Resozialisierung - © Foto: iStock/vgaji

Vom Recht auf eine Zweite Chance nach einer Haft

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Mehrere Gefängnisausbrüche brachten der Justiz zuletzt Kritik ein und warfen die Frage auf, ob straffällig gewordene Menschen je reintegriert werden können. Projekte aus Österreich und den USA zeigen, was nach der Haft oft fehlt

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Mehrere Gefängnisausbrüche brachten der Justiz zuletzt Kritik ein und warfen die Frage auf, ob straffällig gewordene Menschen je reintegriert werden können. Projekte aus Österreich und den USA zeigen, was nach der Haft oft fehlt

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Eingeschlagene Fensterscheiben. Glassplitter auf der Straße. Quietschende Autoreifen. An einem Montagmorgen kauern düstere Gestalten an einer Bushaltestelle in Chicago, erst ein paar Tage zuvor gab es hier eine Schießerei. Lawndale ist ein übles Viertel, doch es gibt einen Lichtblick: die „Farm on Ogden“. Sie ermöglicht straffällig gewordenen Menschen eine grüne Jobperspektive. In Begleitung von sozial-pädagogischen Maßnahmen werden sie hier wieder arbeitsfit und finden in weiterer Folge feste Anstellungen im landwirtschaftlichen Bereich oder Ähnlichem. Kurz: Sie werden „resozialisiert“.

Nach Abschluss eines Jobtrainings haben sie abseits der Kriminalität viel vorzuweisen, können wieder positiv über sich selbst reden, erhalten Referenzen für Bewerbungsverfahren. „Das ist keine Selbstverständlichkeit“, meint Jordan, der Sales-Manager der Farm.

Mit Gefühlen umgehen lernen

Der Weg hinaus aus der Kriminalität ist weder in Amerika noch in Österreich einfach. Art und Ausmaß der Straftat und der persönliche Hintergrund spielen jeweils eine große Rolle. Hierzulande sind Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft unter allen Häftlingen deutlich überrepräsentiert. 2022 waren sie außerdem auch mehr als doppelt so oft arbeitslos wie Menschen mit österreichischem Pass.

Abseits von den strukturellen und sozialen Schieflagen führen aber oft auch Süchte zu kriminellen Handlungen: Spiel- und Einkaufssüchte, die das eigene Budget übersteigen, oder die Abhängigkeiten von illegalen Substanzen (Stichwort: Beschaffungskriminalität). Dazu kommen unterschiedliche Lebensphasen: In der Pubertät etwa werden Grenzen ausgetestet, es wird um die Anerkennung in Gruppen gerungen. Fehler passieren schnell einmal. Gruppenkriminalität und Verurteilungen können die Folge sein. „Oft handelt es sich hierbei um Personen, die weder beschäftigt sind noch positive Vorbilder in ihrem Umfeld haben.

Das heißt, sie leben oft sozial isoliert und kämpfen um Anerkennung“, erklärt Nikolaus Tsekas, der die Einrichtung Wien 1 beim Verein Neustart leitet. Der Verein bietet breit gefächerte Haftentlassenenhilfe, denn nach einer Haft stehen die meisten völlig allein und beinahe mittellos da: ohne Familie, Freunde, Arbeit, Geld oder Wohnung. Betreut werden Menschen, die nicht vorzeitig aus einer Haft entlassen wurden und ihre Freiheitsstrafe vollständig verbüßt haben. 93 Prozent von ihnen sind Männer, die im Schnitt neunfach vorbestraft sind und bereits mehrmals in Haft waren.

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