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Schatten aus Bagdad

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Fünfzig Millionen Dollar war es dem Bagdader Ba'ath-Regime wert, glaubt man syrischen Beteuerungen, die Damaszener Ba'ath-Regierung zu stürzen und durch ein vom Irak aus gesteuertes Marionettenregime zu ersetzen. Letzte Woche drangen erstmals Nachrichten über ein vom syrischen Geheimdienst aufgedecktes irakisches Komplott in die Öffentlichkeit. Das in Damaskus erscheinende ba'athistische Parteiblatt „Er-Rajah“ berichtete von Massenverhaftungen und einer angeblich geplanten, aber von den Sicherheitsbehörden vereitelten bewaffneten Intervention der in Syrien und Nordostjordanien stationierten Bagdader Truppen, insgesamt achtzehntausend Mann.

Die Zeitung vergaß zu erwähnen, daß der Umsturzversuch, wie ausländische Beobachter inzwischen herausfanden, bereits im Juni 1970 scheiterte und die mehreren hundert in ihn verwickelten Personen seit knapp zwei Monaten auf ihren Prozeß warten. Der Zeitpunkt der am Tigrisufer aufgeflogenen Verschwörung erlaubt, ebenso wie das Datum der Veröffentlichung in „Er-Rajah“, wichtige Schlüsse auf die Hintergründe des nur scheinbar auf der unterschiedlichen Haltung der Regierungen in Kairo und Bagdad zu dem amerikanischen Nahostfriedens-plan beruhenden irakisch-ägyptischen Konfliktes wie über die Stellung Syriens in dieser Auseinandersetzung.

Der Gegensatz zwischen Ba'ath und Ba'ath, zwischen dem internationalen Damaszener und dem nationalen Bagdader Flügel dieser Partei ist so alt wie sie selbst Gegründet wurde sie um 1940 von dem syrischen Lehrer Michel Aflak, der während seines Pariser Studiums mit den sozialistischen Gedankenspielen der französischen akademischen Jugend in Berührung gekommen war. Das machte ihn zum Gründer der ersten (nationalen) sozialistischen Sammelpartei der arabischen Welt. „Sozialistisch“ war und blieb an ihr eigentlich nur der Name, und als „nationales Ziel“ adoptierte sie die panarabische Einheitsidee. Innere Konflikte in Bagdad, vor allem der Kurdenkrieg, hinderten den Irak lange am arabischen Erfolg. Seit in Kurdistan nach über fünfzig Jahren endlich die Waffen schweigen, beschäftigen sich die Bagdader Ba'aths jedoch wieder uneingeschränkt mit ihrem alten Ziel. Dies und keineswegs die unterschiedliche Einstellung zwischen Ägypten und dem Irak zum „Rogers-Plan“ ist die Ursache des Zwistes zwischen Bagdad und Kairo. In diesem Zwist geht es zunächst um die Vorherrschaft über die kleineren und schwächeren Nachbarstaaten des Irak. Könnte Bagdad Transjordanien, Syrien und den Libanon zu seinen Satelliten machen und sich die Palästinaguerrillas zu Dank verpflichten, hätte es Ägypten an den Rand der arabischen Welt gedrückt. Hier liegt der Grund für die permanente Einmischung des irakischen Expeditionskorps in die inneren Angelegenheiten der haschemiti-schen Monarchie, für die allerdings zunächst nur propagandistische Unterstützung Jassir Arafats durch den Diktator El-Bakr und für den noch rechtzeitig aufgedeckten Putschversuch in Syrien. Ziel dieser Aktivitäten ist die Verwirklichung der arabischen (Teil-) Einheit im „fruchtbaren Halbmond“, mit Bagdad als Machtzentrum. Doch El-Baikrs Großmachtträume haben Grenzen. König Hussein, der schon so oft totgesagt wurde, gab bis heute den Kampf um seinen Thron nicht auf, sondern wagt jetzt sogar den Versuch eines Ausgleichs in der Palästinafrage und schlägt sich eindeutig auf die ägyptische Seite. In Damaskus scheint man sich zu sagen, daß — wie die kurze ruhmlose Geschichte der gescheiterten VAR zeigte — Ägypten weit und der Irak nah ist. Man fürchtet dort die sehr konkreten Bagdader Ansprüche mehr als die Kairoer Propaganda. Das ist auch die Ursache für den überraschenden Kurswechsel des Damaszener Ba'ath-Regimes im Nahostkonflikt. Syrien, das zu den hartnäckigsten Gegnern einer Vernunftlösung gehörte, lehnt sie jetzt nicht mehr so entschieden ab wie früher. Täte es das, verlöre es nämlich die ägyptische Rückendeckung gegen den beutehungrigen Nachbarn im Osten.

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