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Von Dürrezeiten und Gletschervorstößen

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Die Mythen fast aller Kulturen beschreiben diesen Klimaumschwung. In der Bibel nennt man diese Zeit: Sintflut. Und nachdem Noah seine Arche mit seinen Tieren wieder ins Trockene gebrachte hatte, begann eine sehr fruchtbare Periode. „Kaiserwetter" motivierte zu Ackerbau, die damit verbundene Spezialisierung der Gesellschaft intensivierte den Handel, worauf Geld als Zahlungsmittel auftauchte.

Um 3000 v. Chr. gab es wieder eine verheerende Dürrezeit. Die Ägypter drängten sich zum Nil. In ihrer Not erfanden sie die Wassertechnik, mit der sie das Nilhochwasser bändigen konnten: Ein wichtiger Impuls zum Aufbau der ägyptischen Beamtenhierarchie.

Dem Untergang der Mykener ging ein Temperatursturz voraus. Durch die Verschiebung der Polarfronten kamen wegen der starken Mittelmeerwinde die Tiefdruckgebiete schon über Mitteleuropa zu stehen. Die Niederschläge führten im heutigen Ungarn zu katastrophalen Überschwemmungen. Südlich davon war nur mehr das lokale Klimasystem wirksam ... 1200 v. Chr. kam es in der Folge zu einer ungefähr 100 Jahre dauernden Trockenheit im Osten Griechenlands.

Von 300 bis 800 n. Chr. bestimmte eine Trockenperiode und ein Temperaturrückgang das Klima. Beide hatten auf Innerasien katastrophale Auswirkungen. Auf der über Jahrhunderte von Kamelkarawanen benutzten Seidenstraße kam der Verkehr zum Erliegen. Die Austrocknung der von Nomaden genutzten Weidefläche Zentralasiens war der Auslöser dafür, daß innerasiatische Völker in einer Art Kettenreaktion westwärts nach Europa vordrangen und letztlich das Römische Reich unterwanderten. Die Klimato-logen nennen diese Zeit: „Pessimum der Völkerwanderungszeit."

Zwischen 600 und 700 n. Chr. waren weite Gebiete zwischen Arabien und Nordafrika von einer Dürreperiode betroffen. In Arabien wurden Gebiete aufgegeben, in denen zuvor eine Versteppung der landwirtschaftlichen Nutzfläche durch ausgeklügelte Bewässerungssysteme verhindert werden konnte ...

Klimatisch aufschlußreich ist auch die „Landam-Saga", die um 1200 aufgezeichnet wurde. 865 unternahm der Norweger Floke Vilgerdson den Versuch, in Island eine Siedlung zu errichten. Bei seiner Landung fand er aber nur einen „Fjord voller Eis" vor und nannte die Insel „Island", was nichts anderes bedeutet als Eisland. Unverrichteter Dinge mußte er umkehren.

Kurze Zeit später, im Jahre 874, war die Landung Arnarsons in Grönland — was so viel heißt wie „grünes Land" -erfolgreich. Die Besiedelung von „Greenland" fiel in eine Phase rasch wärmer werdenden Klimas. Von 982 bis 1200 wurde in Grönland Landwirtschaft betrieben. Danach wurde es kälter. Ab 1351 war der Weg nach Island versperrt und um 1500 wurde die letzte Siedlung in Grönland aufgegeben. Aus heutiger klimatologischer Sicht müßten die beiden Inseln ihre Namen tauschen.

Diese Abkühlung hatte auch für Europa tragische Auswirkungen. Ab 1200 kühlte die Temperatur im Mittel wieder nur um ein Grad ab, aber ausreichend genug, um das „finstere Mittelalter" zu prägen. Die sozioökonomi-schen Folgen der „Kleinen Eiszeit" waren: Hungersnöte, Kriege und Krankheiten wie die Pest. Der von 1618 bis 1648 dauernde 30jährige Krieg etwa fiel in die Periode der großen europäischen Gletschervorstöße.

Die Menschheit war in ihrer Geschichte aber nicht nur „Opfer" von Klimaveränderungen, sondern auch „Täter". Ein gutes Beispiel dafür ist der gesamte Mittelmeerraum. Die Küstenbereiche waren früher so dicht bewaldet, daß der griechische Geograph Strabon 100 v. Chr. schrieb: „Ein Eichhörnchen kann durch die Baumwipfel von den Pyrenäen bis nach Gibraltar hüpfen, ohne daß es den Boden berühren muß." Die Wälder wurden aber durch den wirtschaftenden Menschen über Jahrhunderte gerodet.

Im Altertum wurden die Akazienwälder des Sinai für die Kupferverhüttung vernichtet, die Römer ruinierten die nordafrikanische Konikammer und hinterließen Wüste, die Spanier holzten ihre Hochflächenwälder für den Schiffsbau ab und verkarsteten ganze Regionen.

Danach war der Roden schutzlos der Erosion ausgeliefert. Wie heute war das Zusammenwirken mehrerer Faktoren an der Zerstörung der Wälder beteiligt: Bevölkerungsdruck, Kriege, Schiffsbau ließen dem Wald keine Chance. Bevölkerungsdruck in Kombination mit Vieh-, Schaf- und Ziegenhaltung, Brandrodung... machten das Wiederaufkommen der gerodeten Wälder unmöglich.

Der Autor ist

Koordinator für den Informationsdienst f. Entwkklungspolitik-R'limabündnis in Kärnten, sein Beitrag ein Auszug aus „Umwelterziehung" 1J97.

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