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Das kleine Andacbtsbild

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Ohne Anspruch auf Vollzähligkeit seien von Gugitz' wienerischen Schriften noch genannt: „Altwienerisches. Bilder und Gestalten“ (1920) und „Von Leuten und Zeiten im alten Wien“ (1922), diese beiden zusammen mit Emil Karl Blümml, ferner „Der weiland Kaspert“ (Johann La Roche), ein wichtiger Beitrag zur Theater- und Sittengeschichte Wiens (1920),**„Lieder der Straße. Die Bänkelsänger im jose-phinischen Wien“, „Altwiener Thespiskarren“ (1925) und „Das Wiener Kaffeehaus“ (1940). Dazu kommen die bedeutenden volkskundlichen Werke „Das Jahr und seine Feste im Volksbrauch Österreichs“ (zwei Bände, 1949/54) und der „Fest- und Brauchtumskalender für Österreich, Süddeutschland und die Schweiz“.

Allmählich hat sich Gustav Gugitz immer eindringlicher und liebevoller mit der religiösen Volkskunde befaßt, und dies nicht etwa nur vom Schreibtisch aus, sondern indem er sich im Land umsah und solcherart einen guten Teil seiner Forschungsergebnisse erwandert und erschaut hat. Die namhaftesten Werke dieser Art sind (außer dem schon erwähnten „Das Jahr und seine Feste im Volksbrauch Österreichs“ mit starkem religiösem Einschlag) zunächst „Das kleine Andachtsbild in den österreichischen Gnadenstätten“ in Darstellung, Verbreitung und Brauchtum nebst einer Ikonographie (1951), eine bahnbrechende Schrift, die durch die Herausarbeitung der vollen Bedeutung des kleinen Andachtsbildes mit seiner bildlichen Darstellung oft längst entschwundener Bauwerke und Ortsansichten, durch die Hinweise auf Frömmigkeit und Aberglauben eine wahre Fundgrube für den Volkskundler und jeden Freund eines Ausschnittes aus der heimischen Kulturgeschichte ist, dem viel zuwenig Aufmerksamkeit zugewendet wurde. Dann ganz besonders „Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch“ (1955/58), womit in fünf Bänden ein topographisches Handbuch zur religiösen Volkskunde vorliegt und wodurch recht eigentlich die Wallfahrtsforschung, wenn schon nicht begründet, so doch „auf feste Beine“ gestellt und bereichert wurde. Geplant war noch ein ergänzender sechster Band, der die besonderen Eigentümlichkeiten der einzelnen Gnadenorte behandeln sollte.

Gugitz selbst besaß eine große Andachtsbildersammlung, die er dem Museum für Volkskunde übergeben hat, wo sie infolge Raummangels leider noch nicht ausgestellt ist.

Das allerletzte, noch vor seinem Tod erschienene Werk ist die „Festgabe zum 50jährigen Bestand der Wiener Bibliophilengesellschaft“ (deren Mitbegründer Gugitz war) „und zu Ehren des Altmeisters der Wiener Kulturgeschichte aus Anlaß seines Eintritts in das 90. Lebensjahr“.

Demnächst wird — als Gemeinschaftsarbeit mit Dr. Hans Giebisch bei Brüder Hollinek — das „Biobibliographische Literaturlexikon Österreichs“ (von den Anfängen bis zur Gegenwart) herauskommen,

In der zu seinem 80. Geburtstag (1954) erschienenen Bibliographie seiner Schriften sind 326 Publikationen von Gugitz angegeben. Aber er war auch noch im letzten Lebensjahrzehnt eifrig tätig, und so wäre es löblich, die Gugitz-Biblio-graphie gelegentlich zu vervollständigen und somit abzuschließen.

Trotz dieser außerordentlichen Lebensleistung war Gugitz die Bescheidenheit selbst, einer der Besten und Stillsten im Lande. Wenn besonders Wissensdurstige in Bibliotheken nicht weiterkamen, wurden sie an ihn verwiesen: „Das weiß nur einer, nämlich Gustav Gugitz!“ So umgab ihn mit der Zeit der Nimbus des fast Allwissenden ...

Alles hat er mit der Hand geschrieben, gedrängt, bedrängt von einer frommen Werkbesessenheit, die schier noch an die emsigster Mönche aus verdämmernder Hochzeit des Geistes gemahnt... Zusammentragend, ordnend, gestaltend — bis ins hohe Alter von fast 90 Jahren, so lange, bis ihn das bedenklich nachlassende Augenlicht zwang, doch einmal Schluß zu machen.

Der Böhmerwalddichter Hans Watzlik schrieb einmal: „Was gilt ein armes Bröslein Zeit in der ewigen Ewigkeit?“ Aber — Gustav Gugitz hat sein Sach' so gut gemacht, hat eine solche wissenschaftliche Großleistung vollbracht, hat mit seinen oft grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiet der Wiener Stadt- und österreichischen Volkskunde, der Andachtsbilder-und Wallfahrtsforschung, der Literatur- und Theaterwissenschaft so trefflich Volk und Heimat und seinem Herrgott gedient, daß sein großes Lebenswerk sein Lebens-flämmchen überdauern wird — „ein Bröslein Zeit“ und damit auch lein „Weilchen Ewigkeit“ ...

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