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Historische Romane

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Die Sandalenmachergasse. Ein Roman aus dem Rom des Kaisers Marc Aurel. Von Nis Petersen. Aus dem Dänischen übersetzt von Pauline K 1 a i b e r-Gottschau. Oesterreichische Buchgemeinschaft, Wien. 453 Seiten.

1931 erschien dieses Werk bereits im dänischen Original. Es geht um das Schicksal einer der vielen kleinen Christengemeinden in Rom — hier um jene in der Sandalenmachergasse. Die Behörden und der Geheimdienst wissen sehr wohl um diese Christen, aber sie dulden sie bis zu einer Zeit, da man aus staatspolitischen Gründen einen Sündenbock braucht. In den Gemeinden selbst beginnt bereits die Tragik, daß die erste Liebe von der Alltäglichkeit und der Organisation verdrängt zu. werden droht. Erschütternd ist, aus diesem großartigen Werk erkennen zu müssen, daß christliches Leben sich immer nur in

Einfalt und Ohnmacht durchsetzen kann. — Der Weg des jungen Marcellus wird zum christlichen Weg ins fast ungewollte- Martyrium durch die Liebe zur jungen Patrizierin Cacilia. Diese zieht den von allen Zeitideen und Religionen Roms Zerrissenen in den Kreis der Lehre Und Liebe Christi. Bei der beginnenden Christenverfolgung wird er mitgefangen und in liebender Vertauschung, im Ineinanderfließen der Person Christi und der Cacilia bleibt er unter den Gefangenen und stirbt unrühmlich im Straßengraben während des Marsches zur Deportation. — Noch in der deutschen Uebersetzung ist dieser Roman ein Genuß: die psychologische und religionspsychologische Kenntnis des Verfassers in einem Stil origineller Bilder und Vergleiche macht das Buch unvergeßlich.

Longinui, der Zeuge. Roman. Von Louis de W o h 1. Walter-Verlag, Ölten 352 Seiten. Preis 13.30 sfrs.

Die Gestalt jenes römischen Hauptmannes, der beim Tode des Herrn unaufgefordert sein Zeugnis gab: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn“ — hat die Dichter und Schriftsteller immer wieder beschäftigt. De Wohl bringt diesen in Zusammenhang mit Claudia Procula, der Gattin des Pontius Pilatus. Von beiden Persönlichkeiten weiß weder die Heilige Schrift noch die Geschichtsschreibung viel —, um so mehr kann dichterische Phantasie beide bearbeiten. Es gelingt de Wohl meisterhaft, im Rahmen der römischen und palästinensischen Zeitgeschichte mit erfundenen und historischen Personen die Gestalt Christi lebendig zu machen. Besonders für Jugendliche ist dieser Roman/ zu empfehlen.

Lucius Flavui. Von Joseph S p i 11 m a n n SJ. Rex-Verlag, München. Gekürzte Ausgabe, bearbeitet von Eduard von Tunk. 415 Seiten.

Wer hat in seiner Jugend nicht die „Spillmann-Bücher“ gelesen, verschlungen sogar und damit die ersten Schritte in lebendige Geschichte gemacht —? Der historische Roman will ja durch Einblendung erfundener Figuren den geschichtlichen Kern einer Zeit oder Persönlichkeit verdeutlichen. So ist in „Lucius Flavus“ der Untergang Jerusalems geschildert — als Roman. Jüdisches, Römisches, Christliches sind damals hart aufeinandergestoßen —, Kulturelemente, die seit der dreisprachigen Aufschrift auf des Herm Kreuz sich nie mehr 'voneinander trennen konnten, einander brauchten, einander Gelahr und Segen wurden. Bekehrung und Untergang, Verhärtung und Auferstehung sind unsere Geschicke: selten wird dies so eindringlich und einfach geschildert wie in diesem Buche.

Agnes und die Söhne der Wölfin. Ein Prozeß. Von Lothar Schreyer. Herder-Verlag. Freiburg. 317 Seiten.

Frivatbriefe, Rechtsgutachten, Berichte von Spitzeln des römischen Geheimdienstes, offizielle Befehle, inoffizielle Nachrichten, keine einzige rein erzählende Seite — so kreist das ganze Buch in seinem seltsamen und geglückten Stil um das kleine römische Patrizierkind Agnes. Zart und stark, unberührt von „Welt“ wird dieses Kind zur Staatsaffäre: das Kleine wird groß, das Große sehr relativ, wenn gelebtes Leben die Maßstäbe des ewigen Lebens in unser Weltgeschehen hereinbringt. — Bis auf die letzten anderthalb Seiten folgt man gespannt diesem Buche. Hätte Schreyer auf die reichlich kitschige, völlig überflüssige Apotheose der heiligen Märtyrin verzichtet, wäre sein Buch ein Meisterwerk geworden.

Alverde. Ein Roman, der Portugal mit Aethiopien verbindet. Von Pierre B e n o i t. Aus dem Französischen von Richard C a 11 o f e n. Rex-Verlag, München. 187 Seiten.

Zunächst ist das Buch ein wenig verwirrend, weil die fremdländischen (portugiesischen und äthiopischen) Namen und Geschichtsperioden meist unbekannt sind. Aber bald erliegt der Leser dem Reiz der Ueberblendungen von Geschehnissen des 15. bis 20. Jahrhunderts. Es geht um die über 300 Jahre unterbrochene Wiedererrichtung der Dynastie der Aviz in Portugal — die an der Ermordung des portugiesischen Staatschefs Sidonio Paes 1918 scheitert. Geschichte — das wird in diesem Buche wieder einmal deutlich — hängt in Erfolg und Mißerfolg an unwägbaren Momenten und Einflüssen und hat nur in einem höheren Zusammenhang, sozusagen als Ganzes, einen Sinn, den jeder an seiner Stelle demütig bejahen muß. Diego Hanns G o e t z OP.

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