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Vision und Spekulation

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Eine äußerst eindrucksvolle Leistungsschau war die Ausstellung der Wiener Stadtplanung, die — leider nur kurz — in der V o 1 k s h a 11 e des Wiener Rathauses zu sehen war. Sie gab einen eindringlichen Bericht über die komplexen Probleme, denen sich der Stadtplaner Professor Dr. Roland Rainer, der Rektor der Wiener Akademie der bildenden Künste, gegenübersieht, die Fülle der Arbeit, die zu leisten war und die bereits bewundernswerteiweise geleistet wurde, aber darüber hinaus noch den Eindruck, eine starke schöpferische Persönlichkeit an der Arbeit zu spüren. Hinter der Bewältigung der gigantischen Aufgabe wird nämlich fühlbar, daß eine bestimmte Vision, eine Vorstellung am Werke ist, die das Kalkül mit dem menschlichen, historischen und sozialen Verständnis zu einer Synthese zu verbinden vermag und die den Mut besitzt, bei liebender Bewahrung des unersetzlichen Bestandes radikale Sanierungsmaßnahmen dort zu treffen, wo sie vonnöten sind. Die Vision des zukünftigen Wien, die aus dieser Ausstellung auftaucht, ist zutiefst human und vernünftig, undogmatisch und einleuchtend, eine einmalige und wahrscheinlich letzte Chance. Man verließ die Ausstellung mit dem Gefühl des Vertrauens in die Person des Stadtplaners und dem Wunsch und der Hoffnung, daß es ihm vergönnt sein möge, zum Besten unserer Stadt seine Pläne voll und ganz in die Tat umzusetzen.

In einem Schauraum der österreichischen Staatsdruckerei veranstaltet das Italienische Kulturinstitut eine Ausstellung von Arbeiten des Malers Michele T h e i 1 e aus Positano, die vorwiegend Gouachen zeigt. Die Landschaftsmalerei Theiles erinnert in der Form manchmal an Carra und ist in der Farbe von einem gemilderten deutschen Expressionismus beeinflußt. Die Bildtektonik erweist sich bei dem Maler stärker als die einzelne Form, während die Farbe meist die wilde Melancholie der Landschaften aus Kalabrien, Apulien und Rositano einzufangen versteht. Die Farbholzschnitte beweisen die stark dekorative Begabung des noch jungen Malers.

Ein Symptom der Verwirrung und Verirrung unserer Zeit ist das Bestreben, an die Stelle bildnerischer und gestalterischer Leistungen in der bildenden Kunst weltanschauliche Manifeste setzen zu wollen, ■aJUfii&JH"hinter dem ideologischen Nebel J fahfofetteip' JlnFähigejiT ząTverbėrgen.

Wieder ein Schulbeispiel dafür ist die Ausstellung von Hermann Nitsch in der Galerie Fuchs, in der bereits die Manifeste und Exzerpte aus Nietzsche und Glasenapp mehr Raum einnehmen als die vier tachistischen Rinnsel-Leinwände, die auf Shantung gedruckt vielleicht e i n apartes Stoffmuster ergäben, aber, aus — auch im „theoretischen“ Zusammenhang — schwer erfindlichen Gründen, als „Kreuzwegstationen" bezeichnet werden. Der Unsinn, Kunst als „eine religionsgleiche mystische Auseinandersetzung mit der Existenz" zu betrachten, ist evident, und die angeblich vorangegangenen Meditationen hätten sich besser mit dem Wesen der christlichen Religion, der Kunst und der unaustauschbaren Einmaligkeit jeder Station des Leidensweges beschäftigt.

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