Regen  - © Illustration: Rainer Messerklinger

„Online-Selbsthilfe“ für junge Männer: Verlorene Helden

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Ausgehend von den USA boomt die „Online-Selbsthilfe“, die sich vor allem an junge Männer auf Sinnsuche richtet. Die multiplen Krisen der Gegenwart begünstigen das Phänomen. Eine Betrachtung.

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Ausgehend von den USA boomt die „Online-Selbsthilfe“, die sich vor allem an junge Männer auf Sinnsuche richtet. Die multiplen Krisen der Gegenwart begünstigen das Phänomen. Eine Betrachtung.

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„Räum dein Zimmer auf!“ Das ist nicht das Kommando verärgerter Eltern an einen trotzigen Teenager. Das ist vielmehr der erste Schritt, um Sinn im Leben zu finden. Zumindest laut dem kanadischen Psychologieprofessor, Autor und Podcaster Jordan B. Peterson. Millionen von jungen Männern fühlen sich durch solche Aufforderungen inspiriert, kaufen seine Bücher und hören seine Vorträge. Unter anderem empfiehlt der Psychologe in seinem fünf Millionen Mal verkauften Buch „12 Regeln fürs Leben“: „Steh aufrecht und mach deine Schultern breit“, „Behandle dich wie jemanden, für dessen Fürsorge du verantwortlich bist“ oder „Läuft dir eine Katze über den Weg, dann streichle sie“. Seine psychologischen Botschaften über Sinn, Glück und Leid vermittelt der 60-Jährige anhand biblischer Bilder. Sein erfolgreichstes Video mit über elf Millionen Aufrufen ist die über 2,5 Stunden lange „Einführung in die Idee Gottes“

Jahre der Identitätssuche

Petersons Erfolg ist der Zeit geschuldet. Durch den schnellen gesellschaftlichen Wandel der letzten Jahrzehnte und die multiplen Krisen leben viele junge Menschen in Unsicherheit, Zukunftsangst und ohne Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, wie etwa Philipp Leeb vom ös terreichischen Dachverband für Männer-, Burschen- und Väterarbeit erklärt. Aber auch abseits von Krieg, Corona und Klimakrise seien „Jugendjahre immer eine Zeit des Zweifelns und der Identitätssuche.“ Dazu kämen Social Media und die Transformation des Arbeitsmarktes: „Da sind manche überfordert und haben Fragen“, meint der Experte.

Jordan B. Peterson gibt auf all diese Fragen einfache, kantige Antworten. Einst an Universitäten geschätzt, ist der Psychologe heute freilich überaus umstritten: Der Journalist Mick Brown bezeichnet ihn im britischen Telegraph als „polarisierendste Figur im Kulturkrieg zwischen links und rechts“; Nellie Bowles nennt ihn in der New York Times einen „reaktionären Anführer der Kulturkrieger“; und die Journalistin Susanne Kaiser hält Peterson für „das wohl bekannteste Gesicht der männlichen Suprematisten“. Klar ist, so der Salzburger Theologe, Philosoph und USA-Kenner Andreas G. Weiß, dass sich Peterson „gegen Woke-Tendenzen und feministische Anliegen stellt“ und solcherart um die Gunst junger, weißer „aussichtsloser Christen“ buhlt. Was er ihnen im Kampf gegen linke Identitätspolitik und die LGBTQ-Bewegung anbietet, wirkt nach Ansicht des Economist so, „als sei der Heilige Augustinus als Lebensberater wiedergeboren worden“.

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