Bayrisches Rokoko

Die Künstlerpersönlichkeit des Münchner Bildhauers Ignaz Günther, in der sich das bayrische Rokoko krönt und vollendet, ist ein besonders dankbares Objekt monographischer Darstellung, da wir heute dank der redlichen Bemühungen kunstwissenschaftlicher Forschungen der letzten Jahre das überreiche Lebenswerk dieses Frühvollendeten nahezu restlos überblicken, die auf Künstler und Werk bezüglichen Urkunden und Quellen ausschöpfen konnten. Damit ersteht vor uns eine bildhauerische Gesamtleistung von mozartscher Schönheit, Fülle und .seelischer Tiefe, innerhalb welcher jedes noch so kleine EinzelWerk, jeder Engelkopf, jeder summarisch aber treffsicher geschnitzte Bozzetto Wesentliches nicht allein als künstlerische Leistung, sondern auch als Dokument jener Zeit aussagt, in der tiefes religiöses Erleben die bedeutsame Gegenstimme einer oft allzu seichten „Aufklärung“ war.

Wenn der klare, rein sachliche Text der neuen Günther-Monographie Arno Schoenbergers wesentlich nur aus einem glatt lesbaren Werkverzeichnis besteht und — ganz anders als die frühere Günther-Monographie Feulners — geistesgeschichtliche Probleme kaum streift sowie über die künstlerische Umwelt des großen Meisters wenig aussagt, so gewinnt der Leser des wertvollen Buches doch einen tiefen Einblick in die Sphäre, in der jener sich bewegt hat. Die Tatsachen ergänzen einander zu dem vollständigen Bilde der von ungeheurer Sinnlichkeit erfüllten, aber von strengster Selbstzucht zu höchsten Leistungen emporgerissenen Persönlichkeit dieses Begnadeten; so weist das Buch über sich selbst hinaus — für österreichische Leser auch zurück auf die große Künstlergestalt Meinrad Guggenbichlers.

Wesentlichen Anteil an Wert und Wirkung dieses Buches haben die zahlreichen meisterlichen Aufnahmen, die sein Verleger in tiefer Einfühlung in das Wesen Günthers von dessen Werken geschaffen hat und deren Wiedergaben keinen Wunsch unerfüllt lassen. Hierbei wurden keinerlei Mätzchen der üblichen „Kunstphotographie“ angewendet, keine „interessanten“ aber sinnlosen Verkürzungen, keine „überraschenden“ aber entstellenden Ausschnitte gewählt. Immer sprechen Günthers Werke allein — so rein und volltönend, wie Modephotos es gar nicht können. Besonders sei auf die vier prachtvollen Farbtafeln hingewiesen, die einige Hauptwerke Günthers in ihren erlesenen Originalfassungen wiedergeben; gerade der Umstand, daß sie ohne theatralische Effekte überflüssiger Scheinwerfer im natürlichen Lichte der Kirchenräume aufgenommen wurden, läßt ihnen ihre Schönheit und gibt ihnen dokumentarischen Wert.

Dieses wertvolle Buch ist eine Standardleistung nicht allein des Verlages, sondern darüber hinaus der kunstwissenschaftlichen Literatur Deutschlands.