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Das wertlose Veto

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„Ich habe ein längeres Gespräch mit Außenminister Medici zum Thema Südtirol geführt“, erklärte Österreichs Außenminister am Samstag bei seiner Rückkehr aus New York. Über den genauen Inhalt seines Gespräches und den der diversen Konferenzen der Experten in New York wollte er sich dagegen nicht äußern.

In einem zeigt man sich jedoch, wenn auch mit Grenzen, auf österreichischer Seite enttäuscht, nämlich, daß das Veto bei der EWG, das von Außenminister Fanfani im Jahre

1967 vorgebracht wurde, bisher nicht zurückgezogen wurde, obwohl der heurige Sommer praktisch attentatsfrei verlief und Österreich sich eindeutig zu einer Politik der Gewaltlosigkeit bekannt hat.

In Rom hat man, wie man in Kreisen des Außenamtes meint, für die Beibehaltung des Vetos derzeit noch seine Gründe, so glaubt man durch das Veto eine bessere Verhandlungsposä- tion und weitere Zugeständnisse Österreichs erreichen zu können und man fürchtet, daß die Terroranschläge nach Aufhebung des Vetos wiederaufgenommen werden könnten.

Der wesentlichste Punkt aber, daß das Veto in Brüssel von Italien nicht zurückgezogen wurde, dürfte darin zu suchen sein, daß man in Italien die derzeitige politische Lage in Mitteleuropa so labil einsohätzt, daß man glaubt, im Falle einer Aufnahme österreichischer Verhandlungen mit der EWG könnte es zu einem neuen Krisenherd in Mitteleuropa kommen. Prominente Persönlichkeiten Italiens dazu: „Es braucht gar nicht zu einer bewaffneten Intervention kommen, man stelle Sich nur vor, wenn Österreich vom Ostblock ähnlich wie die deutsche Bundesre-publik behandelt würde.“

Tatsache bleibt es jedoch, daß das Italienische Veto praktisch für Österreich kaum mehr Bedeutung hat. Denn in Rom weiß man sehr wohl, daß die Italiener ihre Europapolitik bereits derart junktimiert haben, daß Verhandlungen mit weiteren Staaten der EFTA über eine Zusammenarbeit mit der EWG erst dann vom italienischen Außenministerium in Brüssel befürwortet werden, wenn die Causa England in irgendeiner Form positiv abgeschlossen ist.

Auch ist man sich in Rom darüber klar, daß Frankreich zwar derzeit Österreich gegenüber immer recht unverbindlich positive Erklärungen abgibt, im Grunde genommen aber froh ist, daß es, da das italienische Veto besteht, nicht gezwungen wird, in der österreichischen Frage eine gewissermaßen „englische Haltung“ einzunehmen.

So gesehen, schätzt man realistisch genug das Veto eben nur noch als Verhandlungsdruckmittel gegenüber Österreich ein. Auch in konservativen römischen Kreisen glaubt man trotz der optimistischen Haltung der beiden Regierungen in Wien und Rom kaum an eine Lösung des Südtirolproblems durch das Democri- stiani-Kabinett Leone. Denn mit dem vom 23. bis 26. Oktober abgehaltenen sozialistischen Parteitag ist praktisch die Endphase dieses Kabinetts gekommen. Schon am 11. November soll die Regierung Leone zurücktreten.

Eines gilt als sicher, das nächste Kabinett wird ein Kabinett „centro- sinistro“ sein, dem ein Democri- stiand als Ministerpräsident vorsitzt. Ob es Rumor, derzeit Generalsekretär der DC, oder der ehemalige Ministerpräsident Aldo Moro ist, bleibt dabei eigentlich gleich, denn sowohl Rumor wie auch Moro gelten in der Südtirolfrage schon jetzt als sehr abschlußwillig, wobei dieser Trend bei Rumor sogar noch stärker aus einzelnen Erklärungen jüngeren Datums hervorgeht.

Der drittstärkste Mann bei den Democristiani, Exaußenminister Fanfani aber, dessen Abschiußwillig- keit in der Sache Südtirol sehr gering wäre, ist derzeit als Senatspräsident kaum in der Lage, Akzente in diesem Problem zu setzen, um so mehr, als er sich bis 1971 als Staatspräsident aufbauen möchte.

Die Frage ist nur, wie die in dem centro-sinistro-Kabinett beteiligten Sozialisten in der Frage Südtirol entscheiden werden, denn ihnen würden Schwierigkeiten in der Frage des sogenannten „ethnischen Proporzes“ für die Wähler in der Provinz Bozen bei einer Verabschiedung des Paketes entstehen.

Während man sich in italienischen Kreisen nach wie vor, was die „Absicherung“ oder „Verankerung“ des Paktes betrifft, darauf beruft, daß eine Regelung in Südtirol eine autonome Maßnahme wäre, da das Gru- ber-de-Gasperi-Abkommen ohnehin von Seiten Italiens bereits eingehalten werde, besteht man in Österreich nach wie vor auf der Haltung, daß das sogenannte Paket international abgesichert werden müsse.

Aus dieser Sackgasse glauben nunmehr die juristischen Experten bei den Besprechungen den Ausweg gefunden zu haben, in dem man „durch eine reine einseitige Rechtsakte in bestimmter Reihenfolge den Inhalt des Pakets absiohem könnte“. Um die 14 derartigen Rechtsakte geht es im sogenannten Operationskalender, der vom Expertenkomitee jetzt verhandelt wird.

Hier sind allerdings erst jüngst neue Schwierigkeiten, die zum Regierungswechsel in Italien noch dazukommen, durch eine Tatsache eingetreten, die mit einer Südtirolpolitik eines der beiden Länder nichts zu tun haben. Der in dieser Expertenkommission neben dem italienischen Botschafter Gaja federführende Botschafter Toscano ist unerwartet verstorben. Damit steht das österreichische Team unter Botschafter Dr. Haiisar, Legationsrat Dr. Tscho- fen und dem Tiroler Landesamtsdirektor Dr. Katrein einem italienischen „One-Man-Team“ gegenüber, dem erst durch die Regierung ein neuer zweiter Mann ernannt werden muß.

Trotz derartiger Schwierigkeiten, zu denen noch die Landtagswahlen in Südtirol als zusätzliches Hindernis für einen Abschluß im Jahre 1968 hinzukommen dürften, bleibt in Rom derzeit jedoch ebenso wie in Wien die Tendenz: ..Abschlußwillig, aber nicht kapitulationswillig“ in der Südtirolfrage bestehen.

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