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Realismus

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Italien kennt seine innenpolitischen Fronten der nächsten Jahre. Unbekannt sind dem Italiener nur noch die Persönlichkeiten, die der neuzubildenden italienischen Regierung angehören werden.

Österreichs Interesse an den Wahlen vom 19. Mai und der nun folgenden Regierungsbildung im südlichen Nachbarland hat seine Ursache darin, daß die Südtirolfrage nun wirklich einer Lösung zugeführt werden müßte. Man hat in Österreich sich immer wieder in Geduld gefaßt, hat die Verzögerungstaktik hingenommen und hat in der letzten Phase der Gespräche die mangelnde Dialogbereitschaft eben mit dem Hinweis auf die ausstehenden Parlamentswahlen zur Kenntnis genommen. War ja auch im Jänner dieses Jahres im Wiener Auswärtigen Amt ein Personenwechsel vollzogen worden.

Jetzt aber ist die Situation klar, Die Christlichen Demokraten haben unter Ministerpräsident Aldo Moro einen Erfolg verzeichnen können. Nun wird er oder der Parteichef der DC, Mariano Rumor, voraussichtlich den ersten Part im italienischen Kabinett — gleichgültig ob mit oder ohne Sozialisten — spielen. Von beiden, insbesondere aber von Rumor weiß man, daß sie zur Lösung der schwelenden Frage bereit sind. Auf Parteienebene haben auch zwischen Rumor und führenden ÖVP-Reprä- sentanten zahlreiche Kontakte in den letzten Monaten stattgefunden.

Entscheidend aber ist, daß einer der entscheidendsten Bremser der Verhandlungen, der bisherige Außenminister Fanfani sicherlich nicht mehr der Regierung angehören wird. Er ist bereits als Vorsitzender des Senats ins Parlament übersiedelt.

In Bozen, wo ein Schlüssel zur Südtirolfrage vergraben liegt, hat ein überaus gutes Wahlergebnis der Südtiroler Volkspartei starken Auftrieb gegeben. Zwei Gründe sind es, die die SVP-Leute erfreuen:

• Erstens hat die Partei an Stimmen gewonnen; dies bedeutet vor allem, daß die italienische Zuwanderung zwar nicht abgenommen hat, aber doch nicht die Substanz der deutschsprachigen Volksgruppe untergräbt.

• Zweitens konnte die Gruppe um Dr. Jenny, eines „linken“ Abspalters, nicht reüssieren. Und dies wertet Bozen vor allem auch als Absage an den Wiener Exaußenminister und jetzigen SPÖ-Parteiobmann Doktor Kreisky, der immer wieder betont hatte, daß sein „Abkommen“ mit Saragat der einzig erfolgversprechende Weg der Südtirolverhandlungen Wiens gewesen sei.

Allerdings wäre es in Bozen ein Fehler, wenn das erfreuliche Ergebnis für die Volkspartei etwa als Grundlage eines härteren Kurses als bisher interpretiert werden würde. Das „Paket“, also jene Summe von Vorschlägen, die Italien als Autonomie für Südtirol mit Wien in der Ära Toncic-Fanfani ausgehandelt hat, scheiterte ja bisher immer an der Frage der internationalen Verankerung, auf die die Südtiroler mit Recht nicht verzichten wollen.

Es wäre aber ein taktisch unkluger Weg, etwa jetzt noch mehr zu fordern, als man es vor dem Abbruch der Gespräche zwischen Rom, Bozen und Wien getan hat.

Es gilt, der neuen italienischen Regierung klarzumachen, daß von sbiten Österreichs und Südtirols jetzt endlich Erfolge erwartet werden, die eine endgültige Bereinigung der Autonomiefrage ermöglichen. Aber man sollte der möglicherweise gutwilligen Regierung im Palazzo Chigi es nicht zu schwer machen, auch in einer neuen innenpolitischen Konstellation die Verabschiedung des „Pakets" als einen Erfolg an den Tiber heimzubringen. Immerhin, Wiens neuer Außenamtschef Doktor Waldheim kann seine erste Feuerprobe bestehen. Der am Parkett der UNO besonders bewährte Diplomat dürfte sich in den kommenden Monaten (denn es ist fraglich, ob noch vor dem Sommer die Verhandlungspartner feststehen) auf dieses Problem konzentrieren. Ist es ein Hoffnungschimmer, wenn die italienische Nachrichtenagentur ITALIA von einer „großen Gelegenheit“ spricht, die man vor allem durch eine Unnachgiebigkeit Bozens vorübergehen ließe?

Bundeskanzler Dr. Klaus jedenfalls hat seine Marschroute am Semmering fixiert: Österreich werde mit gleicher Zähigkeit, mit der bisher die Verhandlungen geführt wurden, auch über die Garantien der erzielten Ergebnisse verhandeln. Sobald die neue italienische Regierung gebildet sei, werde man die Verhandlungen in realistischer Weise fortsetzen.

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