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Aus der Romanliteratur

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In ein fremdartiges Milieu führt der Roman Hotel Shanghai. Im Jahre 1937, beim Ausbruch der chinesisch-japanischen Kämpfe, schlägt eine Fliegerbombe in ein großes Hotel der internationalen Niederlassung Schanghais und tötet neun Personen: eine russische Abenteurerin, eine Krankenschwester, den Angestellten einer Filmgesellschaft, einen japanischen Jounalisten, zwei Chinesen, Vater und Sohn, einen gescheiterten Emigranten, einen deutschen Arzt und einen armen Kuli. Die Autorin erzählt nun ausführlich das Leben jedes einzelnen dieser Menschen, die durch eigenartige Fügung in Sdianghai zusammengeführt werden. Jeder Bericht stellt so einen kleinen Roman für sich dar, in dem die verwirrende Mannigfaltigkeit menschlicher Existenz erscheint. Wie tief auch die Unterschiede zwischen den Personen in nationaler, sozialer und charakterlicher Hinsicht sind, sie alle kennen das Leid und sind irgendwie wurzellos geworden. Vicki Baum schreibt breit, aber nicht schleppend, sie charakterisiert realistisch prägnant die Gestalten und deren Umwelt. Am meisten fesselt sie in den Schilderungen des Lebens der rätselvollen und gefährlichen Stadt Schanghai.

Ein bemerkenswertes Buch ist der Roman des Franzosen Vialar. Er gehört einer Serie mit dem Titel „Der Tod ist ein Beginn“ an. Die Rahmenhandlung bildet die Heimkehr eines Mannes aus der Gefangenschaft, den niemand erwartet und der nun die Aufzeichnungen eines Kriegskameraden zu lesen bekommt. Dieser wurde in den Kämpfen von 1940 von seiner Truppe getrennt, irrte mit wenigen Kameraden durch Frankreich und war so Augenzeuge der großen Tragödie seiner Heimat. Dem Dichter kam es dabei darauf an, nur das rein persönliche Erleben des Mannes wiederzugeben, und zwar in einer völlig unpathetischen, gewollt zwangslosen Art, die das Furchtbare und das Groteske immer nahe beieinander sieht. Der Wahnwitz des Krieges wird dadurch um so erbarmungsloser gezeigt. Wohl erinnert man sich an bedeutende Vorbilder, etwa an Barbusse oder Dorgeles, aber der Autor hat durchaus Eigenes zu geben. Die innere Wandlung der Hauptperson zu höherer geistiger Reife verleiht dem Werk die ethische Hintergründigkeit.

Der österreichischen Vergangenheit zugewandt, ist Hellers Familienchronik „Die Meinrads“. Heller zeigt, wie schon mehrere Autoren vor ihm, das Wien der Jahrhundertwende im Spiegel der Schicksale von Angehörigen einer weitverzweigten Bürgerfamilie. Um die Geschwister Meinrad gruppiert sich eine Reihe von Gestalten aus allen Schichten der Bevölkerung. Auch historische Persönlichkeiten treten auf. Die Handlung bietet nichts Außergewöhnliches, eine tiefere Problematik fehlt, aber der Roman ist flüssig geschrieben und auf einen bestimmten Leserkreis berechnet.

Literarisch ziemlich anspruchslos, aber heimatgeschichtlich von Interesse, ist der Roman „Die Manharter“. Im Mittelpunkt steht eine während der Befreiungskriege im Brixental entstandene Sekte. Inre Entwicklung, ihr Aufruhr gegen die Behörden und schließlich ihr Zurückfinden auf den rechten Weg wird in lebendig dargestellten Episoden erzählt.

Ciaire Lepere, eine Schweizer Schriftstellerin, zeigt uns das friedvolle Leben einer Familie, in der die überaus sympathisch gezeichnete Gestalt der Mutter das Vorbild für alle abgibt. Nach ihrem Tode bleibt ihr geistiges Vermächtnis lebendig. Auch in den leidvollen Situationen hält die Verbundenheit der Geschwister allen Bedrängungen stand. Ein gemütvolles Buch, das von der friedlichen Lebensstimmung der Schweiz erfüllt ist.

Neu aufgelegt wurde P. Emsts Prosadichtung „Die selige Insel“. Sie ist eigentlich eine längere Erzählung und gehört zu den reizvollsten Werken des Dichters. Menschen, die sich in einer Zeit der Mechanisierung und Vermassung einsam fühlen und nach einem neuen Daseinsinhalt suchen, führen für kurze Zeit ein idyllisches Leben auf einer zauberhaften adriatischen Insel, doch dies genügt ihnen nicht, und so reisen sie zuletzt nach Südamerika, um sich dort in verantwortungsbewußter Tätigkeit eine Existenz zu gründen. Emsts Stil, geschult an großen Novellenvor-bildem, ist oft sehr eigenwillig, aber in den Stimmungsbildern voll Farbigkeit und Glanz. Die Lektüre dieses Buches überzeugt uns wieder davon, daß er keineswegs ein abstrakter Dichter war, als den man ihn öfter bezeichnet findet.

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