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Christof Neuner — Klagenfurt

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Wir hatten unlängst Gelegenheit, uns in Klagenfurt einen Musterbetrieb anzusehen, in welchem die Privatinitiative gediegenen alten Unternehmertums sich mit dem sozialen Gedanken der neueren Zeit auf das glücklichste vereinen.

Im Laufe der sowohl mit dem Chef als auch mit seinen Mitarbeitern geführten Gespräche kam der einmütige Wunsch zum Ausdruck, dem Betrieb zu dienen und ihm für die Aufwärtsentwicklung weitere Impulse zu verleihen.

Aus welchem Grunde die Zusammenarbeit in diesem Betriebe besonders gut ist, wird einem erst klar, wenn man einen Blick durch die Entwicklungsgeschichte des Unternehmens wirft, welche im Grunde genommen gleichzeitig ein Teil der Kärntner Wirtschaftsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts ist.

Im Jahre 1793 von dem aus Franken eingewanderten Christof Neuner als Riemerei gegründet, erkannte dessen strebsamer Sohn und Nachfolger schon bald den Vorteil der Verarbeitung selbsterzeugten Leders und gliederte seinem Betrieb eine eigene Gerberei an.

Diese erste Erweiterung des kleinen Handwerksbetriebes barg in sich schon eine weitere Möglichkeit auf dem Wege der wahrscheinlich nur 'gefühlsmäßig erstrebten Rationalisierung. Die qualitativ hochwertigen Riemer- und Sattlererzeugnisse fanden guten Absatz und wurden weit über die Grenzen Kärntens und Oesterreichs hinaus geschätzt und besonders in Italien und der Levante verkauft. Verschiedene Diplome und Anerkennungsschreiben, die heute die Wände der Büros zieren, zeugen von gediegenem fachlichem Können und gutem Ruf. Mit besonderem Stolz wird die Ehrung des Betriebes durch einen Besuch des Kaisers Franz Joseph im Jahre 1856 hervorgehoben. Zu diesem Zeitpunkt waren in dem noch immer rein handwerklich geführten Betrieb 50 Arbeiter und 50 Lehrlinge beschäftigt.

Entwicklungsgemäß trat im Laufe des ersten Weltkrieges eine gewisse Stagnation ein, da sich der Betrieb ausschließlich auf Heereslieferungen beschränken mußte.

Nach dem ersten Weltkrieg ergaben sich durch die Veränderungen der gesamten Wirtschaftsstruktur und vor allem durch die fortschreitende Motorisierung größere Absatzschwierigkeiten, welche den Betrieb in seinem Bestand zu erschüttern drohten.

In der richtigen Erkenntnis, daß die Schuherzeugung größere Chancen eröffnen würde, ging der noch heute tätige Chef Dr. Franz Neuner ab 1918 daran, eine weitgehende Umstellung seines Betriebes von Sattlerei- und Riemereierzeugnissen auf die Schuhfabrikation durchzuführen. Auch diese aus den damaligen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gezogene Konsequenz erwies sich als glücklich. In planvoller Arbeit konnte man sich von der anfänglichen Erzeugung von Holzsohlenschuhen, Sandalen und Filzschuhen schon nach kurzer Zeit auf die Erzeugung festen Schuhwerks umstellen. Es wurde vorwiegend einfachere, preisgünstige Ware erzeugt, da man als Abnehmer die breite Masse der Bevölkerung, in erster Linie wieder besonders die ländliche Bevölkerung, im Auge hatte.

Den in den dreißiger Jahren auftretenden Absatzschwierigkeiten begegnete man mit dem Ausbnu einer Verkaufsorennisation in zirka 180 Verkaufsstellen, die sich auf das gesamte Bundesgebiet verteilten. Kommt man im Verlauf einer Reise zu dem einen oder anderen dieser ehemaligen „Kommissionäre“, so staunt man, mit wieviel Dankbarkeit und Anhänglichkeit sich diese auch heute noch dem Betrieb Neuner verbunden fühlen, da ein großer Teil von ihnen durch die Initiative dieses Betriebes erst ihre Selbständigkeit erlangen konnte, ein anderer Teil sich erst betriebswirtschaftlich fest fundiert hat.

