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Eisenhower ante portas?

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„Ich bin bereit, mich der Republikanischen Partei zur Verfügung zu stellen, wenn sie mich mit großer Mehrheit zu ihrem Präsidentschaftskandidaten ernennt", sagte General Eisenhower am Montag vergangener Woche. „Aber", fügte er unmißverständlich hinzu, „ich bin nicht bereit, meinen gegenwärtigen militärischen Posten aufzugeben, um e'nen politischen Feldzug für eine solche Nominierung zu beginnen."

Diese Mitteilung ist viel eindeutiger, als es vielleicht scheinen mag; selbst den Eingeweihten war sie eine nicht geringe Überraschung. Freilich vermutete man, daß Eisenhower nicht nur den Mut, sondern auch den Willen besitzt, die Verantwortung dieses großen politischen Engagements auf sich zu nehmen; es ist auch klar, daß er als Kandidat der Republikaner größere Chancen besitzt als Jeder mögliche Gegenkandidat. Aber es ist zugleich kein Geheimnis, daß der General, um seine Nominierung im Juni- konvent der Republikanischen Partei überhaupt durchsetzen zu können, einen neuen und diesmal einen politischen Feldzug durchfechten müßte. Denn seine Persönlichkeit ist wohl in den Augen des Großteils der Bevölkerung in den USA unbestritten — nicht aber bei allen republikanischen Politikern.

Nahezu die Hälfte der Republikaner, die i im Parteikonvent Sitz und Stimme haben werden, entschied sich bereits für einen der drei anderen Kandidaten, die sich um die Nominierung bewerben, um Taft, Stassen und Warren. Robert Taft, der Führer des isolationistischen Flügels der Republikaner, kann allein mit vierhundert der etwa zwölfhundert Stimmen des Parteikonvents rechnen, und der Senator Harold Stassen sowie der kalifornische Gouverneur Earl Warren werden mindestens je hundert Anhänger finden. Werden jene sechshundert Konventmitglieder, die sich bisher noch für keinen Kandidaten entschieden haben, für Eisenhower stimmen? Werden Stassen und Wahren in einer Stichwahl in das Lager Eisenhowers übergehen? Wohl nur dann, wenn der General mit Nachdruck einen Feldzug für seine Nominierung führt. Und gerade einen solchen hat Eisenhower ausdrücklich abgelehnt.

Wie stehen nun seine Chancen? An sich wär der Großteil der Republikaner ohne weiteres bereit, eine Kandidatur Eisenhowers zu unterstützen; kein anderer als dieser ungemein populäre Mann könnte eine bessere Gewähr bieten, die Republikanische Partei nach jahrzehntelanger Opposition wieder an die Macht zu bringen. Aber welcher Politiker, der aus dieser parteipolitischen Erwägung für Eisenhower stimmen würde, kann damit rechnen, nachher die Früchte des Sieges seiner Partei zu ernten? Wen wird Eisenhower TUT Mitarbeit auffordem, wenn er den demokratischen durch einen republikanischen Staatsapparat ersetzen müßte? Taft, Stassen und Warren haben sich in dieser Frage schon jetzt festgelegt und können mit per tatkräftigen Hilfe der von ihnen Auserwählten rechnen. Nur Eisenhower ist — und bleibt — ein Fragezeichen.

Der General hat es bisher unterlassen, ein innenpolitisches Konzept zu entwickeln, er hat zu den vielfachen Strömungen innerhalb der Republikanischen Partei bisher noch keine Stellung bezogen, sondern seine Freunde im Gegenteil wissen lassen, daß er sich jede Stellungnahme bis zu einer endgültigen Nominierung vorbehält. Die Senatoren Lodge, Duff und Carlson, die sich bis jetzt am meisten zugunsten Eisenhowers exponiert haben, können selbst dann, wenn sie von den Absichten des Generals Kenntnis hätten, nicht in seinem Namen sprechen, da sie hiezu nicht ermächtigt sind. Sie befinden sich also in einer Situation, deren Schwierigkeiten kaum mehr zu überbieten sind.

Es wird in'den nächsten Monaten zu erbitterten Auseinandersetzungen kommen, die für die Republikaner erst mit dem Parteikonvent von Chicago enden werden. Auf jeden Fall müssen Eisenhowers Parteigänger mit einem außerordentlich harten Kampf um die Nominierung ihres Kandidaten rechnen und sie wissen, daß sie diesen Kampf nur dann gewinnen werden, wenn es ihnen gelingt, die bevorstehenden Diskussionen auf das Gebiet der Außenpolitik zu lenken. Denn hier ist Eisenhowers Position am stärksten, hier liegt seine große, aber auch seine einzige Chance.

Dwight David Eisenhower ist nicht nur Soldat und Stratege. Die beiden Schlüsselpositionen, die ihm im heißen wie im kalten Krieg anvertraut wurden, erforderten ebensosehr diplomatisches Geschick wie militärische Sachkenntnis. Die Memoiren der Staatsmänner und Generäle des letzten Dezenniums enthüllen mehr und mehr die Gestalt des Politikers und Diplomaten Eisenhower, eine Gestalt von so imposantem Schnitt, daß hinter ihr der Ge neral fast zurückzu treten scheint. — Eisenhower ist in den Jahren, da die Last der Koordinierung aller alliierten Anstrengungen auf seinen Schultern ruhte, nicht nur zu einem tatkräftigen, sondern auch zu einem vorausblickenden Politiker herangereift. Gerade in unseren Tagen, da die europäischen Nationen mit unzulänglichen Mitteln und manchmal geringer Ehrlichkeit um die Einheit Europas bemüht sind, findet unser Kontinent keinen zielbewußteren Anwalt als jenen Soldaten, der ausgezogen war, um die eine Hälfte Europas zu besiegen. Wir glauben, daß sich die Amerikaner niemals so stark in Europa- engagiert hätten, würde Eisenhower davon abgeraten haben, denn der General, der den Krieg gewinnen half, scheint seinen Mitbürgern der beste Garant des Friedens zu sein.

