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Aus Spielerei wird Literatur

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Einakter und Dreiminutenspiele. Von Thornton Wilder. Uebersetzung von Herbert E. Her- litschka. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main. 177 Seiten. Preis 10.50 DM

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Einakter und Dreiminutenspiele. Von Thornton Wilder. Uebersetzung von Herbert E. Her- litschka. S.-Fischer-Verlag, Frankfurt am Main. 177 Seiten. Preis 10.50 DM

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Die Freunde der vom S.-Fischer-Verlag Band auf Band in deutscher Sprache herausgegebenen Werke Thornton Wilders greifen erfreut nach diesem schon lange versprochenen Buch. Finden wir doch gerade in den Dreiminutenspielen die Bauelemente, aus denen dieser „europäischeste aller amerikanischen Dichter" -r- wie Wilder einmal zutreffend genannt wurde — auch seine Romane und größeren Bühnenwerke formt. Wer in Wien, der in den ersten Nachkriegsjahren auf der Bühne der Josefstadt „Wir sind noch einmal davongekommen’’ sah, erinnert sich nicht noch heute dieser Welt- und Menschheitstragödie? Alles, was damals ein breites Theaterpublikum scho- kierte, aber dennoch in seinen Bann zog, ist in jedem einzelnen der „Dreiminutenspiele" vorgebildet: die auf äußerste Knappheit bedachte Sprache, der schärfe, beinahe gewalttätig empfundene Strich, der den Ablauf der Handlung skizziert, wozu noch die sichtbar demonstrierte Verachtung gegenüber den konventionellen Mitteln des klassischen Theaters kommt. Und nicht zuletzt: die Kunst, durch Schweigen zu reden; einen Platz für etwas Unaussprechliches wohl überlegt aufzusparen. In einer Zeit, die der großen Worte und hohlen Phrasen genug hat, ist es nicht zuletzt dieser feine Sinn für die Grenzen der menschlichen Sprache, die Thornton Wilder so sympathisch macht.-Wie der Dichter zu dieser, für sein Schaffen so charakteristischen Art der gedrängten, scheinbar fragmentarischen Aussage kam, gesteht er m dem Vorwort des vorliegenden Buches: Der 16jährige Gymnasiast flickt in der Oede der Mathematikstunde schnell eine literarische Skizze auf den Rand des Algebtabuches. Das erste Dreiminutenspiel für drei Personen ist geschrieben.

Später, als Wilder selbst ein junger Lehrer ist und Aufsicht in einem Internat führt, wird es ihm eine liebe Gewohnheit, sich von den Korrekturen der französischen Schularbeiten bei einem dieser Spiele zu erholen. Rasch, drei Minuten sind hoch Zeit, dann muß das Licht im Schlafsaal der Zöglinge gelöscht werden...

Aus der Spielerei wird Literatur. Die dreimal gesiebten Ergebnisse birgt dieses Buch: In ihm begegnen wir unter anderen wohl einer der entzückendsten Gestalten, nämlich der Eselin Hephzibah aus der „Flucht nach Aegypten", genau so wie Bruder Feuer und dem Knecht, der Malchus hieß.

Man sieht: es sind nicht selten religiöse, ja sogar biblische Themen, die Thornton Wilder den Zeitgenossen in seiner Art nahezubringen versucht. Seine Erklärung hierfür macht uns gleichzeitig mit den letzten Motiven seines dichterischen Schaffens vertraut. Auch hier müssen wir hinter die Worte hören: „Hier stellt sich der Schulmeister abermals ein. Er sieht alles Schönste in der christlichen Ueberlieferung für die . neuen Generationen durch die Art und Weise abstoßend gemacht, wie es ausgedrückt wird. Die nur zeitweilige Aufrichtigkeit ganzer Generationen von Geistlichen und Lehrern hat alle Begriffe des religiösen Lebens zu einer peinlichen Verlegenheit und sogar lächerlich gemacht... Die Wiederbelebung der Religion ist fast eine Sache der Rhetorik. Das Werk ist schwierig, vielleicht unmöglich... aber es gemahnt uns wenigstens daran, daß unser Herr Jesus von uns verlangte, in Seinem Dienst nicht nur sanft wie Tauben, sondern auch klug wie die Schlangen zu sein."

