Galapagos,

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Steinig, unwirtlich, doch faszinierend schön

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Steinig, unwirtlich, doch faszinierend schön

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Das schrille, abgehackte "Ö - A, Ö - A"-Gebrüll der Seelöwenbullen ließ mich aus dem Schlaf hochfahren. Anscheinend waren zwei Bullen aneinander geraten.

Für Augenblicke war ich unfähig, meine örtliche Position einzuschätzen. Zu fremdartig war der enge Schlurf der Kabine, die sich noch dazu in einer permanenten Schaukelbewegung befand. Wir hatten gerade die erste Nacht an Bord der Lobo del Mar, einer mittelgroßen Motorjacht, die Platz für 16 Passagiere bot, verbracht. Mächtige Wolkenfetzen hingen tief herab und versprachen eher Regen als Sonnenschein.

Nach einem ausgiebigen Frühstück war eine trockene Landung auf Seymour angesagt, einer winzigen Insel im Zentrum des Galapagos Archipels. Das niedere Lavaplateau sorgte für unbeschwerliches Wandern und Beobachten. Die zur Trockenzeit blattlosen silbrigweißen Äste der Balsambäume dienten als Rendezvous- und Balzplätze für die Prachtfregattvögel. Im Nu waren die männlichen Vögel in der Lage, durch Vergrößerung ihres roten Kehlsackes ihre Attraktivität gegenüber den weiblichen Artgenossen um das X-fache zu steigern und den vorbeifliegenden Weibchen hiermit eindeutig die Paarungsbereitschaft zu signalisieren. Ihre Unbeholfenheit an Land kompensieren sie durch ihre kaum zu überbietenden Flugeigenschaften. Da sie, sehr häufig sogar, anderen Seevögeln die erbeuteten Fische in wilden Luftkämpfen abjagen, werden sie auch bezeichnenderweise Piraten der Lüfte genannt.

Die Furchtlosigkeit, mit der die Tiere dem Menschen begegnen, veranlasste uns, bewusster und mit mehr Sorgfalt einen Fuß vor den anderen zu setzen, denn überall, zum Teil sogar direkt auf dem Trail befanden sich Nest- und Brutplätze der Blaufußtölpel. Vom Balzritual angefangen, über Liebesakt bis zur Aufzucht der Brut, einfach alles hat diese zirka zwei Quadratkilometer umfassende Insel zu bieten.

Rund 60 Inseln sind dem Inselverband zuzuordnen, der als isolierter Teil Ecuadors, etwa l.000 Kilometer westlich des südamerikanischen Festlandes auf der Höhe des Äquators liegt und über eine Landfläche verfügt, die ungefähr der Größe des Bundeslandes Salzburg entspricht.

Trotz der Dominanz von Schildvulkanen, deren Enstehung in direktem Zusammenhang mit dem Ausfließen von Pahoehoe Lava, also dünnflüssiger Gesteinsschmelze zu verstehen ist, sorgen unter anderem Tuff- und Schlackenkegel sowie weiträumige Calderen auf manchen Inseln, wie beispielsweise auf Bartolome, für abwechslungsreiche Landschaftsformen.

Vom höchsten Punkt dieses Eilandes wird einem ein umwerfendes Panorama zuteil. An der schmalen Landzunge, die gegen Westen führt, scheint der gewaltige Pinnacle Rock als Wächter, der ihm zu Füßen liegenden Sandbucht zu fungieren. Nur durch einen kleinen Meeresarm getrennt, erkennt man im Hintergrund die in unterschiedlichsten Brauntönen in Küstennähe befindlichen Schlackenkegel Santiagos.

Nachdem wir den an der schmalsten Stelle der Halbinsel befindlichen Mangrovenwald durchquert hatten, empfanden wir es als Genuss, im weichen Sand zu spazieren. Sanftansteigende Dünen begrenzten den Strand landeinwärts, in die Strandwinden reizvoll grüne Muster gelegt hatten.