Unįfr dieser Parole könnten die Freunde Eisenhowers den Kampf um seine Nominierung gewinnen, denn weder Taft noch Stassen, noch Warren können auf eine außenpolitische oder diplomatische Erfahrung hinweisen. Und keiner der drei Genannten hat in einem ähnlich innigen Verhältnis zu Europa und seinen Problemen gestanden wie der General. Ohne Europa aber, ohne gründliche Kenntnis seiner Erfordernisse, wird der Friede nicht errungen werden können und mif dem Frieden steht und fällt nicht nur das Programm der Republikanischen Partei.

Man möchte deshalb glauben, daß dar General den bevorstehenden Kampf um die Nominierung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten gegen die Isolationisten gewinnen könnte. Gerade die Republikaner sind in ihrem wirtschaftlichen Programm auf eine friedliche und störungsfreie Weltlage angewiesen, und die Tatsache, daß Eisenhower ihr bester Mann ist, um Krisen oder Katastrophen zu vermeiden, sollte schwerer wiegen als alle anderen möglichen Argumente.

Mit einer definitiven Kandidatur Eisenhowers ist jedoch die Frage nach dem künftigen Präsidenten der USA noch nicht entschieden. Vor allem deshalb nicht, weil auch der demokratische Kandidat noch keineswegs feststeht. Wohl glaubt man allgemein, daß Truman, der schlichte Erbe Roosevelts, ein zweitesmal die Mühen eines Wahlkampfes auf sich nehmen will, doch ist es mehr als zweifelhaft, ob sich der jetzige Präsident der Vereinigten Staaten gerade gegen General Eisenhower aufstellen lassen würde. Und eben diese Ungewißheit der demokratischen Nominierung läßt alle Möglichkeiten offen, da der Wahlkampf des Jahres 1952 in erster Lin ie von Personen und nicht von Parteien geführt werden wird.

Die Amerikaner haben an den Wendemarken der Geschichte meist ein gesundes politisches Empfinden bewiesen. Sie werden auch diesmal mit gutem Instinkt Für und Wider gegeneinander abzuwägen wissen. Und sie werden vielleicht einen Mann aus Missouri oder Oklahoma zu ihrem Präsidenten machen, einen Mann, der die Dinge sieht, wie sie sind, und der allein mit seinem gesunden Menschenverstand entscheidet, was getan und was nicht getan werden soll. Vielleicht aber, wenn sie glauben, daß die weltpolitische Lage einen erfahrenen, bewährten und furchtlosen Mann zu erfordern scheint, werden die Amerikaner den Mann von Format wählen, auf den ihre Nation mit Stolz und Zuversicht blickt.

Gewiß werden die Gegner Eisenhowers seine militärische Vergangenheit als Negativum herausstreichen. Sicherlich wird man auf den Fall des Generals Grant verweisen, der zwar ein ausge-zeichneter Soldat, aber ein sehr schlechter Präsident war. Und zweifellos wird man mit dem Schlagwort des Militarismus kommen. Aber diese Argumente — sosehr sie im Falle einer Kandidatur MacArthurs am Platz wären — stimmen nicht. Eisenhower ist als Politiker und Diplomat groß geworden und nicht als Schlachtengeneral, und er bewirbt sich nicht als ruhmreicher Feldherr, sondern als ein Mann, der um die Dinge der Weltpolitik genau Bescheid weiß, um das höchste Amt, das die Bürger der USA zu vergeben haben.

Es wird daher weniger an der politischen Grundeinstellung der Amerikaner, sondern an ihrem „political sense liegen, ob sie sich für oder gegen Eisenhower entscheiden. Und es wird sehr darauf ankommen, in welcher Weise Eisenhower — sollte er nominiert werden — an diesen „political sense appelliert. Truman, der Bürger des kleinen Ortes Independence irgendwo im Mittleren Westen, hat es vorzüglich verstanden, den Amerikanern das Bild eines Präsidenten zu geben, der auch in seinem hohen Amt stets sympathischer Durchschnittsbürger und — Durchschnittsmensch bleibt. Die Amerikaner lieben das. .Wird es dem

Politiker, Diplomaten und siegreichen General Eisenhower gelingen, in ähnlicher Art und Weise das Vertrauen seiner Mitbürger zu erwerben?

Die Nominierung Eisenhowers wird davon abhängen, ob die republikanischen Politiker seinen diplomatischen Ansichten und Absichten Vertrauen schenken. Seine Wahl aber davon, ob die amerikanischen Menschen auch den Menschen Eisenhower gutheißen. Die Chancen des Generals, Präsident zu werden, stehen nicht schlecht, aber es wird sehr an ihm selbst liegen, ob er diese Chancen zu nützen versteht.

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