Die Tagesproduktionsziffern bewegten sich um diese Zeit an der 1000er Grenze und konnten bis zum Jahre 1938 auf 1300 bis 1500 Paare erhöht werden.

Der zweite Weltkrieg engte den Rahmen der Privatinitiative völlig ein, da durch die verschiedenen Bewirtschaftungsmaßnahmen auch in der Schuhindustrie ein gewisser Gleichschritt der Betriebe verlangt wurde.

Von ernstlichen Bombenschäden bewahrt, durch die südlichen Gäste im Jahre 1945 nur leicht getroffen, sah sich der Betrieb hingegen all den Schwierigkeiten gegenüber, .die uns aus dieser Zeit nur zu bekannt sind. Die Produktion wurde'jedoch dank der Lederlieferungen aus der Lederfabrik nach kurzer Zeit wieder aufgenommen und ging einer raschen Aufwärtsentwicklung zu.

Die Tätigkeit der leitenden Persönlichkeiten, Chef, seine beiden 'Sohne und Direktoren, die glückliche Wahl der Mitarbeiter und das arbeitsmäßige, soziale und kollegiale Zusammenwirken aller Kräfte des Betriebes ermöglichten die sich ergebenden Fortschritte. Die Produktion stieg sprunghaft:

Mai 1945 ...... 496 Paare

Oktober 1945 .... 761 Paare

31. Dezember 1946 . 765 Paare

31. Dezember 1947 . 885 Paare

31. Dezember 1948 . 1115 Paare

31. Dezember 1949 . 1570 Paare

31. Dezember 1950 . 1664 Paare

1. April 1951 . . . 1809 Paare

Jedoch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ und geschmacklich kann eine Fortentwicklung beobachtet werden. Während die Kollektionen der Jahre 1945, 1946, 1947 und zum Tei 1 auch noch 1948 vorwiegend feste Schuhe und Straßenschuhe umfaßten, nahmen die Kollektionen ab 1949 an Umfang und damit an Auswahlmöglichkeiten zu. Der „Neuner-Schuh“ ist ein ausgesprochener Markenschuh geworden.

Durch die Verlegung der Lederfabrik nach Lienz und deren Ausstattung nach den letzten Erfahrungen ist die Gewähr gegeben, daß die in der Schuhfabrik verarbeiteten Bodenledersorten, aber auch die schwereren Oberleder qualitativ erstrangig sind. Die in Klagenfurt vor kurzem errichtete Feinlederfabrik erzeugt neben Bekleidungsleder schon Futterleder und verschiedene andere leichtere Oberleders orten für Zwecke der Schuhfabrik.

Da aber ein Leitmotiv in der Firmengeschichte Christof Neuner lautet: „Stillstand ist Rückgang“, beabsichtigt man nicht nur das Bestehende auszubauen und zu festigen, sondern weiter nach vorwärts und nach oben zu streben, quantitativ und qualitativ die Rationalisierung voranzutreiben, sie auf ein Maximum zu bringen, wobei als oberste Grenze die Interessen und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter stehen.

Gerade die Interessen der Arbeiter finden weitestgehendes Verständnis. Es ist tatsächlich so, wie es der Chef des Unternehmens anläßlich einer vor kurzem stattgefundenen Betriebsfeier ausgedrückt hat: Die in den letzten 20 Jahren durchgemachte Wandlung eines großen Teiles der Unternehmerschaft zum sozialen Denken ist Tatsache geworden. Dies drückt sich aber auch durch die Tat aus: Gesellschaftliches Beisammensein, Gefolgschaftsausflüge und die vor einigen Wochen bekanntgegebene zusätzliche Kinderbeihilfe von 50 S pro Kind im Monat, wie auch die in der Wohnbaufrage angestrebte Lösung.

All diese Tatsachen werden mit dazu beitragen, daß die Firma ein Familienbetrieb im weitesten Sinne des Wortes wird, nämlich eine Familie aller in ihrem Rahmen beschäftigten Menschen.

Unsere Bilder zeigen: Oben: Arbeiter während der Atbeitspause im Hof des Betriebes Unten: Teilansicht der Stanzerei

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