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Sachlicfakeitsrokoko

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Ein Wiener Kritiker bezeichnete Einrich-tungs- und Bedarfsgegenstände, die der .Osterreichische Werkbund“ im Kunstgewerbemuseum zu einer Ausstellung zusammengetragen hat, als .Produkte einer Spätkulturstufe“. Er hatte damit völlig recht. In dieser Ausstellung zeigt sich das .Wiener Möbel“, einst in aller Welt berühmt, in seiner letzten Entwicklungsphase — einer Phase, in der eine Schöpfer zwar noch Sachlichkeit anstreben, diese Sachlichkeit aber am liebsten in edlen Hölzern ausdrücken wollen, in der sie zwar noch materialgerecht, aber zugleich mit Vorliebe in erlesenem Material denken, fe der sie aus dem Puritanismus, zu dem die Innenarchitektur heutzutage notgedrungen neigt, wenigstens einen luxuriösen Puritanismus madien wollen; sie wünschen ihren Erzeugnissen klare Formen zu verleihen, aber sie können es nicht unterlassen, einfache Formen wenigstens in komplizierter Weise miteinander zu verbinden. Ihre Einrichtungskompositionen erinnern ein wenig an das Zimmer, das noch vor siebzig Jahren der Held eines Huysmans-Romans entwarf: ein Zimmer, in dem mit viel Raffinement kostbarste Stoffe so arrangiert wurden, daß es im ganzen den Eindruck einer kärglichen — Mönchszelle hervorrief.

Wie viele Spetstile ist auch dieses .Rokoko der geraden Linie“ äußerst feminin; nioht zu-“ fällig bilden die meisten Ausstellungsensembles Schlafzimmer, Boudoirs oder .Zimmer der berufstätigen Frau“; der Frisiertisch scheint ein beliebtes Thema unserer Möbelentwerfer und -erzeuger zu sein. An Verspieltheit fehlt es diesem Stil nicht, auch nicht an artistischen Versuchen, kopiertes Biedermeier in die moderne Wohnung einzubauen. Daß er zu Bizarrerien neigt und mandimal geschmackvoll bis zur Taktlosigkeit ist, nimmt nicht wunder; auch das sind Eigenheiten eines solchen Spätstils, der sich vorzugsweise an Geschmackroutiniers wendet und sich auch gerne ein wenig exklusiv gibt. Und exklusiv sind diese Objekte nicht nur ihres Preises wegen oder weil sie sich nicht zur Serienfabrikation eignen.

Professor Schuster ist unter den Ausstellern so ziemlich der einzige, der wenigstens den Versuch unternimmt, mit seinen nach Belieben und Bedarf zusammenstellbaren Kombinationsmöbeln — sie sind für die winzigen „Normalwohnungen“ der neuen Gemeindebauten gedacht — ein vernünftiges Kompromiß zwischen dem Geschmack des breiten Publikums und dem der Werkbund-archilekten zu schließen. Ganz befriedigend ist er nicht, aber er enthält wenigstens einen Hinweis auf die wirklichen Probleme, vor denen unsere Wohnkultur steht, und bringt ein wenig Alltagsrealität in die zum Teil freilich bezaubernde Kärtnerstraße-Traumwelt dieser Exposition ...

- In der Galerie W ü r t h 1 e haben sich drei Maler, Hans Stockbauer, Herbert P ö t u z-nik und Ferdinand Stransky, zu einer gemeinsamen Ausstellung zusammengetan. Sie sind ungewöhnlich ernsthaft und machen es sich und ihrer Kunst sdiwer; begabt sind sie zweifellos auch. Aber sie scheinen, wie so viele von unseren begabten Malern, von der Voraussetzung auszugehen, welche — um es ein wenig überspitzt auszudrücken —meint, daß die Arbeit an einem Bild erst in dem Augenblick beginnt, in dem der Maler den Pinsel in die Hand nimmt; während doch sehr wahrscheinlich jedes gute Bild schon fertig war, ehe es noch auf der Leinwand realisiert wurde. Mag man den Glauben, daß der vielleicht wichtigste Teil der künstlerischen Arbeit in der Überlegung, der Orientierung, der Meditation und der Berechnung liege — und nicht in der eigentlichen Realisierung — immerhin als allzu intellektualistisch empfinden: in einer Ausstellung, in der so viele Bilder hängen, in denen Korrektur über Korrektur nachholen wollte, was die Überlegung vorher versäumte, drängt er sich geradezu auf. Unterstützt wird er durch die Beobachtung, daß das wirkliche Können dieser einander in jeder Beziehung sehr verwandten Maler gerade in ihren graphischen und aquarellistischen Arbeiten, in Techniken also, die Korrekturen größeren Umfanges nicht erlauben, hell aufleuchtet, wofür Potuzniks ausgezeichnete ,Fischamend“-Landschaft und halbabstraktes Stilleben, Stockbauers einfaches und klar gezeichnetes Frauenporträt und Stranskys .Figuren im Raum“ kräftige Beweise liefern mögen. — Man würde sich freuen, diesen drei Malern in einiger Zeit wieder begegnen zu können; es hat ganz den Anschein, als ob sie durchaus imstande wären, das meiste von dem, was sie versprechen, über kurz oder lang einzulösen.

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