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Die zweitgrößte Zuwachsrate

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Während der gleichen Jahre wuchs nicht nur die Gesamtbevölkerung Indiens sprunghaft um 21,5 Prozent an, auch die verschiedenen Religionsgemeinschaften des Landes verzeichneten einen überraschenden Zuwachs, der besonders für den Buddhismus als geradezu phänomenal zu bezeichnen ist. Um 1951 zählten seine Anhänger noch 181.000. Der letzte Zensus von 1961 weist dagegen eine Zahl von 3,25 Millionen auf, was einen Zuwachs von mehr als 1500 Prozent bedeutet. Dieser gewaltige Anstieg kam hauptsächlich durch Massenbekehrungen aus den niederen Kasten unter der Leitung des inzwischen verstorbenen Doktor Ambedkar zustande, der sich durch die Loslösung vom Hinduismus als Protest gegen die Ungerechtigkeit des Kastenwesens eine wesentliche Besserung der Lage dieser Gruppen erhoffte. Der Hauptanteil von den 2,8 Millionen dieser Massenbewegung entfällt auf den Unionstaat Maharashtra mit der Hauptstadt Bombay. Seltsamerweise erhob von Seiten der Hindus niemand Einspruch gegen diese Bekehrung in großem Stil.. Der Grund hierfür dürfte wohl darin zu suchen sein, daß der Buddhismus als bodenständige Religion gilt und als Zweigreligion des Hinduismus betrachtet wird.

Nach denselben Zensusangaben folgen nach dem Buddhismus die

Christen mit der zweitgrößten Zuwachsrate von 27,4 Prozent. Ihre Zahl stieg von 8,382 Millionen auf 10,726 Millionen, von denen 6,26 Millionen auf den Katholizismus entfallen, während der Rest sich auf die verschiedenen protestantischen Denominationen und die syrische Kirche Südindiens verteilt. Damit stellt das Christentum nach dem Islam die drittgrößte Religionsgemeinschaft Indiens dar.

Obwohl bei der Teilung Indiens ein Großteil der Mohammedaner nach Pakistan abwanderte, so betrug ihre Stärke um 1951 immer noch 35,41 Millionen, und sie stieg im folgenden Jahrzehnt auf 46,9 Millionen an, was eine Zunahme um 25,6 Prozent bedeutet. Diese Zunahme beruht jedoch weniger auf intensiverer Bekehrungstätigkeit, sondern erklärt sich vielmehr durch Zuwanderung aus Pakistan, wirtschaftlicher Gründe halber.

Bereitschaft der Regierung

Bei seinen Besprechungen mit den zuständigen Behörden erhielt Kardinal Gracias die Zusicherung jeder möglichen Hilfe von Seiten der Staatsregierung wie der Unionsregierung, um den Kongreß zu einem Erfolg werden zu lassen. Die Schulen in Bombay erhielten die Erlaubnis, die Divaliferien (Fest des Lichtes, welches dem christlichen Weihnachtsfest sehr nahe kommt) vom

Ende Oktober so zu verlegen, daß sie mit dem Eucharistischen Kongreß zusammenfallen, um auf diese Weise den katholischen Schülern und Studenten die Möglichkeit zu geben, an den Kongreßfeierlichkeiten teilzu nehmen und die Schulzimmer für die Unterbringung von Gästen bereitstellen zu können. Das Verkehrsministerium gewährte den Einsatz von Sonderzügen und besondere

Preiserlasse über Strecken von mehr als 400 Kilometern und für alle Gäste aus den benachbarten Ländern, wie Pakistan, Burma und Ceylon. Außerdem erklärte es sich bereit, für die Reservierung von Hotelzimmern und die Beschaffung von Privatzimmern für 5Ö.ÖÖ0 Gäste zu sorgen, auch bemühte es sich um den Einsatz von Schiffen als schwimmende Hotels für weitere 7000 Gäste.

Diese Hilfsbereitschaft von Seiten der Regierung mag zwar teilweise von politischen und propagandistischen Motiven geleitet sein, welche die 25.000 bis 30.000 Besucher aus dem Ausland in Rechnung ziehen, doch ist darüber nicht zu vergessen, daß es sich beim Eucharistischen Kongreß um das religiöse Ereignis einer verschwindenden Minderheit des Landes handelt, die nicht einmal zwei Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Man darf darum hinter dieser Haltung wohl eine Geste der Toleranz Indiens gegenüber anderen Religionen sehen, welche besonders durch Mahatma Gandhi wieder neue Bedeutung erhielt. Ihm hat das Christentum zum Teil es zu danken, daß es in der Gegenwart Achtung und Anerkennung findet wie nie zuvor in der Geschichte Indiens. Zwar hatten schon vor Mahatma Gandhi Politiker und Sozialreformer ihre Hochachtung für das Christentum zum Ausdruck gebrächt, doch wagte es keiner von ihnen, christliche Prinzipien zur Grundlage seines Lebens zu machen. Erst Gandhi besaß den Mut, sein Leben vor allem nach den Forderungen der Bergpredigt zu gestalten. Die Bibel und die Bhagavad-Gita bildeten seine beständigen Begleiter auf seinen Reisen, bei seinen politischen Kampagnen und selbst hinter den Gefängnismauern.

