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Von der Regierung kurz gehalten, von der Werbung verhöhnt: Wie Österreich mit seinen Alten umgeht.

Alfred Gusenbauer ließ sich die Chance nicht entgehen. Publikumswirksam präsentierte der SP-Vorsitzende den Pensionsbescheid seiner Mutter der Öffentlichkeit. Die ehemalige Putzfrau erhält heuer 325,36 Euro Pension. Im vergangenen Jahr sind es noch 327,38 Euro gewesen. Verantwortlich für das Minus sind einerseits der Wegfall des Wertausgleichs, andererseits die Erhöhung der Krankenkassenbeiträge und die Einführung einer verpflichtenden Freizeitunfallversicherung. Diese Änderungen führten zu einem geringeren Nettobezug bei vielen österreichischen Pensionisten.

Um die Senioren zu besänftigen, kamen die wahlkämpfenden Landeshauptleute von Kärnten und Salzburg auf die Idee, die Pensionsminderungen mit Mitteln aus den Landesbudgets "abzufedern". Vergangene Woche zog schließlich die Regierung nach und gewährte den Beziehern von Pensionen bis 780 Euro eine Extrazahlung in Höhe von 0,6 Prozent. Dieses Zubrot ist freilich nur für heuer garantiert. Für nächstes Jahr gibt es bloß Versprechungen. Und auch in zukünftige Pensionserhöhungen werden Einmalzahlungen und Wertausgleiche nicht einbezogen.

Fürsorge statt Recht

Die Opposition spricht von Demontage des Sozialstaates und Almosenpolitik. Aber auch der Sozialexperte und frühere Generalsekretär der ÖVP, Herbert Kohlmaier, äußert sich kritisch zur Regierungspolitik: "Der so genannte Wertausgleich bedeutet ein Verlassen der Pensionsdynamik, also der dauerhaften Wertsicherung von Sozialleistungen. An ihre Stelle tritt eine Kannbestimmung, die der Sozialminister nach Gutdünken anwenden kann oder auch nicht." Die Pensionisten würden damit zu Empfängern einer Fürsorgezahlung ohne dauernden Rechtsanspruch. "Damit wird das Versicherungsprinzip verlassen." Für Kohlmaier eine verfassungswidrige Vorgangsweise der Regierung.

Dass die Regierung den Rotstift auch bei der älteren Generation ansetzt, haben die Senioren schon an den mageren Pensionsanpassungen der letzten Jahre gemerkt. Viele sind aber nicht nur über den ihnen abverlangten Beitrag zu den Sparmaßnahmen erbost, sondern auch über die Art, wie das Pensionsthema in der Öffentlichkeit diskutiert wird. "Wir haben es satt, immer wieder als diejenigen dargestellt zu werden, die das Geld verjubeln", ärgert sich Alfred Zupancic, SP-Pensionistenvertreter und Geschäftsführender Vizepräsident des Österreichischen Seniorenrates. "Spricht man über die Pensionen, wird vor allem Katastrophenstimmung verbreitet. Implizit wird oft der Eindruck vermittelt, dass die Alten die Jungen arm fressen." Auch die Art, wie die Lebenswirklichkeit von alten Menschen in der Werbung dargestellt wird, stört den sozialdemokratischen Seniorenvertreter.

Zerrbilder in der Werbung

"Werbedarstellungen vermitteln in der Regel ein Zerrbild von der älteren Generation", bestätigt Floorte Schilling. Die Wirtschaftspsychologin arbeitet bei der Werbeagentur "Senioragency" und hat dazu viele Beispiele untersucht. Zwei Varianten der Verzerrung seien besonders häufig, weiß Schilling: "Zum einen werden alte Menschen pseudojung zurecht gemacht." So wirbt beispielsweise eine große Versicherung für ihr Pensionsvorsorgeprodukt mit einer älteren Dame, die mit wehender Mähne ein knallgelbes Sportcoupé steuert. "Die andere Variante ist die grelle Karikatur." Als Beispiel dafür führt Schilling den Werbespot einer großen österreichischen Bank für ein Pensionsvorsorgeprodukt an. Präsentiert wird eine üppige junge Witwe im knappsitzenden Kostüm, die im Büro eines Notars auf die Verlesung des Testaments ihres verstorbenen Mannes wartet. Der war nicht nur wesentlich älter als seine Gattin, sondern auch noch hinterhältig: Der Verblichene hat nämlich sein Vermögen nicht der Frau, sondern seinem Kater vermacht. "Hier finden sich alte Männer als lüsterne, boshafte Tattergreise wieder", analysiert Schilling.

