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Ein Führer zur Gotterfahrung

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Ja wirklich, „Gott läßt sich erfahren" - im zeilenweisen Mitdenken und Mitfühlen der Sätze dieses Buches, denn genaueste Güte spricht aus dieser ernsthaften, liebevollen Anrede eines Siebzigjährigen, der Krieg, Gefangenschaft, Berufung, Studium, Pfarrseelsorge, höchste Diö-zesanfunktionen und bisher 15 Jahre Bischofsamt in klarer, frommer Geistigkeit bestanden hat. Schon nach den ersten Seiten wird der Leser von tiefem Vertrauen zu diesem Hirten erfüllt: sorgfältig wird er zwischen allen Versuchungen an jene echte Gotteserfahrung herangeführt, die sich dem gegenwartswachen, wissenden, zeit-, kirchen- und selbstkritischen Menschen unserer Tage öffnen kann -wenn er nur mitwirkt!

Trotz vielfältigen wechselnden Rollenverhaltens eines Menschen bleibt die Suche nach Verbindlichkeit aktuell. Treue, Verläßlichkeit, Hilfsbereitschaft, solidarisches Handeln gelten weiterhin als Werte und müssen auf dem Weg zum Menschsein verwirklicht werden. Im Hinausstehen seiner Existenz in das Ganze der Wirklichkeit empfindet sich der Mensch immer als ein Werdender, über sich selbst hinaus gezogen, vor Gott stehend, und in Christus hat Gott sich an unsere Seite gestellt. Die fünf Messiasbilder - Priester auf ewig, Prophet, Sohn Davids, Gottesknecht, Menschensohn -, in denen er angekündigt, aber nicht „vorausberechenbar" war, mahnen auch von uns jene Offenheit für die „Zeichen der Zeit" (Lk 12,56) ein, die die Pharisäer und Schriftgelehrten damals nicht aufgebracht haben.

„Ein Christ, der weiß und zugibt, daß sein Glaube letztlich darin gründet, daß er Jesus Christus für eine glaubwürdige Gestalt und das Zeugnis über ihn ... für menschlich ehrlich und zuverlässig hält, ... braucht niemanden zu verachten oder gar zu bekämpfen, der sich (noch) nicht oder der sich anders entschieden hat - er braucht das weder mit Argumenten noch mit Machtmitteln zu tun..." Gerade ein ... sich seiner eigenen Glaubensfundamente bewußter Christ wird tolerant sein in jeder Hinsicht; er kann seinen Glauben bezeugen und er kann für ihn werben: Beides aber wird von innen her unglaubwürdig durch jede Spur von Intoleranz oder Machtausübung.

Wer zur Kirche gehören will, muß sich an ihre Ordnungen halten; ob er aber zur Kirche gehören will, hat er selbst in Verantwortung vor Gott zu entscheiden.

Christen sollen das Bichtige tun um des Beschenktseins von Gott willen, nicht aus knechtischer Angst vor Strafe. Hier sollte die Kirche nicht unter ihr eigenes Niveau zurückfallen. Gott will uns nicht als Zuschauer des Offenbarungsgeschehens, sondern als Mitspieler.

Mit dieser aus zwei Pastoralschreiben hervorgegangenen Lehr- und Trostschrift hat der in seinem Bistum vielgeliebte Bischof von Trier Hermann Josef Spital (Trier ist Christengemeinde seit dem dritten Jahrhundert und war Residenz jenes Konstantin, der 313 das Toleranzedikt zugunsten der Christen erließ) vielen vielleicht an der „Zeitgemäßheit" ihrer Religiosität Zweifelnden die unverbrüchliche Erfahrung des Atems solcher Wahrhaftigkeit wiedergeschenkt.

GOTT LASST SICH ERFAHREN

Über die Weitergabe des Glaubens. Von Hermann Josef Spital Vzrlag Paulinus, Trier, und Styria, Graz 1995,164 Seiten, kt, öS 198,-

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