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Das Gedicht

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MORGEN IN DER STADT

Der früUe Tag setzt sich an meine schmale Schwelle und legt vor sie die Vielgestalt von Bild und Land. Der blasse Kindermund des Himmels haucht die Helle kühl und atemfeucht an meinen Rand.

Noch gibt ein Stern die Kraft, das All zu wissen, noch trägt ein Berg des Himmels ernste Huld. Bald liegt die Ferne, streifenschmal zerrissen, im Cossenstaub zermahlener Geduld —

Von einem Schlote flattern lange, schmale Fetzen eh noch das Licht vors Haus die goldne Fahne hängt. Da nun die Spatzen sich geschwätzig in die Stillt sitzen, verstummt ihr Lied, das sanft mein Herz bedrängt.

Ein armer Rest von Welt wird Wort und Erde.

In uns der Fremdling stellt sich groß und breit.

Auf futterarme Weide lieht die Stundenherdt, und mit der Hungerpeitsche knallt dazu die Zeit — — —

HASSLICHES HAUS

In mein Fenster herein schaut ein häßliches Haut, das lischt alle Farben des Frühlingstags aus, das macht, daß mich manchmal Im Sommerglanx fritrt und der Herbst seine lodernde Schönheit verliert.

So gram, wie der Tag in der Nebelzelt Ist, steht ei vor dem Blick, der das Schauen vergißt. Gestaute Asche zerflackerten Traums baut es den Staub vor die Tiefe des Raums —

In mein Fenster herein schaut ein häßliches Haut, das stört mich noch nachts aus den Träumen heraus, doch heute hat es sich plötzlich verschönt, wie manchmal das Schicksal die Armut versöhnt — —

Als im Stundengefälle der Alltag verklang, da - saß auf dem Dach eine Amsel und tan%...

IN EINEM „BEISEL“

Noch hängt an Wand und Decke Dunst von gestern, da früh die ersten Gäste schlürfend trinken. In einer Ecke nur, wo sie das Leben lästern, darf keine Stille in den Traum des Weines sinken.

Tabakrauch wölkt von einem Hintertische durch das Lokal In blassen, blauen Schwaden. Ein Ltebespärchen In versteckter Nische scheint mühsam zärtlich und von Leid beladen.

Der Bursche an der Schank zeigt prankenstarke Hände.

Die Kellnerin hat allzu grell geschminkte Lippen.

Ein Maler tchmierte dralle Weiber an die Wände,

Ein Eiliger muß schnell am Schanktisch Schnäpse kippen.

Mag sein, daß manche nur noch stumpfen Rausch verlangen, deswegen läßt sie Gott nicht in die Hölle steigenl • Die großen Sünden werden anderswo begangen — Hier lehnt das Volk sich In sein allerärmstes Schwelgen,..

NACHTWÄCHTER IN DER CRÖSZSTADT

Der Schlaf drückt auf mich wie ein schweres Gewicht. Die Windlampe flackert. Die Nacht wird jetzt kühl. Bis Mitternacht war es dunstig und schwül. Nun treibt der Wind das Mondlicht wie Schnee durch die rauschende Ahornallee.

Die Hütte aus Brettern erzittert und knarrt. Ah Holzstapeln hat mich ein Schatten genarrt. Die Baustelle Ist wie mit Trümmern besät. Nah her gongt es drei. Der Wind hat gedreht.

Nun gurren die Tauben, und bald wird es licht.

Der Schlaf druckt auf mich wie ein schweres Gewicht.

Der Nachtwind schläft ein, wird huschender Hauch,

Ein Bäcker hellt an, nun riecht es nach Rauch.

Ein Mann und ein Mädchen gehn, schmal und vtrtückt. Ein altes Weiblein schlurft, rucksackbedrückt. Das Licht saugt die Pfützen der Dunkelheit auf. Die Zeitungsfrau tätigt den ersten Verkauf.

Die Hände der Frühe sind kühl und betaut. Die Zeit lichtet weiter, das Leben wird laut. Die Weite wächst klingend. Die Sonne steigt sacht, und Ich sag zu Ihr — und zu mir — gute Nacht...

EINSAMES GEBET

Ich knie ganz allein vor dem Altar. Das ist so schön, wie es in Kindertagen war. Mein Sinnen, das des Lebens wirre Wege geht, versickert mählich In versunkenes Gebet —

Das Kirchenschiff fährt mit mir weich und weit.

Ich werde zeltlos, und Gott selbst wird Zelt,

Er stellt mich nicht von Tor als Bettler hin.

Er löscht mein Fieber aus und gibt mir wieder Sinn —•

Ein warmer Regen taut In mein umfrornes Hert. Die Stille atmet überwundnen Schmerz. Durch meine Schuld Ist so viel falsch und schlecht, doch Deine Liebe, Vater, kommt als Rat und Recht —

Ich knie ganz allein vor dem Altar.

In ferner Nähe rasten Stunde, Tag und Jahr.

Mein Sinnen, aus des Lebens Wildnis hergeweht, durchblüht den Garten, der vor Deinem Haust steht.,,

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