In den meisten dieser Werbedarstellungen wird Alter vor allem als Gegensatz für eine schönere Jugend vorgeführt. Glaubwürdig sei das alles nicht, meint die Psychologin. "Solche Darstellungen sind plump gemacht und durchsichtig. Wir wissen aus Befragungen, dass sowohl alte als auch junge Betrachter davon abgestoßen werden." Sie vermutet, dass der Grund für diese realitätsfremden Darstellungen in der Altersstruktur der Mitarbeiter von Werbeagenturen liegt: "Die meisten, die dort arbeiten, sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Sie wollen und können auch nicht verstehen, wie Ältere denken und reagieren." Noch immer gelte in der Werbebranche das Gesetz, dass nur die Zielgruppe der Jungen als Trendsetter und Trendverstärker zu gebrauchen seien. Ein Trugschluss, denn mittlerweile ist jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre. Und gerade die Altersgruppe der über 50-Jährigen verfügt im Durchschnitt über ein hohes Einkommen. Zudem sind die heutigen Senioren keineswegs Konsummuffel: "Ein großer Teil der Menschen über 50 ist in der Zeit des Wirtschaftswunders aufgewachsen. Das sind Konsumprofis, denen man nichts vormachen kann", ist sich Schilling sicher.

Diskriminierte Alte

Wollen konsumfreudige Senioren eine Auslandsreise unternehmen, bekommen sie es mit einer anderen Art von Altersdiskriminierung zu tun. Da die österreichischen Sozialversicherungen nur mit wenigen Staaten Abkommen über eine Behandlung abgeschlossen haben, schließen Auslandsurlauber in der Regel eine Auslandsreise-Krankenversicherung ab. Eine Möglichkeit ist der "Ergänzungstarif", der pro Monat bei 4,50 Euro liegt. Den gibt es aber nur bis zum Alter von 65 Jahren. Wer älter ist und trotzdem ins Ausland reisen will, muss den wesentlich teureren Tagestarif wählen. Hier macht die Prämie pro Monat bereits 42 Euro aus. Ist jemand über 70 Jahre alt, erhöht sich Prämie noch einmal auf beachtliche 126 Euro.

Auch die immer wieder ins Treffen geführte politische Macht der Pensionisten erweist sich bei genauerer Betrachtung als zumindest eingeschränkt. Zwar werden die Senioren unmittelbar vor Wahlen von den Parteien umschwärmt und mit Pensionsgarantieerklärungen beruhigt - stellen sie doch rund 30 Prozent der Wahlberechtigten. Doch nach geschlagener Wahlschlacht sind die Versprechungen meist vergessen. Wenn es darum geht, im politischen Tagesgeschäft zu punkten, dann haben die Älteren eindeutig die schlechteren Karten. Sie sind nämlich in "entscheidungsrelevanten Ebenen, in Gemeinderäten, Landtagen, im Nationalrat und bei gesetzgebenden Körperschaften deutlich unterrepräsentiert", wie die Stellvertretende Obfrau des ÖVP-Seniorenbundes, Marilies Flemming, erklärt. "Bei Landtags- und Nationalratswahlen sind fast keine älteren Kandidaten an wählbarer Stelle gereiht", moniert auch Alfred Zupancic. "Nur auf Gemeindeebene gibt es ein paar Mandatare und Bürgermeister im Seniorenalter."

Wählbare Senioren

Die beiden Pensionistenvertreter sind sich darin einig, dass ein Verbot der Diskriminierung auf Grund des Alters in der Verfassung verankert werden muss. Marilies Flemming tritt darüber hinaus für die Schaffung von Seniorenbeiräten auf Landes- und Gemeindeebene ein. Diese sollen bei allen Angelegenheiten, welche Senioren betreffen, als Experten angehört werden. Außerdem sollen sie auch das Recht haben, Anträge an die Landtage und Gemeinderäte zu stellen. Zupancic wiederum verlangt, dass die Alterssicherung in Form des Umlagesystems in der Verfassung festgeschrieben wird.

Die Chancen, dass dieser Vorschlag bald umgesetzt wird, stehen freilich eher ungünstig. Denn es gibt derzeit wenig Interesse, die Älteren an den Entscheidungsprozessen mitwirken zu lassen. Erkennbar ist das nicht zuletzt an der Zahl der Seniorenvertreter im Österreich-Konvent: null.

Der Autor ist freier Publizist.

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