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Neue Wege der Filmmusik

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Es ist Tatsache geworden, daß die Technik des Tonfilms imstande ist, Werke der musikalischen Kunstliteratur mit hoher Vollkommenheit zu vermitteln. Vom Standpunkte des Musikers aus sollen hier einige Gedanken ausgesprochen werden, die verschiedene Möglichkeiten in der Gestaltung des musikalischen Filmwerks beleuchten mögen. Neben den letzten künstlerischen Hauptleistungen, „Eroica“ und „Matthäuspassion“, stehen noch weite Wege offen; und zwar sei nochmals betont: auf dem spezifisch musikalischen Arbeitsgebiet. Die beiden Filme sind Kunstwerke, aber noch nicht ein erreichtes Ziel, sondern Beginn. Im „Eroica“-FiIm ist die Musik „symbolhafte Untermalung“. Das Werk stellt das Leben des Meisters dar. Die Musik ist von Beethoven. Bs ist dies ein Film m i t Musik. In der „Matthäuspassion“ finden wir das Gesamtkunstwerk, das Filmoratorium: Musik, Malerei, Bildwerk (und Wort) sind gleichberechtigt. Mit dieser „mitregierenden“ Stellung der Musik beginnt der moderne Musikfilm. Es ist nicht mehr eine Zusammenstellung von Musikstücken und Fragmenten von solchen. Musik ist hier die Einheit, wie sie uns der große Komponist schenkte. Als Gesamtkunstwerk ist somit der Film produktiv, als Musikwerk reproduktiv: alte Musik in neuen Darstellungsformen.

Vielleicht liegt in der „Matthäuspassion“ der Keim zum repräsentativen Kunstwerk „Film“ des 20. Jahrhunderts, wie es die Oper im 17. und 18. Jahrhundert war. Der Gedanke mag dem Leser kühn vorkommen. Er ist es auch; aber er ist nicht undiskutabel. Steht doch auch die Musik, die ganze Kultur an einem Wendepunkt, an der Schwelle eines neuen Abschnitts der Entwicklung. Musikfilm als Werk an sich, Drehbuch als Grundlage (wie das Libretto der Oper), wertvolle Musik in tiefem, geistigem Zusammenhang mit erhabenen Ideen, die den Komponisten inspiriert haben können. — Der Plan, Opern auf die Leinwand zu bringen, ist alt und wurde und wird durchgeführt. Solche Unternehmungen können im großen und ganzen als wenig positiv bezeichnet werden. Das unterhaltende Moment dominiert, das Künstlerische tritt zurück. Die Musik mit ihren eminenten Fähigkeiten psychologischer Seelendarstellung ist dem Filmkomponisten auf dem bisherigen Niveau schon aus rein zeittechnischen Gründen unmöglich. E. Kfenek zum Beispiel berichtet davon, daß der Komponist stets zuletzt drankommt und daher wenig sorgfältig arbeiten kann. Die Musik sollte aber — wie sonst bei der Filmproduktion jede Teilaufnahme — äußerst sorgfältig erstellt werden.

Seelisches Erleben kann vollendet oft nur durch musikalische Interpretation verdeutlicht werden. Dies ist bereits bekannt, aber im Film kaum ausgenützt; wenigstens nicht in künstlerisch befriedigender Weise. — Neben dem Vermögen der Musik, in die innersten Tiefen des seelischen Erlebens vorzudringen und auch das auszudrücken, was das Wort nicht mehr auszudrücken vermag, wäre vielleicht in einer neuen Vergesellschaftung der Künste im Zeitalter der Technik neuer Impuls zu musikalischer Evolution enthalten, so wie die Oper neue Formen entwickelte und mit der Finaleausbildung eine Großtat in der Musikgeschichte, in der Geschichte der musikalischen Form setzte.

Wieviel in dieser Hinsicht zu tun ist, zeigt etwa der ausgezeichnete „Hamlet“-Film, Musik von dem bekannten englischen Komponisten William Walton. Die Musik ist hier nicht essentieller Bestandteil des Filmwerks. Ihre Form sind der Handlung entsprechend ziemlich mosaikartig aneinandergereihte „Musikgemälde“, die nur in der sichtbaren

Handlung ihre Verbindung erfahren. Durch diese Hinweise soll die Aufmerksamkeit ganz intensiv auf das Thema „Filmmusik“ und „Film und Kunstwerk“ gelenkt werden. Vielleicht regen sie zur Debatte an; ist diese produktiv, wird man sich gerne mit diesem Thema beschäftigen. Vielleicht ist der musikalische Filmstil ein Stil der Zukunft?

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