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Ein Botschafter unseres Geistes

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„In diesem Buch soll das Antlitz selbst gezeigt werden, das, mit menschlichen Maßen gemessen, Dauernde von Österreich.“ — Dieses Versprechen hält der reich und wundervoll bebilderte neue Schroll-Band in vollem Umfange. Uber Krieg und Elend hinweg haben Verfasser und Verlag ein Werk zur Vollendung geführt, das für Osterreich repräsentativ bleiben wirdi denn es erfüllt den Wunsch und die Erwartung all der vielen, denen Osterreich nicht nur Lebensraum, sondern auch Grundlage des Wesens, kulturelle Lebensaufgabe und geliebte Heimat ist.

Der einleitende Text umreißt in meisterlicher Kürze die Summe dessen, was Osterreich ' als Kulturträger und Landschaftsraum uns und der Welt bedeutet. Durch sprachschöpferisch geprägte Gedanken zieht der leise Unterton beglückter, sehnsuchtsvoller Erinnerungen an eigene Wanderfahrten, gesammelt in einem klaren, kulturgesättigten Geiste. Dieses Buch enthält nicht die Schematisierung anpreisender Schilderungen, wie wir sie aus geschäftstüchtigen und allzu populären Darstellungen bis zum Überdruß kennen. Es. ist in höherem Sinne populär — nicht durch geistige Verflachung, sondern durch Klarheit und Vollendung. Grießmaiers sachliche, aber persönliche und lebenswarme Darstellung gibt eine Formung des Themas Österreich, die sich Anton Wildgans' „Rede über Österreich“, dieser überzeitlichen Deutung unserer kulturellen Sendung, würdig zur Seite stellt. — Die landschaftliche Grundstimmung der einzelnen Landesteile wird anschaulichi unvergeßlich bleibt, wie der Verfasser von der Großartigkeit der Alpen spricht und „das Erlebnis der Näherung in seiner unsagbaren Schönheit aufblühen' läßt. In Text und Bild erstehen vor uns die vielfachen Gegensätze zwischen den einzelnen landschaftlichen Bereichen der Heimat und die gerade für österreichischen Kulturwillen bezeichnende sinnvolle und musikalisch durchfühlte Verbindung von Landschaft und Baukunst, die innige Durchwohntheit ihrer Täler und Höhen. Der Bildteil erfaßt nicht genrehafte Volksszenen und Milieuschilderungen, enthält keine photographischen Experimente, sondern nur das Bedeutende und Zeitlose. Die sorgsam ausgewählten und über jedes Lob erhabenen Tafeln beziehen sich so eng auf das zentrale Thema, daß jede Darstellung not wendig und überzeugend wirkt und nicht als Beispiel unter vielen anderen Mögllgikeiten, sondern als Symbol, der Heimat erscheint. Bei aller Eigenschönheit schildern sie den inneren Reichtum und die Vielfalt des Landes be'wußt als die Grundlage seiner kulturellen Entwicklung, So erwecken diese Bildtafeln eine Bereitschaft und Aufgeschlossenheit für das tatsächliche Wesen Österreichs, nicht für dessen sentimentale, knochenweiche und würdelose Verfälschung, die aus marktgängigen Erzeugnissen der Publizistik und Bühnenkunst stammt und die im Auslande geradezu ein Hindernis für das Verstehen von Rang und Bedeutung Österreichs geworden ist.

Die an den einleitenden Text anschließenden überaus wertvollen Erläuterungen zu den einzelnen Tafeln beziehen den Bildgegenstand. unter immer neuen Aspekten auf die Geschichte und die gesamte künstlerische Kultur des Landes, besonders auf den Geist seiner Musik. Dadurch erweitert sich die reiche Schau dieses Buches zu einer Darstellung österreichischer Kultur, gesehen von einer hohen Warte.

Für die Auffassung der Kunst Österreichs — auch im Inlande — ist dieses Standardwerk Grießmaiers deshalb bedeutsam, weil es durch die Wahl und die überzeugende Wirkung seiner Bilder sowie durch seinen vornehmen Text zeigt, daß dieses Kunstschaffen nicht vorwiegend die Frucht eines höfischen Mäze-nats, sondern die Blüte des von den Kulturen Europas gespeisten Geistes unseres Volkes ist und daß Österreichs Kunsttradition eine gebietende Macht war, der sich die vielfach aus dem Auslande zugewanderten Künstler unterordneten. Wir erleben beglückt den Einklang der Stimmung von Landschaft und Kunst in den Landesteilen. Das letzte und tiefste Wort, das Grießmaier zur Charakterisierung von Österreichs Kunst findet, besagt, daß sie im eigentlichsten Sinne „liebenswürdig“ sei, weil sie in das Leben des Landes einbezogen bleibt und nicht in musealer Isolierung oder dem Volke unverständlicher Vollendung erstarrt ist. Der Verfasser berichtigt auch das weit verbreitete Fehlurteil, daß

Österreichs Kunst von jener der Länder ringsum allzusehr beeinflußt worden sei. Das Buch wird dem Auslande vor Augen führen, was Österreichs Kultur bedeutet und ebenso die allzu zahlreichen und allzu einflußreichen KulUirverächtor in den Reihen unseres eigenen Volkes beschämen: mit seiner vornehmen Bescheidenheit wird es lokalpatriotische und überpopuläre Heimatbücher in den Schatten stellen.

Besonders wollen wir die edle persönliche Sprache Grießmaiers hervoi heben. Sie gibt dem wissenschaftlich gründlich fundierten, lebenswarmen Werke eine — wie wir glauben — zeitlose Bedeutung. Sie erhebt das Buch über die jedem Fühlen fremden sprachtechnischen Kunststücke, die von Zeit zu Zeit als selbstgefällige Blender auftauchen, um bald wieder in wohlverdiente Vergessenheit zu versinken.

Wer offenen Geistes willig dieses bedeutende Werk auf sich wirken läßt, wird ganz tief verstehen, daß noch heute über dem durch Kriege und Not gegangenen Österreich die imperiale Geisteswürde übernationaler abendländischer Gesittung im Sinne einer kulturellen Sendung schwebt und in der Durchformung seines ganzen geschichtlichen Wesens fortlebt. Grießmaiers Buch erbringt geradezu den Nachweis der Daseinsnotwendigkeit Österreichs; daher soll es auch im Auslande für Würde und Schönheit unseres Landes Zeugnis ablegen, ein Botschafter unseres Geistes.

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