Strukturwandel in der Landwirtschaft: „Die einen müssen gehen, damit die anderen wachsen können“
Große Betriebe sind anfälliger in Krisenzeiten, sagt der Agrarökonom Jochen Kantelhardt. Aber auch kleinere Betriebe müssen auf den Fortschritt reagieren. Über qualitative Expansion und die Grenzen beim Naturschutz.
Große Betriebe sind anfälliger in Krisenzeiten, sagt der Agrarökonom Jochen Kantelhardt. Aber auch kleinere Betriebe müssen auf den Fortschritt reagieren. Über qualitative Expansion und die Grenzen beim Naturschutz.
Jochen Kantelhardt ist Professor für Agrarökonomie an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) und Leiter des Instituts für Agrarökonomie und Forstwirtschaft. Er beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie landwirtschaftliche Betriebe Umweltleistungen umsetzen können und wie das die Entwicklung im ländlichen Raum beeinflusst.
DIE FURCHE: Was versteht man unter dem Begriff Agrarstrukturwandel?
Jochen Kantelhardt: Der Begriff bezieht sich auf das Größenwachstum landwirtschaftlicher Betriebe. Diese können, da die Fläche ja nicht vermehrbar ist, flächenbezogen nur wachsen, wenn andere Betriebe Fläche abgeben bzw. die Bewirtschaftung einstellen. Infolge des Strukturwandels sehen wir also eine abnehmende Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe, wobei die verbleibenden immer größer werden.
DIE FURCHE: Bedeutet das, kleine Betriebe sind wirtschaftlich immer im Nachteil?
Kantelhardt: Nicht unbedingt, große Betriebe sind anfälliger in Krisenzeiten. Das hängt damit zusammen, dass sie sehr stark fremdfinanziert sind und mit externen Arbeitskräften arbeiten. Wenn im Zuge einer Krise Fremdarbeitskräfte nicht mehr bezahlt und Kredite nicht mehr bedient werden können, entstehen gerade bei solchen Betrieben Liquiditätsengpässe, die zur Insolvenz führen können. Kleinere, für Österreich sehr typische, Familienbetriebe überstehen Krisen meist besser. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass es kleinere Betriebe aufgrund der Größeneffekte oft wirtschaftlich schwerer haben.
DIE FURCHE: Warum findet Strukturwandel statt?
Kantelhardt: Als Hauptgrund sehe ich den technologischen Fortschritt. Wenn Technologie eine effizientere Bewirtschaftung zulässt, dann führt das dazu, dass Betriebe, die in Technologie investieren, kostengünstiger produzieren können. So sinken die Preise, bei denen kleine Betriebe nicht mithalten können.
DIE FURCHE: Bedeutet das, dass es für Landwirte und -wirtinnen keinen anderen Weg gibt, als größer zu werden, wenn sie ihren Betrieb erhalten wollen?
Kantelhardt: Grundsätzlich kann sich ein einzelner Landwirt oder auch die Landwirtschaft eines Landes der geschilderten Entwicklung nicht entziehen. Technischer Fortschritt und Strukturwandel finden statt, und es gilt, darauf zu reagieren. Man kann aber versuchen, qualitativ zu wachsen, indem man zum Beispiel eine Direktvermarktung etabliert oder weitere Verarbeitungsschritte am Betrieb übernimmt.
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