Weiter westwärts, wo der Sand von schwarzen Lavaplatten abgelöst wurde, hatten es die grellroten Klippenkrabben sehr eilig. Tolle Farbkontraste lieferten die weißgrauen Tiquilias, die in den Geröllhängen sich als Pionierpflanzen angesiedelt hatten. In den eher felsigen Abschnitten der Insel sorgten hingegen Lavakakteen für die örtliche Belebung dieser Mondlandschaft. Mit dem Jahr 1535, als Tomas de Berlanga, damaliger Bischof von Panama, auf seiner Schiffreise nach Peru den Archipel entdeckte, beginnt die bewegte Geschichte der "Arche Noah" im Pazifischen Ozean.

Über zwei Jahrhunderte dienten die seinerzeit in der Weite des Weltmeeres schwer auffindbaren Landflecke, Piraten, Freibeutern und Walfängern als Versteck und Versorgungsplatz. Als besonders begehrte Fangobjekte galten die Riesenschildkröten, die lebend in den Schiffsbäuchen verstaut und erst bei Bedarf geschlachtet wurden. Die anfängliche Dezimierung kam sehr bald auf vielen Inseln einer Ausrottung gleich, so dass man heute durch Aufzucht in Reservaten und späterem Aussetzen in heimatlichen Gefilden dieser Entwicklung sehr erfolgreich entgegenwirkt.

Die 1964 in Puerto Ayora auf Santa Cruz gegründete Charles-Darwin- Forschungsstation verweist unter anderem wohl auf den prominentesten Besucher, der die Studien und Erkenntnisse seines fünfwöchigen Aufenthaltes zur Basis für sein 1859 erschienes Werk "Über den Ursprung der Arten durch natürliche Auslese" werden ließ.

Der Landausflug auf Espanola zählte sicherlich zu den Höhepunkten unserer Kreuzfahrt. Riesige rote Meerechsen belagerten die schwarzen Basaltblöcke an der Küste oder lagen regungslos im hellen Sand. Am Rande des Kliffs drangen wir, ohne dass wir in irgendeiner Weise zur Kenntnis genommen wurden, in die Brutplätze einer Kolonie von Maskentölpel ein, der größten hier vorkommenden Tölpelart. Ihre dunklen Flügeldecken und die weiß-schwarze Gesichtsmaske sorgen für deutliche Unterscheidungsmerkmale anderen Artgenossen gegenüber. Hoch über uns zogen Albatrosse, mit Spannweiten bis über zwei Meter, ihre Kreise.

Weißer Kies und türkisfarbenes klares Wasser luden in der Gardener Bay im Nordosten der Insel zum Schwimmen ein. Wassertemperaturen um die 20 Grad sorgten für ein eher erfrischendes Bad. Ein paar Schnorchelgänge bei den kleinen Felsen am Rand der Bucht waren angesagt. Wie ein Mega-Erlebnis in Kürze in Panik umschlagen kann, sollten wir hier erfahren. Wie bei einem Granateinschlag war uns zumute, als eineinhalb Meter neben uns plötzlich ein Seelöwenbulle die Wasseroberfläche durchschnitt. Zutiefst erschrocken von dieser unerwarteten Begegnung, drehten wir raschest ab und schwammen zum sicheren Strand zurück. Auf Plaza Sur, auf unserem letzten Inseltrip, war es endlich so weit: Die Symbole des Archipels, die Landleguane lagen träge vor uns auf einem, von in der Trockenzeit rotgefärbten Sesuvien, bedeckten Lavaplateau. Welch ein Anblick! Der stachelige Nacken, dessen Fortsetzung der wuchtige Rückenkamm bildet und die kräftigen Klauen lassen trotz problemloser Annäherungen etwas Bedrohliches von diesen Reptilien ausgehen.

Zirka 90 Prozent der Landflächen sind seit 1959 dem Nationalpark zugeordnet. Mit 60.000 Gästen im vergangenen Jahr scheint eine Auslastung höchsten Ausmaßes bereits erreicht zu sein. Da man auch in Zukunft eher mit dem "Sanften Tourismus" liebäugelt, möchte man zusätzliche 5-Sterne-Hotels, die den "Stopovertourismus" anheizen, verhindern.

Sicherlich wird es weiterhin auch an der strikten Einhaltung der strengen Nationalparkregeln gelegen sein und somit schließlich an jedem einzelnen Besucher, wie lange der Archipel seine heutige Einzigartigkeit noch beibehalten wird können.

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