Vom Ordensstaat zum Fürstentum. Von Kurt Forstreuter. Holzner - Verlag, Kitzingen. 151 Seiten.

Seit der Niederlage gegenüber Polen im Jahre 1410 bei Tannenberg, ging es mit dem Deutsch- Ordensstaat in Preußen ständig bergab. Auf den ersten Thorner Frieden im Jahre 1411, bei dem der. Ordensstaat noch recht glimpflich davongekommen war, folgten äußere und innere Kämpfe, die sich durch Jahrzehnte hinzogen. Einerseits rebellierten Adel, Städte und Hansa gegen den Orden im Inneren, anderseits bedrängte Polen ständig den Staat. Das Ende dieser Wirren war der zweite Thorner Frieden vom Jahre 1466, der den Orden in starke Abhängigkeit vom polnischen Nachbarn brachte. Um einen weiteren Niedergang des Ordens zu verhindern und ihm einen Rückhalt zu sichern, wählte er sich Hochmeister aus reichsfürstlichen Geschlechtern, die — praktisch nur nominell in den Orden aufgenommen — ihn durch ihre Beziehungen, ihre privaten Machtmittel schützen sollten. Der Orden hatte allerdings nur zwei solcher Hochmeister: Friedrich von Sachsen, der 1498 bis 1510 regierte, und seinen Nachfolger Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, der 1525 Protestant wurde und den Ordensstaat säkularisierte. Diese beiden Hochmeister formten den Staat von einem reinen Ordensstaat zu einem, allerdings noch geistlichen Fürstentum um, bis dann Albrecht daraus ein rein weltliches Fürstentum schuf. Diese Epoche zwischen Ordensstaat und weltlichem Fürstentum, den „Herbst des Mittelalters in Preußen", schildert das vorliegende Werk, gestützt auf Grund zahlreicher Quellen und Literatur leider darunter nur wenig polnische und gibt ein gutes Bild dieser Zeit, die sonst kaum beachtet wird.

Die Zukunft des Christentums. Von August Vilmar. Gotthelf-Verlag, Zürich. 48 Seiten. Preis 1.50 DM. — Das Heil in Christus. Von Ludwig H of acker. Ebd. 45 Seiten. Preis 1.50 DM. — Ueber das heilige Abendmahl. Von Christoph Blumhardt. Ebd. 48 Seiten. Preis 1.50 DM.

In einer Sammlung „Bücherei der Gemeinde" gibt der Gotthelf-Verlag in Zürich Predigten und Betrachtungen evangelischer Erweckungsprediger heraus. Es sind Schriften aus dem 19. Jahrhundert. Die bedeutendste unter den drei vorliegenden ist unzweifelhaft August Vilmar: Die Zukunft des Christentums. Vilmar, evangelischer Theologieprofessor in Marburg, gestorben 1868, legt in seinen Betrachtungen über die Zukunft des Christentums Gedanken vor, die auch heute noch gelten. Als konservativer Protestant seiner Zeit ist er voll frommer Gläubigkeit und eine tiefe Sorge um das Reich Gottes spricht aus seinen Worten. Christoph Blumhardt ist das Glied einer evangelischen Theologenfamilie — auch andere Glieder dieser Familie waren literarisch tätig —, er selbst wirkte als Erweckungsprediger. Seine Betrachtungen sind voll inniger Frömmigkeit und Gläubigkeit, können uns aber nicht mehr recht befriedigen, da die dogmatische Darlegung der Eucharistielehre zu mager ausgefallen ist. Aehnljches gilt von den Predigten Ludwig H o f a c k e r s.

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