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Familienpolitik — Bevölkerungspolitik

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Daß die Familie als Stätte zur Hervorbringung der Nachkommenschaft von lebenswichtiger Bedeutung für Gesellschaft und Staat ist, muß groteskerweise heute nicht nur erwähnt, sondern geradezu betont werden, da diese volksbiologische Aufgabe als Reaktion auf den machtpolitischen Mißbrauch der ehelichen Fruchtbarkeit durch aggressive Diktaturen von manchen Kreisen geradezu verkannt oder abschätzig beurteilt wird. Man hat hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und in instinktloser Wirklichkeits-verkennuing (ein dekadenizverdächti-ges Symptom) die elementare Bedeutung der Familie als biologische Regenerationsstätte und damit als Institution zur Erhaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen eines Volkes mit bevölkerungspolitischem Mißbrauch dex Ehe verwechselt. Obwohl die so eingestellten Kreise in den früheren fünfziger Jahren bei der Auswertung der Volkszählung von 1951 einen heilsamen Schock erlebt halben, angesichts des damals bedrohlichen „Volkstodes“ und der unnatürlichen Überalterung der Bevölkerung, ist dennoch mancherorts ein geringschätzendes Nasenrümpfen und die Assoziation mit einer — in Österreich von niemand betriebenen — „Geburtenpropaganda“ aus negativ zu bewertender nationalistischer Bevölkerungspolitik oder aus falsch verstandenen religiösen Motiven zurückgeblieben. Ehe und Familie aber sind und bleiben selbstredend in biologischer Hinsicht eine Selbsterhaltungsaufigabe für Staat und Gesellschaft. Soweit es darum geht, ihre biologische Regernations-kraft von allen hemmenden, störenden und soziales Unrecht hervorrufenden Hindernissen (wirtschaftliche Deklassierung) zu befreien, ohne einen dirigierenden Einfluß auf die der persönlichen Freiheit der Ehepartner allein zugeordnete Verantwortung des Kindersegens im konkreten Einzelfall auszuüben, bildet eine solchermaßen vom natürlichen Selbster ha ltungawi llen gc t r a gene bevölkerungspolitische Einstellung der Staatsführung keinen Widerspruch zur Familienpolitik, bei der die Familie aus Gründen der Gerechtigkeit um ihrer selbst und gleichzeitig um ihrer Aufbau- und Ordnungsfunktion in der Gesellschaft willen Gegenstand tätiger politischer Sorge ist. Familienpolitik und eine als friedliche Selbsterhaltung des Volkes verstandene Bevölkerungspolitik entspringen zwar verschiedenen Beweggründen, wirken aber in dieselbe Richtung.

Aber nicht nur die unersetzliche sozialpädagogische Funktion des Elternhauses und die biologische Regeneration des Volkes machen Ehe und Familie zu einer bedeutsamen Aufgabe der Gesellschaftspolitdk. Als primärer persönlicher Lebensraum sind sie auch für den Erwachsenen der Ort, an dem er den entscheidenden Reifung sprozeß durchmacht. Hier wird der Mann zum Vater, die Männlichkeit zur Väterlichkeit. Der männliche Tatendrang vermählt sich beim Familienvater mit planender Umsicht, mit Sorge und Verantwortung; eine Haltung, die der Mann von .seiner Familie auf die gesellschaftlichen Bereiche überträgt. Erst der Vater wird im Regelfall reif zum Politiker in des Wortes guter und voller Bedeutung, reif zum Mann, der Verantwortung trägt „für die Seinen“. Es stünde besser um unser öffentliches Leben, wenn die Mehrzahl unserer Politiker aus väterlichen Persönlichkeiten bestünde.

In der Familie wird die Frau zur Mutter, kommt zur Weiblichkeit die Mütterlichkeit. Drängende Kräfte, Leben zu geben, zu pflegen, zu bergen, zu lieben werden frei und entfaltet („wie altmodisch“, hört man eine gewisse Kategorie von Frauen und Männern stöhnen); gemüthafte Kräfte, harmonisierende, ausgleichende, beruhigende, die unsere ökonomische, intellektualistische, organisierte und friedlose Welt so dringend braucht (also nicht nur die einzelne Familie für sich selbst).

In Ehe und Familie überwinden Mann und Frau ihren Egoismus, sie werden frei und reif für das Du. Die Soziakiatur des Kindes und Jugendlichen wird geweckt und zur Entfaltung befähigt, die des Erwachsenen erfährt hier ihre hohe Schule. Die Einehe ist das Ordnungsprinzip im Zusammenleben der Geschlechter.

Ehe und Familie sind .so aufbauende' Zelle und Strukturprinzip des gesellschaftlichen Organismus. Sie 's'ind, wie einleitend gesagt wurde, Bindeglied und Brücke zwischen dem Individuum und den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen. Durch die funktionierende Familie schützt sich die Gesellschaft vor der Fehlhaltung des Individualismus; durch die funktionierende Familie schützt sich die menschliche Person gleichzeitig vor dem freiheitsraubenden Kollektivismus. Nur durch das gesunde Leben des Menschen in der Familiengemeinschaft entsteht ein lebenstüchtiger gesellschaftlicher Organismus. Ehe und Familie sind somit nicht nur „Privatsache“, sondern eine gesellschaftspolitische Aufgabe.

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