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Island, Irland und die Steiermark

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Drei großformatige, anspruchsvolle Bildbände über Landschaften. Landschaften, die verschiedener nicht sein könnten: Island, Irland und die Steiermark. Gemeinsam dokumentieren die drei Bücher die gewaltige Bandbreite der europäischen Kultur. Die drei Landschaften stehen aber auch für die Bandbreite menschlicher Lebensund Überlebensweisen, für die Vielfalt der Techniken, die nicht immer freundliche Natur und gegen die nur gelegentlich freundlichen Nachbarvölker zu bestehen.

Wer wissen will, wie einsam eine Einsamkeit sein kann, der blättere im Buch „Island - Luftbilder von Klaus D. Francke". Ein winziges rotes Dings zwischen nebelverhangenen kahlen Bergen ist der Leuchtturm von Sau-danesviti und die wenigen noch bewohnten Höfe in dieser Gegend sind die einsamsten Islands: winzige Punkte im kahlen Nichts. Das Luftbild läßt ahnen, was es heißt, hier auf sich allein gestellt zu sein. Was der Hamburger Fotograf (und gelernte Architekt) Francke von jahrelangen Flügen mit seinen „ewig gelassen bleibenden isländischen Piloten" an Bildern heimbrachte, sticht selbst aus dem heutigen Überangebot fotografischer Superlative hervor. Wahre Kabinettstücke formaler, abstrakter Strukturen hervorhebender Fotografie einerseits (wie „Braunrotes Moorwasser" oder „ Gletscher wasser führender Bach") und subtile Erfassens großartiger Stimmungen andererseits (siehe Bild) sind die Pole, zwischen denen sich seine Kunst entfaltet. In Island war der Mensch nur selten des Menschen Wolf. Zu abgelegen ist die Insel, die geographisch kaum mehr zu Europa gehört, kulturell aber umso mehr. Zu weit auseinander lebten und leben die Menschen. Es gibt da Bauernhöfe am Grund von Tälern, in welche die Sonne nur im Hochsommer zögernd ein paar Strahlen wirft. Das Klima ist mild, aber wechselhaft - klagt ein Tourist über schlechtes Wetter, sagt man ihm: Warten Sie halt eine Stunde! Vor einigen Jahrhunderten starb Island fast aus, heute ist es von Arbeitslosigkeit geplagt und blickt in eine unsichere Zukunft.

Auf eine Überlebensgeschichte ganz anderer Art blickt Irland zurück. Hier war jahrhundertelang der protestantische Brite des katholischen Iren Wolf, tötete ihn oder trieb ihn aus dem Land. Auch in Österreich erinnern irische Namen an die irischen „Wildgeese", die davongeflogenen, geflohenen Wildgänse: Der des Feld-, marschalls Lascy in früherer, der des Rennfahrers Barry in jüngerer Zeit. Ein übriges tat der Hunger. Auch er trieb Millionen Iren aus dem Land. Vor allem nach Amerika.

„Irland - Land der Regenbogen -Land der Heiligen" erzählt von den Menschen, die von dieser Geschichte geformt wurden, und zwar in Text und Bild weit über dem Niveau des in Bild- und Reisebänden Üblichen. Werner Richners Bilder sind atmosphärisch dicht und von exzellent beherrschter Buntheit, die Texte von Ulrike Gerold und Wolfram Hänel sind intelligent und informativ. Und es läuft einem schon kalt über den Rücken, wenn man über die Hungersnot ab 1845, in der in drei Jahren vier der acht Millionen Iren verhungerten oder am Typhus starben und über die heute noch in den Pubs gesungen wird, liest: „Weder verzichten die englischen Landlords auf ihre Abgaben, noch sind sie bereit, von ihrer Politik des ,freien Spiels der Kräfte' abzugehen - das heißt, keine flankierenden sozialen oder wirtschaftlichen Maßnahmen, wer sich nicht selbst helfen kann, geht eben unter."

Peter Daniel Wolfkind war mit dem Verzicht, Fremden die Steiermark erklären zu wollen, gut beraten, als er den Text zum Buch „Steiermark" schrieb. Mitden Fotos des Bandes erarbeitete sich der sonst eher weitläufige Gery Wolf optisch seine Heimat, die Bilder entsprechen voll und ganz dem, was man heute erwarten darf - ein schönes Buch. Wolfkinds Text aber ist eine Art von intelligentem optisch-semantischem Experiment. Indem er zahlreiche Schlüsselwörter (in jeder Zeile mehrere) in Versalien hervorhob, machte er so etwas wie eine Inventur steiri-scher Archetypen und Obsessionen.

Dabei wird erkennbar: Ein Land, heimgesucht von vielen Plagen, und gerade infolge der vielen, oft unfreiwilligen Außenkontakte von vielerlei Vorsichts- und Abwehrhaltungen geprägt. Wolfkinds Text ist gespickt mit Geschichten von erschrecklichen Begebenheiten, mit Erinnerungen an Verdrängtes, Assoziationen und Bosheiten wie etwa: „König Belas Ungarn müssen sich mit einem UNGERDORF in der OSTSTEIERMARK zufrieden geben, OTTOKAR II. PRZEMYSL und seine BÖHMEN hingegen gingen leer aus. So wie auch die FRANZOSEN und ihr großer NAPOLEON, an den heute nur noch ein Bild über einem GRAZER GASTHAUS erinnert. Für SPÄTER eintreffende PROMINENZ hatte man nur noch STRASSENNA-MEN und EHRENBÜRGERSCHAFTEN zur Verfügung. Für ADOLF HITLER zum Beispiel, der sich bis zum Beginn des JAHRES 1995 der EHRENBÜRGERSCHAFT von LEIBNITZ erfreuen durfte. Erst anläßlich des Gedenkens an das WIEDERERSTEHEN Österreichs vor 50 Jahren hat man sie ihm aberkannt."

ISLAND - Luftbilder von Klaus D. francke

Edition Stemmle, Einsiedeln 1994. 108 Seiten, 56 großformatige Farbbilder, Ln, öS 998,40-

IRLAND - Land der Regenbogen, Land der Heiligen.

Von Werner Richner, Ulrike Gerold, Wolfram Hänel.

G. Braun Verlag, Karlsruhe 1995. 176 Seiten, 120 Farbbilder, geb., öS 764,40-

STEIERMARK -

Von Gery Wolf (Fotos) und Peter Da niel Wolfkind Verlag Styria, Graz 1995. 176 Seiten, davon 160 Farbildsei-ten, Text deutschjenglisch, Ln, öS 980,-

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