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Altmeister Gustav Gugitz

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Am 3. März dieses Jahres — wenige Wochen vor Vollendung des 90. Lebensjahres — ist Professor Gustav Gugitz gestorben.

Gustav Gugitz: Das ist nicht nur ein Name, sondern bedeutet einen geradezu klassischen Begriff für unsere heimische Kulturgeschichte im weitesten Sinn und für die Volkskunde, einschließlich — ja namentlich — der religiösen (Brauchtum und Feste im Jahreslauf, Andachtsbilder, Wallfahrtforschung). Was dieser eine in diesen Bereichen geleistet, nötigt wohl jedem Fachmann bewundernde Anerkennung ab, und der interessierte Laie wird alsbald ebenso in das Lob dankbar einstimmen.

Väterlicherseits einer angesehenen Kärntner Familie aus Hüttenberg, Klagenfurt, entstammend, von der Mutter her aus dem niederösterreichischen Waldviertel kommend, wurde Gugitz am 9. April 1874 in Wien (Neubau) geboren und hat — wie mancher andere — mit dichterischen Versuchen begonnen, Lyrik und Bühnendichtungen. Das waren frühe Flügelschläge. Er wurde Privatgelehrter, der mit besonderem Wissensdurst und Forscherdrang begabt ans Werk ging. Obwohl er damals nicht unbemittelt war (später hat er infolge widriger Zeitumstände fast alles eingebüßt), war es immerhin ein Wagnis, von der Feder leben zu wollen. Aber er hat sich durchgesetzt und ist bei aller Bescheidenheit und Zurückgezogenheit schließlich zu dem Altmeister der altösterreichischen und Altwiener Kulturgeschichtsforschung und -darstellung geworden.

Wien hat alle Ursache, auf „seinen“ Gustav Gugitz stolz zu sein, der „ein halber Kärntner und doch ein ganzer Wiener“ war und Im Laufe seines langen Lebens Wesentliches zur Erforschung der Stadtgeschichte beigetragen hat. Manche andere Stadt hätte höchstwahrscheinlich einen Gugitz mehr gewürdigt und geehrt, aber er hat nur immerzu selbstlos gewirkt, weil er gar nicht anders konnte.

In die älteste Geschichte von Wien von Wolfgang Lazius (deutsche Erstausgabe Anno 1619) schrieb er mir folgende, „den Nagel auf den Kopf treffende“ Widmung:

„Geschichte schon und Märchen noch,

Wiens erster Historiker war er doch.“

Alle seine wienerischen Schriften wurden durch die fünfbändige „Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien“ (1947/62) gekrönt, woran er viele Jahre mit dem eifrigsten Bestreben, das Ideal möglichster Vollständigkeit zu erreichen, gearbeitet hat. Damit und mit anderem Wien Betreffenden beschäftigt, hat er jahrzehntelang zum lebendigen Inventar des Wiener Stadtarchivs und der Stadtbibliothek gehört, der er übrigens seine eigene reichhaltige Bücherei überlassen hat — und dort mag sein Geist nach seinem Hinscheiden noch „umgehen“. Wenn man den abschließenden 5. Band, das „Generalregister zu allen vier Bänden“, auch nur flüchtig durchsieht, erhält man den zwingenden Eindruck einer ganz großen Leistung. In drei Teilen — Personen-, Autoren- und Sachregister — ist allen Suchenden der Weg gewiesen, sich in dem gewaltigen Werk zurechtzufinden.

Gugitz ist es gelungen, so ziemlich die gesamte Literatur über Wien zu erfassen, wobei auch jede größere Bemerkung, die in anderen Veröffentlichungen, wie zum Beispiel Reisebeschreibungen über Wien, vorkommt, berücksichtigt ist. Was erfährt man alles aus diesem Register? Unter anderem, daß es 38 Häuser und Gaststätten „Zum Auge Gottes“, 48 Häuser „Zum guten Hirten“ und 23 „Zum roten Apfel“ gegeben hat. Professor Leopold Schmidt sagt dazu: „Da steckt die große Geschichte unserer Stadt darin, aber auch die kleine, die politische wie die soziale, und selbstverständlich in besonderem Ausmaß die Kunst-, Musik- und Theatergeschichte.“

Gugitz hat schon in den Jahren 1914/21 mit der Herausgabe der 21 stattliche Bände umfassenden „Denkwürdigkeiten aus Altösterreich“ ein Monumentalwerk geschaffen. Ihm ist auch — in der Buchreihe „Österreichische Heimat“ des Verlages Brüder Hollinek — das Werk über „Die Sagen und Legenden der Stadt Wien“ (1952) zu danken, die er nach den Quellen gesammelt und kritisch erläutert hat. Damit sind alle bisherigen Wiener Sagen- und Legendensammlungen weit übertroffen, die wissenschaftliche Erarbeitung dieses Sondergebietes läßt nichts zu wünschen übrig.

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