag, und dann begann das gegenseitige Feilschen, das — selbstverständlich — mit der Niederlage des „Davids“ endete. Die Schweiz willigte ein, das Bankgeheimnis preiszugeben, wenn es sich darum handle, „organisierte Verbrechen“ oder „internationale Bandenführer“ zu ahnden.
Obwohl es sich formell um eine Lösung handelt, die im Interesse des Allgemeinwohls liegt, muß man sich vergegenwärtigen, welch große Überwindung diese Konzession wohl die schweizerischen Unterhändler (und noch mehr ihre Hintermänner) kostete. Das Bankgeheimnis ist schweizerische Staatsmaxime seit etwa einem Jahrhundert, und sie wurde von gewisser Seite entschiedener verteidigt als die „immerwährende Neutralität“. Gewisse Linkskreise haben zwar immer wieder gegen das „kapitalistische“ Bankgeheimnis Sturm gelaufen — bis zu jenem Augenblick, da sie selbst in der Regierung.■vertreten waren und somit erkennen mußten, welch ungeheure Vorteile dieses ominöse Bankgeheimnis brachte. Die Prosperität des Landes ist zu einem nicht unbedeutenden Teil die Folge dieser Maxime, und davon profitiert letzten Endes nicht nur der Großkapitalist, sondern auch der sogenannte „kleine Mann“.
Das Bankgeheimnis kam erstmals nach dem zweiten Weltkrieg ins weltweite Gerede, als die Alliierten Fluchtgelder von Nazigrößen in der Schweiz sicherstellen wollten. Damals aber konnte die Schweiz widerstehen, denn sie war wirtschaftlich stark, währenddem selbst die „Sieger“ des Weltkrieges reduziert waren. Nun aber hat sich das Blatt gewendet, und das Gesetz vom 8. November 1934, das über alle Wirren hinweg in Kraft geblieben war, ist nun durchlöchert worden. Noch vor kurzem, und vor allem anderen Staaten als den USA gegenüber, zeigte sich die Schweiz außerordentlich hart. Es gibt zum Beispiel einen Fall, da ein schweizerischer Rechtsanwalt in Israel einen israelischen Staatsbürger gegen die wirtschaftlichen Machenschaften eines anderen Israeli verteidigte, der unter Vergehen gegen die israelischen Devisenbestimmungen Geld in der Schweiz angelegt hatte. Der schweizerische Rechtsanwalt vermochte den Beweis für diese Machenschaften zu erbringen — und jetzt läuft gegen ihn ein schweizerisches Verfahren wegen „Wirtschaftsspionage“. Aus dieser Praxis heraus erstaunt denn das schweizerische Entgegenkommen gegenüber den USA ganz besonders. Wer wird — so fragt man sich — bestimmen, ob wirklich ein „organisiertes Verbrechen“ auf dem Spiel steht oder ob „internationale Bandenführer“ gesucht werden? Doch sicher jener Staat, in dem das Verfahren anhängig ist, also die USA Man befürchtet also, daß nun hier plötzlich „Verfahren“ konstruiert werden könnten, nur um Unterlagen über die Bankguthaben, die in der Schweiz angelegt sind, zu erhalten.
Das Nachgeben in der Frage des Bankgeheimnisses ist aber nur eines der vielen Indizien für ein amerikanisches Durchgreifen in wirtschaftlichen Belangen. Schon vor kurzem wurde diese US-Einmischung sichtbar, als die beiden großen schweizerischen chemischen Fabriken in Basel, CIBA und Geigy, sich fusionieren wollten. Hier, so sollte man annehmen, dürften nun aber die Amerikaner wirklich nichts dreinzureden haben. Wer so überlegte, sah an den Realitäten vorbei. Die USA argumentierten mit ihrem AntiTrust-Gesetz und stellten Bedingungen. CIBA und Geigy verhandelten recht intensiv mit dem amerikanischen Staatsamt — eine immerhin recht ungewohnte Konfrontation — und die Konsequenz war auch dort ein teilweises Nachgeben. Es gab sogar Fachleute, die behaupteten, alle
Vorteile des Zusammenschlusses der beiden Großunternehmungen seien durch die mit den USA getroffenen Abmachungen und Einschränkungen schließlich wieder zunichte gemacht worden.
Vor dem Hintergrund der Verhandlungen, die auf höherer, nämlich rein staatlicher Ebene geführt wurden, versteht man die privatwirtschaftliehe Kapitulation etwas besser. Wenn nicht einmal die schweizerische Regierung mehr althergebrachte Maximen hochzuhalten vermag, so ist dazu eine Privatindustrie, und mag sie noch so mächtig sein, noch viel weniger in der Lage. Die Amerikaner werden aber gut daran tun, diese Saite nicht zu überspannen. Bereits liebäugeln gewisse schweizerische Unternehmen im Blick auf das deutsch-sowjetische Abkommen mit einer gewaltigen Intensivierung des schweizerischen Geschäftes im Osten, das politisch gefahrlos geworden zu sein scheint. Da die Russen aber — nicht aus moralischer Rücksicht oder größerer Generosität, sondern ganz einfach aus wirtschaftlichem Zwang heraus — kulanter operieren, könnte sich eine gefährliche Verlagerung ergeben. Natürlich wissen auch die schweizerischen '■ Geschäftsleute um das Risiko, aber schon der Ausgleich der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West könnte für die USA verhängnisvolle Auswirkungen haben. An ihnen liegt es, ihre eigene Macht nicht zu mißbrauchen.
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