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DONA FABIOLA / JUNGE KÖNIGIN 1960

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„Bete für mich. Ich werde einen sehr verantwortungsvollen Posten auszufüllen haben.“ Diese Bitte richtete sie in einem Telephongespräch an ihre Zwillingsschwester, die Gräfin Saltes: Dona Fabiola de Mora y Aragon y Carrillo de Albornoz, kurz Fabiola genannt. Die künftige Königin Belgiens weiß, daß sie keine leichten Aufgaben erwarten.

Die dreißigjährige Frau aus der stillen Zurbanostraße in Madrid ist keine Protagonistin jenes europäischen Adels der „dolce vita“, jenes luxuriös-libidinösen Lebens von Playboys mit blauem Blut und den dazugehörigen Damen, das durch Film, Skandale, Gerichtshöfe und Revuen heute weltweit im Scheinwerferlicht steht, Dorla Fabiola hatte in den letzten Jahren ihren krebskranken Vater gepflegt. Dieser reiche spanische Adelige erzog seine sieben Kinder in strenger Zucht. Tradition und tiefe Religiosität herrschen in diesem Vaterhause, in dem Fabiola heranwächst. Jeden Abend versammelt sich die siebzehnköpfige Dienerschaft — zu ihr gehörte auch nahezu vierzig Jahre Enrique, der österreichische Maitre d'Hotel — mit Dören Bianca de Mora y Aragon zum Gebet, Im Studierzimmer des verstorbenen Grafen ist alles so geblieben, wie es am letzten Tag seines Lebens war. Die Uhr zeigt die Minute seines Todes an. Dieser strenge Konservativismus des hausväterlichen Regiments bedeutete jedoch für Fabiola nicht, daß sie nicht wüßte, wie die Welt rings um den väterlichen Palast aussähe. In ihrem kleinen, grünen Fiat fuhr sie täglich durch die Elendsviertel der spanischen Hauptstadt, sie kannte durch ständigen Umgang die Armen und die Arbeiter Spaniens, Das wußten die spanischen Arbeiter im Brüsseler Viertel Marolies: Sie haben am stürmischesten ihre hohe Landsmännin begrüßt.

Ernst, gebildet, gütig: so schildern sie ihre Bekannten. Fabiola de Mora spricht sechs Sprachen und hat sich sofort nach ihrer Verlobung an das Erlernen des Flämischen gemacht. Erzogen in einem Klosterinternat, ist sie jedoch keineswegs eine weltscheue oder weltflüchtige Erscheinung. Sie spielt gerne Tennis und liebt die Jagd. Für die prunkvollen Empfänge des Madrilener Adels, für das Wesen der Parties hat sie jedoch nicht viel übrig gehabt. Nach dem Tode ihres

Vaters sammelte sie einen Kreis gleich-gesinnter Mädchen um sich und arbeitete mit ihnen in der Armen- und Krankenpflege in Madrid. Mehrmals fuhr sie mit den Aussätzigen eines spanischen Leprakrankenhauses nach Lourdes. Diese junge Frau kennt das Elend der Welt; und sie liebt die Kinder. Das von ihr verfaßte Märchenbuch „Zwölf wundersame Geschichten“ war, als es erschien, kein Erfolg: das hat sie damals nicht gestört, sie verschenkte die Auflage in den Madrilener Vororten. /

Jetzt kommt sie als Königin zu den Kindern eines Landes, in dem große und alte Gegensätze herrschen: zwischen Flamen und Wallonen, Katholiken und Antiklerikalen, zwischen armen Kleinhäuslern und der Eleganz und dem Luxus der Brüsseler Gesellschaft. Die Königin aus Spanien in Brüssel, der als erstes das schwierige Geschäft der endgültigen Abdankung der Prinzessin Rethy und des Vaters des regierenden Königs zufällt, hat ihr ganzes Leben bisher als hohe Verpflichtung verstanden. Es wird ihr, nach diesem Vorleben, nicht weniger an Mut gebrechen als ihrer Vorfahrin, jener spanischen Katharina, die als Gattin Heinrichs VIII. von England der unschuldige Mitanlaß zur großen Spaltung in England, zum Drama dieses Mannes wurde. König Baudouin ist selbst von seinen Kritikern niemals mit Heinrich VII/. verglichen worden. Dieser bisher so frauen- und weltscheue Mann hat in seiner spanischen Braut ein rechtes Gottesgeschenk erhalten und weiß dies zu würdigen. Auf einen der letzten Throne Europas nimmt ein junges Paar Platz, das den Ernst und die Zeichen der Zeit versteht.

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