Die vier Studientagungen

Im Rahmen der Kongreßwoche finden vier große Studientagungen statt: ein katholischer Ärztekongreß, ein Seminar über Ernährung und Gesundheit, eine Tagung der Newman-Association und ein theologisches Seminar.

Der Medizinerkongreß, an dem vor allem Ärzte der Länder Asiens teilnehmen, wurde dem Thema „Der Arzt und die Familie” gewidmet. Auf dieser Tagung standen drei Themenkreise zur Diskussion: „Arzt und Geburtenkontrolle; Arzt und Ehebereitung; Arzt und Geschlechtererzie- hung.” Teilnehmer kamen von den Philippinen, aus Korea, Japan,

Hongkong, Vietnam, Formosa, Pakistan, Ceylon, Burma und aus verschiedenen Ländern Europas und Amerikas. Die Wahl der zeitnahen Diskussionsthemen verweist auf die akuten Bevölkerungsprobleme der asiatischen Länder, insbesondere Indiens. Der katholische Arzt sieht sich vor ernste Gewissensentscheidungen gestellt angesichts einer wachsenden Propaganda für Geburtenkontrolle.

Das Seminar über „Ernährung und Gesundheit” stand unter der Leitung von P. Tarcy Mascarenhas. Der Generaldirektor der FAO (Food and Agricultural Organization), Dr. B. R. Sen, die UNICEF, die Hilfsorganisationen CARE und CRS (Catholic Relief Service), MISEREOR sowie Vertreter der Länder des Ostens wie des Westens waren anwesend. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand, abgesehen von den Bevölkerungsproblemen, vor allem der Ernäh- rungs- und Gesundheitszustand der Entwicklungsländer. Nicht nur Indien befindet sich zur Zeit in einer ungewöhnlichen Ernährungskrise. Zwei Drittel der Weltbevölkerung erhalten, nach Angaben der Bevölkerungskonferenz vom Dezember vergangenen Jahres in Delhi, nicht die 2500 Kalorien, die als tägliches Lebensminimum für den Menschen nötig sind. Die Kindersterblichkeit ist in Indien, mit 145 pro 1000 Lebendgeburten, immer noch erschrek- kend hoch, verglichen mit den geringen Sterblichkeitsraten von 15 in Schweden und 21 in der Schweiz,

„Die Eucharistie und der neue Mensch”

Die Newman-Association, unter der Leitung von Dr. Monteiro, hält während des Kongresses Konferenzen über das Thema: „Menschliche Probleme in der Entwicklung der Wirtschaft” ab. Zur selben Zeit findet auch das theologische Seminar statt, welches sich „Die Kirche im Rahmen Indiens” zum Thema stellte.

Wie Themen der einzelnen Studientagungen zeigen, steht der Mensch im Mittelpunkt des 38. Eucharistischen Weltkongresses, der Mensch im Zeichen der sozialen, politischen und technischen Umwäl- zung£ ,d d e. zur Zeit in Asien im Gange sind. Die Formulierung des Hauptthemas des Kongresses bringt diese Tatsache noch deutlicher zum Ausdruck, und sie verweist gleichzeitig darauf hin, daß die Eucharistie Wurzel und Urgrund dieser Umwälzung bilden muß. Die Wahl des Themas „Die Eucharistie und der neue Mensch” erkennt offensichtlich die Not der modernen Welt für eine Erneuerung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft an. Das 20. Jahrhundert hat deutlicher denn je verspürt, was der englische Philosoph Hobbs „die Unmenschlichkeit des Menschen” nennt. Totalitäre Systeme traten und treten die menschliche Person mit Füßen und würdigen sie aufs tiefste herab im Namen der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Wesen des Menschen überhaupt. Die Weisen Indiens geben darauf eine Antwort, indem sie ihn als wesentlich Seele betrachten, als Funken aus dem Feuer Gottes, der von Materie umkleidet ist und so gefangengehalten wird. Um zur Erlösung zu kommen, gilt es, diese Materie im Laufe des Lebens abzuschütteln, da sie zum Reich der Sünde und des Nichtseins gehört.

Auch der Humanismus versucht eine Antwort. Für ihn ist der Mensch ein weltgebundenes Wesen mit politischen und wirtschaftlichen Bedürfnissen, denen jede Spur einer übernatürlichen Bestimmung abgeht. Eine solche Auffassung kann nicht mit dem christlichen Menschenbild Zusammengehen, denn der Mensch ist wesensgemäß jenseitig und auf die Übernatur ausgerichtet. Er ist Abbild Gottes, und dieses Abbild findet gerade durch die Eucharistie seine Erneuerung. Diese Erneuerung des Einzelmenschen muß auf die soziale und wirtschaftliche Ordnung des Landes ausstrahlen.

Der Eucharistische Kongreß stellt somit eine Aufgabe dar und ist nicht nur ein religiöses Treffen in großem Stil. Die Eucharistie muß Quelle des christlichen Handelns sein und besonders dem Laien zur Verpflichtung werden, durch Glauben und gute Werke Zeugnis für Christus abzulegen, um seine Umwelt nach christlichem Geist zu gestalten.

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